Papst Franziskus und Patriarch Kyrill: Wer könnte ihr 2. Treffen ausrichten?

Papst Franziskus trifft sich mit Patriarch Kirill in Havanna, Kuba, am 12. Februar 2016.
Osservatore Romano (LOR)

Das lang erwartete zweite Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche wird vorerst nicht stattfinden. Das gab der Papst selbst in einem am 22. April veröffentlichten Interview mit der argentinischen Zeitung La Nacion bekannt.

Auf die nächste Begegnung zwischen dem Papst und dem Patriarchen Kyrill von Moskau und ganz Russland werden wir also noch länger warten müssen. So bleibt mehr Zeit, um zu überlegen, wo sich die beiden Kirchenoberhäupter schließlich treffen könnten.

Ein Ort, über den hinter den Kulissen gesprochen wird, ist Bratislava (Pressburg), die Hauptstadt des mitteleuropäischen Landes Slowakei, das der Papst im vergangenen September besucht hat, wie CNA Deutsch ausführlich berichtete.

Papst Franziskus sagte Reportern bei seiner Rückkehr seiner Stippvisite in Malta Anfang des Monats, dass der Nahe Osten als möglicher Ort für das Treffen in Betracht gezogen werde, und befeuerte damit Gerüchte, die seit Anfang 2022 kursierten.

Als der libanesische Präsident Michel Aoun ankündigte, dass Papst Franziskus am 12. und 13. Juni den Libanon besuchen würde, schlossen einige daraus, dass das Treffen mit dem Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche stattfinden würde. Die Organisatoren hatten jedoch von Anfang an geplant, das Treffen in Jerusalem abzuhalten, vielleicht gleich nach der Libanonreise.

Jerusalem wurde aus verschiedenen Gründen als idealer Ort angesehen. Zum einen betrachtet das Moskauer Patriarchat Jerusalem nicht als einen Ort, an dem die Orthodoxen diskriminiert werden. Es ist vor allem ein neutrales Gebiet außerhalb Europas, wo es nach wie vor katholisch-orthodoxe Spannungen gibt.

Und natürlich ist Jerusalem und das Heilige Land weit mehr – was natürlich auch ein Nachteil sein kann.

Das historische erste Treffen zwischen Papst Franziskus und Kyrill fand dagegen auf dem in jeder Hinsicht prosaischen Flughafen von Havanna in Kuba statt, einem Land weit außerhalb Europas, in dem sich die Orthodoxen nicht als Verfolgte betrachten.

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Es gab noch eine andere Idee: in Jerusalem an die bahnbrechenden Umarmungen von Athenagoras I. und Paul VI. im Jahr 1967 und von Bartholomäus I. und Papst Franziskus im Jahr 2014 anzuknüpfen. Dieser Akt hätte deutlich gemacht, dass sowohl das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel als auch das Patriarchat von Moskau enge Freundschaften mit Rom pflegen.

Für Moskau wäre es eine höchst symbolische Geste gewesen, wenn man das Klima der Feindseligkeit bedenkt, das in Konstantinopel herrscht, seit es die orthodoxe Kirche der Ukraine anerkannt hat, eine autokephale Kirche, die nicht mehr vom Moskauer Patriarchat abhängig ist, wie es die ukrainische orthodoxe Kirche seit dem 17.

Doch paradoxerweise veranlassten die Faktoren, die ein Treffen in Jerusalem zu einer attraktiven Option machten, den Papst dazu, die Begegnung abzusagen - zumindest vorläufig.

Der Heilige Stuhl wollte nicht, dass das mögliche Treffen inmitten des russisch-ukrainischen Krieges ausgenutzt wird, und er wollte nicht in innerorthodoxe Debatten hineingezogen werden.

Auch wenn das Treffen verschoben wurde, könnte es schließlich in Kasachstan stattfinden - ein weiterer Ort, der schon seit einiger Zeit im Gespräch ist?

Die kasachische Regierung hat angekündigt, dass Papst Franziskus das Land am 14. und 15. September besuchen wird, um am Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen teilzunehmen. Einem bereits vor der Pandemie festgelegten Projekt zufolge wurde auch Patriarch Kyrill zu diesem Treffen eingeladen.

Doch die Möglichkeit eines Treffens in Kasachstan hatte auch einen Nachteil: die Verbindung des zentralasiatischen Landes mit seinem Nachbarn Russland. Kasachstan ist das kanonische Gebiet des Moskauer Patriarchats.

Als weiterer möglicher Ort wurde Ungarn genannt. Diese Hypothese beruhte auf dem von Papst Franziskus geäußerten Wunsch, in das Land zurückzukehren, das er im vergangenen September für einen einzigen Tag besucht hatte.

Als Veranstaltungsort wurde die Erzabtei Pannonhalma vorgeschlagen, eines der ältesten historischen Monumente Ungarns. Sie wurde 1996 als möglicher Ort für ein Treffen zwischen Papst Johannes Paul II. und dem damaligen Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche Alexij II. in Betracht gezogen. Die Begegnung hat natürlich nicht stattgefunden.

Die Reise von Papst Franziskus sollte mit einem Besuch des Patriarchen Kyrill in Ungarn zusammenfallen, um die Restaurierung der orthodoxen Kathedrale in Budapest oder die Einweihung der neuen russisch-orthodoxen Kirche in Hévíz, Westungarn, zu feiern.

Aber diese Hypothese verschwand und wurde durch die Idee eines Treffens in der Slowakei ersetzt, einem Land, das der Papst während seiner Reise im September als "Botschaft des Friedens im Herzen Europas" bezeichnet hatte.

Der Vorschlag für ein Treffen zwischen Franziskus und Kyrill in der Hauptstadt Bratislava wurde von Ján Figeľ, dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Religionsfreiheit von 2016 bis 2019, unterbreitet.

Warum Bratislava? Zum einen, weil es die Hauptstadt eines Landes ist, das an die Ukraine grenzt und Flüchtlinge aus dem vom Krieg zerrissenen osteuropäischen Land aufnimmt. Und auch, weil es eine Nation im Zentrum Europas ist, des Kontinents, der die sowjetische Unterdrückung erlebt hat und weiß, wie wichtig Versöhnung ist.

"Die Völker und die Kirche", so Ján Figeľ gegenüber CNA, "müssen wichtige Botschaften und Verpflichtungen des liebenden Glaubens und der Wahrheit, des Mutes, des Friedens, der Versöhnung und der Brüderlichkeit teilen, jetzt vor allem in und für Europa."

Er fügte hinzu: "Im Bewusstsein der historischen geistlichen und politischen Spaltungen in Europa und angesichts der Realität der blutigen Konflikte im Osten Europas müssen wir dringend unsere Bemühungen um wahre christliche Brüderlichkeit und Einheit auf diesem Kontinent bündeln, wo das Christentum seinen Kulturen und Identitäten Wurzeln und Orientierung gegeben hat."

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Die Slowakei ist für manche Beobachter eine Brücke zwischen Ost und West. In den ersten Zeilen ihrer Verfassung wird auf das "geistige Vermächtnis von Kyrill und Methodius" verwiesen, den "Aposteln der Slawen", die sowohl von Katholiken als auch von orthodoxen Christen verehrt werden.

Johannes Paul II. sprach von einem Europa, das mit zwei Lungenflügeln - dem östlichen und dem westlichen - atmen müsse, und für Figeľ ist "diese große Vision immer noch möglich und erreichbar."

"Aber der Krieg muss beendet werden", sagte er, "und seine Folgen dürfen keine imperiale Expansion Russlands, keinen religiösen oder mentalen Triumphalismus darstellen, sondern eine tatsächliche Bekehrung der osteuropäischen Nationen zur Wahrheit, zur Achtung der Würde aller, zur echten Versöhnung und zur gemeinsamen Verantwortung."

Daher ist Bratislava ein starker Kandidat für ein Treffen zwischen dem Papst und dem Moskauer Patriarchen, das erste seiner Art in Europa.

Figeľ fügte hinzu, dass das mögliche Treffen auch "andere Gruppen guten Willens, organisierte Laienchristen", glaubensbasierte Organisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenbringen könnte.

"Zum Beispiel könnten das ICLN [International Catholic Legislators Network] und die IAO [Interparliamentary Assembly on Orthodoxy] ihre regelmäßigen halbjährlichen gemeinsamen Treffen in der Mitte Europas beginnen", schlug er vor.

Auf diese Weise, so Figeľ, könne das Treffen "den fehlenden Nachkriegsprozess der Versöhnung und Integration in Osteuropa inspirieren und ermutigen, wie wir es in Westeuropa erlebt haben, angefangen mit Frankreich und Deutschland unter Robert Schumans Plan".

"Wichtig ist auch, dass der Name der Stadt [Bratislava] in außergewöhnlicher Weise mit den wiederholten Aufrufen des Heiligen Vaters zur Brüderlichkeit der Menschen übereinstimmt. In der Tat bedeuten 'brati' und 'slava' in der slowakischen Sprache 'Ruhm den Brüdern', 'Ruhm der Brüderlichkeit', denn 'brat' bedeutet Bruder und 'slava' ist Ruhm. Diese Bedeutung ist in anderen slawischen Sprachen dieselbe. So können der Papst und der Patriarch ihre Brüderlichkeit in Bratislava, im Zentrum der beiden christlichen und europäischen Lungenflügel, zum Ausdruck bringen, bekräftigen und sichtbar machen."

Figeľ stellte fest, dass der Heilige Stuhl, angeführt von Papst Pius XII, ein "sehr aktiver Unterstützer" des Versöhnungsprozesses in Westeuropa gewesen sei.

"Viele Menschen hoffen, dass dieser Krieg bald beendet wird", sagte er. "Nach der Übergangsjustiz und der Bestrafung der Verbrechen muss ein aktualisierter Marshallplan für den Wiederaufbau der Ukraine folgen und ein Angebot für eine neue, auf Werten und Regeln basierende supranationale Zusammenarbeit, die auf Frieden, Gerechtigkeit und das Gemeinwohl ausgerichtet ist, mit der Vision der Integration der östlichen Länder in eine Gemeinschaft, die Europa als Ganzes und in Freiheit repräsentiert, in einem gemeinsamen europäischen Haus."

Dieser Vorschlag liegt nun Papst Franziskus und Patriarch Kyrill sowie ihren jeweiligen Beratern, dem vatikanischen Staatssekretär Kardinal Pietro Parolin und Metropolit Hilarion in Moskau, vor. Natürlich ist im Moment Vorsicht geboten, und jedes Treffen muss sorgfältig abgewogen werden. Aber es muss auch jede Möglichkeit ausgelotet werden.

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Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.