17. November 2024
Am heutigen Sonntagvormittag ist der Märtyrerpriester Max Josef Metzger, der 1944 durch die nationalsozialistische Diktatur hingerichtet wurde, seliggesprochen worden. Kardinal Kurt Koch, der Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, war zu diesem Anlass nach Freiburg gereist und hielt die Festpredigt. CNA Deutsch dokumentiert die Predigt im Wortlaut.
Wir haben uns im Freiburger Münster zur Feier der Seligsprechung von Max Josef Metzger versammelt und ehren jenen Märtyrerpriester, der am 3. Februar 1887 im badischen Schopfheim im Schwarzwald geboren worden ist, als Diözesanpriester des Erzbistums Freiburg in vielfältiger Weise gewirkt hat, am 17. April 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch das Fallbeil hingerichtet worden ist und seine letzte Ruhestätte in Meitingen bei Augsburg gefunden hat, wo er bereits im Jahre 1928 die Zentrale der Christkönigsgesellschaft errichtet hatte. Auf seinem Grabstein stehen jene Worte, die wohl am besten zum Ausdruck bringen, worin seine geistigen und geistlichen Ideale bestanden haben, denen er sich während seines ganzen Lebens verpflichtet gewusst hat und die gleichsam sein Testament darstellen: „Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und für die Einheit der Kirche.“
Dienst am Frieden und an der Einheit
Wir feiern seine Seligsprechung am zweitletzten Sonntag im Kirchenjahr, an dem die biblischen Verkündigungstexte einen weitgehend apokalyptischen Charakter aufweisen, indem sie eine Zeit der Not ansprechen, vom Ende der Welt reden und stattfindende Umwälzungen bis in den Kosmos hinein erwähnen. Solche biblischen Texte scheinen uns manchmal einer anderen, uns fremden Welt zu entstammen. Wenn wir jedoch in die heutige Welt mit den schrecklichen Kriegen im Nahen Osten, in der Ukraine und an vielen anderen Orten hineinschauen, dürften uns solche düsteren Ausblicke nicht mehr als weltfremd, sondern als sehr realistisch und aktuell erscheinen. Daran werden wir auch am heutigen Volkstrauertag erinnert, an dem wir der Opfer von Gewalt und Krieg aller Nationen gedenken.
Die traurigen Erinnerungen bilden auch den dunklen Hintergrund des Lebens und Wirkens von Max Josef Metzger, in den hinein er seine prophetische Botschaft verkündet hat. Bereits drei Jahre nach seiner Priesterweihe wurde er im Jahre 1914 als Divisionspfarrer an die französische Front geschickt. Da er nach einem Jahr erkrankt war, kehrte er wieder in seine Heimat zurück. Doch die Erfahrungen dieser kurzen Zeit haben gereicht, um den jungen Priester zu einem leidenschaftlichen Apostel für Völkerverständigung und für den Völkerfrieden heranreifen zu lassen. So hat er bereits im Jahre 1917 ein „internationales religiöses Friedensprogramm“ entwickelt, das er auch dem damaligen Papst Benedikt XV. zustellen ließ.
Papst Benedikt hat sich dazu nicht nur zustimmend geäußert, sondern seine eigenen engagierten Bemühungen um eine Friedensvermittlung haben gewiss auch den christlichen Zweig der Friedensbewegung maßgeblich gefördert. Mit aller Schärfe hat Papst Benedikt XV. den Krieg verurteilt; er hat den Ersten Weltkrieg, der mehr als 17 Millionen Menschenleben gekostet hat, als „unnützes Blutvergießen“ bezeichnet und ihn als „Selbstmord des zivilisierten Europa“ verdammt; und in seiner Enzyklika über den Frieden im Jahre 1920 hat er betont, dass ein echter Friede allein auf der Grundlage der Versöhnung zwischen den einstmals verfeindeten Nationen möglich ist. Die besondere Tragik hat Papst Benedikt dabei darin gesehen, dass sich im Ersten Weltkrieg alte katholische Nationen gegenübergestanden und einander an allen Fronten bekämpft haben.
Auf dem Hintergrund der entschiedenen Verurteilung des Krieges und der umfassenden Friedensbemühungen von Benedikt XV. treten auch die beiden Hauptanliegen von Max Josef Metzger ins Licht. Der Friede zwischen den Völkern und Nationen ist zu seiner großen Leidenschaft geworden, weshalb er den „Weltfriedensbund vom Weißen Kreuz“ und im Jahre 1919 den „Friedensbund deutscher Katholiken“ gegründet hat. Da er später sensibel wahrgenommen hat, dass angesichts des heraufziehenden und dann beginnenden Zweiten Weltkrieges die ökumenische Arbeit zwischen den großen Kirchen in Deutschland gefördert werden muss, ist Max Metzger seit 1938 auch zum Promotor der ökumenischen Una-Sancta-Gemeinschaften geworden. Denn er ist überzeugt gewesen, dass die Kirche nur dann glaubwürdig für den Frieden in der Welt eintreten kann, wenn die Christen und christlichen Kirchen sich untereinander versöhnen. In dem vom Nationalismus tödlich erkrankten und zerstörten Europa hat die Ökumenische Bewegung denn auch als christliche Friedensbewegung begonnen.
Friede und Einheit der Kirche sind so gleichsam die Zwillingsanliegen, denen Max Josef Metzger sein ganzes Leben gewidmet und das er uns als Verpflichtung hinterlassen hat. Wie sehr beide Anliegen untrennbar zusammengehören, geht aus dem ausführlichen Brief über mögliche Schritte zur Wiedervereinigung der Christenheit hervor, den Max Josef Metzger am 2. März 1939 aus dem Gefängnis an Papst Pius XII. geschrieben und darin betont hat: „Die Not der Zeit – und durch sie spricht Gott zu uns – verlangt gebieterisch die letzten Anstrengungen, um die Zerrissenheit der christlichen Kirche zu überwinden, um das Friedensreich Christi wirksam zu machen in der ganzen Welt. Die Not der Zeit ist wohl gerade darum über uns gekommen und wird uns noch mehr demütigen, dass wir allesamt endlich zu einer großen Metanoia gelangen, einer Umkehr von den Wegen der Selbstgerechtigkeit, der Verblendung und des Stolzes, einer vollen Hinkehr zu Christus, dem Friedensfürsten, dem König der Liebe.“
Teilhabe am Kreuz des Friedenskönigs
Von daher kommt auch ans Licht, dass zum bedeutenden Erbe von Max Josef Metzger auch seine tiefe theologische Spiritualität gehört, bei der er sich ganz vom Königtum Jesu Christi hat leiten lassen. Nachdem Papst Pius XI. im Jahre 1925 das Christkönigsfest eingeführt hat, hat Max Metzger die von ihm in Graz 1919 unter dem Leitwort „Christus muss König sein“ gegründete „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“ im Jahre 1928 nach Meitingen bei Augsburg verlegt und ihr den Namen „Sociatas Christi Regis“ – Christkönigsgesellschaft – gegeben.
Max Josef Metzger ist überzeugt gewesen, dass die Kirche zwar nicht das „Reich Gottes“ ist, dass aber in ihr und durch sie in der Weltzeit das Reich Gottes, nämlich die Königsherrschaft Jesu Christi Wirklichkeit werden soll. Über die Christkönigsspiritualität hat Max Josef Metzger vor allem in seiner „Theologischen Abhandlung über die geistigen Grundlagen der Societas Christi Regis“ Rechenschaft abgelegt und dabei auch seine Vision von der ökumenischen Sendung der Katholischen Kirche entfaltet. Diese theologische Abhandlung darf als sein geistliches Erbe auch deshalb betrachtet werden, weil er sie in der Todeszelle mit gefesselten Händen geschrieben hat und sie drei Wochen vor seiner Hinrichtung dem Gefängnisseelsorger Peter Buchholz übergeben konnte.
Es ist von daher ein schönes Zusammentreffen, dass wir die Seligsprechung von Max Josef Metzger eine Woche vor dem Christkönigssonntag feiern dürfen. Denn bei diesem Fest steht jenes Glaubensgeheimnis im Mittelpunkt, das uns die Lesung aus dem Hebräerbrief vor Augen führt, dass Jesus Christus sein Leben hingegeben hat als „Opfer für die Sünden“ (Hebr 10,12). Das Christkönigsfest enthält deshalb die anspruchsvolle und zugleich trostvolle Botschaft, dass der Friedenskönig Christus keinen anderen Thron kennt als das Kreuz.
An diesem Kreuz hat auch Max Josef Metzger intensiv Anteil bekommen. Da sein Bemühen um Frieden und Einheit von den nationalsozialistischen Diktatoren als Verrat an ihrer Ideologie betrachtet worden ist, ist er bereits in den Jahren 1934 und 1939 in Augsburg zweimal verhaftet worden; anschließend ist er im Juni 1943 in Berlin in Schutzhaft genommen worden, wo er am 14. Oktober vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 17. April im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet worden ist. Gemäß dem Bericht des ehemaligen Gefängnispfarrers Peter Buchholz soll der Henker bekannt haben, er habe „noch nie einen Menschen mit so frohleuchtenden Augen in den Tod gehen sehen wie diesen katholischen Geistlichen“. Aus diesem Zeugnis darf man schließen, dass Max Josef Metzger um das bevorstehende Martyrium wohl gewusst und darüber sogar froh geworden ist.
Märtyrer der Liebe
Sein Tod ist deshalb ein sprechendes Zeugnis dafür, was im christlichen Glaubensverständnis einen Märtyrer ausmacht. Wie Jesus Christus sein Leben am Kreuz aus Liebe für uns Menschen hingegeben hat, so zeichnet sich auch der christliche Märtyrer dadurch aus, dass er seinen Tod als Konsequenz seiner Treue zum Glauben und deshalb in Liebe zu Jesus Christus und zu den Menschen auf sich nimmt. In der Liebe besteht geradezu das entscheidende Erkennungszeichen des christlichen Märtyrers. Da er den Sieg der Liebe über Hass und Tod in die Tat umsetzt, erweist sich das christliche Martyrium als höchster Akt der Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern, wie uns das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Das Martyrium, das den Jünger dem Meister in der freien Annahme des Todes für das Heil der Welt ähnlich macht und im Vergießen des Blutes gleichgestaltet, wertet die Kirche als hervorragendes Geschenk und als höchsten Erweis der Liebe.“
Diese Wahrheit hat sich im Laufe der Kirchengeschichte tausendfach bestätigt und sie zeigt sich auch in der heutigen Welt. In ihr gibt es sogar mehr Märtyrer als während der grausamen Christenverfolgungen in den ersten Jahrhunderten. Der christliche Glaube ist in der heutigen Welt die am meisten verfolgte Religion. Dabei haben heute alle christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ihre Märtyrer, und das christliche Martyrium ist ökumenisch. Das Blut, das Christen in verschiedenen Kirchen für Christus vergießen, trennt uns nicht, sondern eint uns. Wir dürfen deshalb in der Hoffnung leben, dass das Blut von so vielen Märtyrern heute Same für die künftige Einheit des von so vielen Spaltungen verwundeten Leibes Christi sein wird.
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In der großen Gemeinschaft der Märtyrer wissen wir nun auch den Freiburger Diözesanpriester Max Josef Metzger aufgehoben. Nehmen wir seine heutige Seligsprechung zum Anlass, ihm und allen Märtyrern in Geschichte und Gegenwart für ihre Treue im Glauben und für ihre Liebe zu Jesus Christus aufrichtig zu danken. Und schließen wir alle Christen und Christinnen, die in der heutigen Welt wegen ihres Glaubens verfolgt, misshandelt und getötet werden, in unser Gebet.
Die heutige Seligsprechung ist eine hohe Ehre für das Erzbistum Freiburg, aus dem der Priester Max Metzger hervorgegangen ist. Zugleich ist damit aber auch der Anspruch an uns verbunden, dass wir in der Nachfolge Jesu Christi in der heutigen Welt zum Zeugnis für Frieden und Einheit gerufen sind. Denn das Wort „Märtyrer“ leitet sich vom Griechischen „martys“ ab, was Zeuge bedeutet. In diesem Sinn ist jeder Christ gemeint, der im Leben und mit seinem Wort vom Glauben an Jesus Christus Zeugnis gibt. Auch wir leben heute – wie Max Josef Metzger – in einer arg zerrissenen Welt und sind – wie er – zu Christuszeugen berufen, und zwar auch im Widerspruch zu den in der heutigen Gesellschaft grassierenden Ideologien.
Bitten wir am heutigen Tag den seligen Max Josef Metzger in der himmlischen Welt der Märtyrer um Fürsprache, dass sie uns vom Himmel her begleiten und uns beistehen, damit auch unsere Glaubenstreue stark bleibt und wir stets den Mut haben, unseren Glauben mit dem Leben zu bezeugen. Denn auch uns ist die Verheißung zugesprochen, die wir in der zweiten Lesung aus dem Hebräerbrief vernommen haben: Jesus Christus hat durch ein einziges Opfer „die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt“ (Hebr 10,14). Amen.
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