Denver - Freitag, 23. Juli 2021, 8:49 Uhr.
In einer 19-Punkte-Erklärung zum Schreiben Traditionis Custodes von Papst Franziskus hat Kardinal Raymond Leo Burke die Maßnahmen gegen die Traditionelle Lateinische Messe (TLM) als "hart und revolutionär" bezeichnet und die Frage aufgeworfen, ob der Papst überhaupt die Autorität hat, die Feier der heiligen Messe in der überlieferten Form zu verbieten.
Kardinal Burke stellt in seiner Erklärung vom 22. Juli zum Fest der heiligen Maria Magdalena die Frage, ob der Papst die Traditionelle Lateinische Messe "rechtlich aufheben" könne. Papst Franziskus lege der TLM Beschränkungen auf, "die letztlich deren Abschaffung signalisieren."
Mit dem Motu proprio, das wörtlich "Hüter der Tradition" heißt und am 16. Juli herausgegeben wurde, verfügte Papst Franziskus mit sofortiger Wirkung weitreichende und tiefgreifende Änderungen des Schreibens Summorum Pontificum seines Vorgängers Benedikt XVI. aus dem Jahr 2007. Dieses erkannte das Recht aller Priester an, die Messe unter Verwendung des Römischen Messbuchs von 1962 zu feiern.
Unklare Übersetzung, fragwürdige Annahmen
Burke argumentiert nun wie folgt: Es sei "die Fülle der Macht (plenitudo potestatis) des Römischen Papstes erforderlich, um die Lehre und die Disziplin der Kirche zu verteidigen und zu fördern". Aber diese Macht sei keine "absolute" Potestas dahingehend, dass ein Papst die Lehre der Kirche nach seinem Gutdünken ändern "oder eine liturgische Disziplin vernichten kann, die in der Kirche seit der Zeit von Papst Gregor dem Großen und sogar noch früher lebendig ist", so der Kardinal und Kirchenrechtler.
Kardinal Burkes Erklärung, dies auf seiner persönlichen Website veröffentlicht wurde, verteidigt nachdrücklich die Gültigkeit der TLM, die Papst Benedikt XVI. in Summorum Pontificum die "außerordentliche Form" des Römischen Ritus nennt und als Usus Antiquior würdigt.
Der Kardinal identifiziert in seinem langen Statement mehrere Übersetzungsprobleme. Zum Beispiel werde in Artikel 1 des Dokuments das wichtige italienische Adjektiv "unica" ins Englische als unique ("einzigartig") übersetzt, statt only ("nur"). In Artikel 4 wird das wichtige italienische Verb "devono" ins Englische als should ("sollte") übersetzt, statt must ("müssen").
Burke erklärt, dass es also "bedeutende Passagen in der englischen Version" des Schreibens von Papst Franziskus gibt, "die nicht mit der italienischen Version übereinstimmen" -- von der er annehme, dass sie die ursprüngliche Fassung sei.
Eine deutsche Übersetzung hat der Vatikan mittlerweile verföffentlicht. Dort wird unica als "einzig" übersetzt, aber devono ebenfalls als "sollte", nicht "muss".
Für Burke geht es jedoch auch um die Absicht hinter den Maßnahmen des Papstschreibens.
"Es ist aus der Strenge des Dokuments ersichtlich", schreibt der Kardinal, "dass Papst Franziskus mit Traditionis Custodes anspreche, was er für ein "schweres Übel" halte, das sogar "die Einheit der Kirche bedrohe", so Burke: Die heilige Messe in überlieferter Form.
Papst Franziskus beschreibe auch die Katholiken, die an der TLM teilnehmen, als problematisch: Wer sich zur "alten Messe" hingezogen fühle und diese feiert, der treffe - so Burke - für Franziskus eine "Entscheidung, welche die Kirche ablehnt, und ihre Institutionen. Wer die TLM besucht, halte sich für Teil der "wahren Kirche" nach Einschätzung des Papstes, und treffe damit eine Entscheidung die der Einheit der Kirche widerspricht und spalterisch wirkt.
Burke wirft damit indirekt die Frage nach dem Cui Bono auf: Wem gereicht eine solche Kategorisierung zum Guten? Und damit hängt zusammen, was der Kardinal in seiner Erklärung als Frage auf den Punkt bringt: "Woher kommt das harte und revolutionäre Handeln des Heiligen Vaters?"
Forderung nach Transparenz
"Das Motu Proprio und der Begleitbrief führen zwei Quellen an", so Burke weiter: Einmal "die Wünsche des Episkopats". Dabei berufe sich der Papst auf "'eine ausführliche Konsultation der Bischöfe", die in Form einer Befragung stattgefunden habe, welche die Kongregation für die Glaubenslehre im Jahr 2020 unternahm. Dann sei die zweite Quelle für die Überzeuung des Papstes "die Meinung der Glaubenskongregation", schreibt der Kardinal.
Tatsächlich schickte der Vatikan im Jahr 2020 schickte den Bischöfen der Welt einen Fragebogen darüber, wie Summorum Pontificum in ihren Diözesen angewendet wird
Papst Franziskus beruft sich auf Erkenntnisse aus diesem Fragebogen als einen Grund seiner Verbotsmaßnahmen.
Angesichts der Rolle und Konsequenzen dieser Umfrage sei es unerlässlich, dass der Vatikan auch diese Befragungsaktion veröffentlicht, auch mit Blick auf deren Wissenschaftlichkeit.
"Angesichts der Bedeutung, die der 'detaillierten Konsultation' oder dem 'Fragebogen' beigemessen wurde, und der Schwere der Angelegenheit, die sie behandelte", argumentiert Burke, "scheint es unerlässlich, dass die Ergebnisse der Konsultation öffentlich gemacht werden, zusammen mit dem Hinweis auf ihren wissenschaftlichen Charakter."
Kardinal Burke verweist auf seine eigene, langjährige Erfahrung mit zahllosen Katholiken, die die TLM feiern. Er habe bei diesen Gläubigen, die sich zur "wahren Kirche" bekennen würden, nie eine Haltung gefunden, die im Gegensatz zu Katholiken stehe, die an Novus Ordo-Messen teilnehmen.
"Im Gegenteil, sie lieben den Römischen Papst, ihre Bischöfe und Priester, und wenn andere die Entscheidung zum Schisma getroffen haben, wollten sie immer in voller Gemeinschaft mit der Kirche bleiben, treu zum Römischen Papst, oft um den Preis großen Leids", erklärt der Kardinal.
"Sie sind in keiner Weise einer schismatischen oder sedevakantistischen Ideologie zuzurechnen", fügte er hinzu.
In seiner Erklärung räumte der Kardinal ein: "Ja, es gibt Einzelpersonen und sogar einzelne Gruppierungen, die radikale Positionen vertreten, wie es auch in anderen Bereichen des kirchlichen Lebens der Fall ist. Aber sie sind in keiner Weise charakteristisch für die größere und immer größer werdende Zahl der Gläubigen, die Gott in der TLM anbeten wollen."
"Die Heilige Liturgie", erklärte er, "ist keine Frage der sogenannten 'Kirchenpolitik', sondern die vollste und vollkommenste Begegnung mit Christus für uns in dieser Welt."
Burke schreibt auch: "Die Gläubigen, unter denen sich zahlreiche junge Erwachsene und junge Ehepaare mit Kindern befinden, begegnen im Usus Antiquior Christus, der sie durch die Reform ihres Lebens und das Zusammenwirken mit der göttlichen Gnade, die aus seinem glorreichen durchbohrten Herzen in ihre Herzen fließt, immer näher zu sich zieht", sagte er.
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Laut Kardinal Burke ist es eine Frage der "Gerechtigkeit, wenn es zu Situationen kommt, wo eine Haltung oder Praxis vorliegt, die der gesunden Lehre und Disziplin der Kirche widerspricht". Solche Problemfälle müssten dann eben "von den Pfarrern der Kirche, dem Papst und den mit ihm in Gemeinschaft stehenden Bischöfen individuell gelöst werden. "Die Gerechtigkeit ist die minimale und unersetzliche Bedingung der Nächstenliebe", schreibt Burke wörtlich.
"Ein schismatischer Geist oder ein tatsächliches Schisma sind immer ein schweres Übel", betont der Kardinal. Aber nichts an der traditonellen latenischen Messe begünstige ein Schisma.
Lex Orandi, lex credendi, lex vivendi
Neben diesen sprachlichen und kirchenrechtlichen Bedenken gegen Traditionis Custodes enthält die Erklärung des Kardinals auch eine Klarstellung des allerersten Artikels des Papstschreibens.
Artikel 1 von Traditionis custodes besagt: "Die von den heiligen Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. in Übereinstimmung mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils promulgierten liturgischen Bücher sind die einzige Ausdrucksform der lex orandi des Römischen Ritus".
Dazu schreibt Burke: "Die richtige Interpretation von Artikel 1 kann nicht darin bestehen, zu leugnen, dass die TLM ein immerwährender Ausdruck der 'lex orandi des Römischen Ritus' ist".
"Unser Herr, der das wunderbare Geschenk des Usus Antiquior gegeben hat, wird nicht zulassen, dass er aus dem Leben der Kirche getilgt wird", fügte er hinzu.
"Die Härte dieser Dokumente sorgt natürlich für eine tiefe Verzweiflung und sogar ein Gefühl der Verwirrung und Verlassenheit. Ich bete, dass die Gläubigen nicht der Entmutigung nachgeben, sondern mit Hilfe der göttlichen Gnade in ihrer Liebe zur Kirche und zu ihren Pfarrern und in ihrer Liebe zur Heiligen Liturgie beharren", betont Burke.
Der Kardinal schliesst seine Erklärung mit der Bitte an die Katholiken, für Papst Franziskus zu beten.
"Ich fordere die Gläubigen auf, inbrünstig für Papst Franziskus, die Bischöfe und Priester zu beten", schreibt er. "Gleichzeitig, in Übereinstimmung mit Can. 212, §3, 'haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun'".
Übersetzt, ergänzt mit deutschen Auszügen und redigiert aus dem englischen Original am 23.7.2021 um 9:50 Uhr.
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