Im Gespräch mit CNA Deutsch äußerte sich Pater Marco Piranty ISPN über sein neues Amt als Propst des traditionsverbundenen Instituts St. Philipp Neri in Berlin, seinen persönlichen Berufungsweg, die Bedeutung der traditionellen Liturgie und seine Vision für die Zukunft des Instituts.

Wie haben Sie Ihren Weg in den priesterlichen Dienst und Ihre Berufung erlebt, und wie hat dieser Weg Sie zum Institut St. Philipp Neri geführt?

Manches wurde mir in die Wiege gelegt: Ich bin in einem katholischen 700-Seelen-Dorf in Niederbayern aufgewachsen und wohnte direkt neben der Pfarrkirche. Ich war Ministrant; die Heilige Messe, Kreuzweg, Maiandachten und Flurprozessionen gehörten für mich ganz selbstverständlich dazu.

Weichenstellend war aber ein anderes Ereignis: Als ich etwa fünf Jahre alt war, musste mein Vater mit einer schweren Herzmuskelentzündung in eine Spezialklinik – im Krankenbett neben ihm lag ein katholischer Priester. Dieser Priester wurde dann ein enger Freund der Familie, mein Religionslehrer am Gymnasium (und später mein Primizprediger) und besuchte uns oft. An ihm konnte ich aus unmittelbarer Nähe mitbekommen, wie vielseitig und spannend die Tätigkeit eines Priesters ist. Das war für mich sehr prägend, und etwa ab der 9. oder 10. Klasse war für mich klar, dass ich diesen Weg zumindest einmal ausprobieren muss.

Als Seminarist habe ich dann im Jahr 2000 in Le Barroux, einem Benediktinerkloster in Südfrankreich, die traditionelle Messe kennengelernt und war völlig fasziniert. Und auch wenn ich damals noch keine Möglichkeit sah, diese wunderbare Liturgie in mein späteres Leben als Priester zu integrieren, hat sie mich doch nicht mehr losgelassen.

Ich wurde dann 2010 von Kardinal Marx für das Erzbistum München und Freising zum Priester geweiht, hatte aber immer noch den Wunsch nach einer Gemeinschaft. Mitte 2013 – meine erste Kaplansstelle neigte sich dem Ende zu – fasste ich mir dann ein Herz und schrieb an den Propst des Instituts. Ein erster Besuch folgte, und es war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Ich betete dann nach meiner Heimkehr die Novene zur „Mutter von der Immerwährenden Hilfe“, gleich zweimal hintereinander. Und praktisch jeden Tag bekam ich ein kleines Zeichen des Himmels, das mir klar machte, dass ich es wagen soll. Wenige Wochen später, im September 2013, trat ich – zum Bedauern meines Erzbischofs – in das Institut St. Philipp Neri ein, und ich habe meine Entscheidung nicht einen einzigen Tag bereut.

Das Institut steht für die Verwurzelung in traditioneller Liturgie und Theologie. Wie möchten Sie diese Tradition fortsetzen?

Wir müssen das Rad Gott sei Dank nicht neu erfinden. Der klassische römische Ritus hat eine unerschöpfliche Kraft in sich, die, entgegen dem gängigen Klischee, gerade auch junge Menschen in ihren Bann zieht. Wir hatten diese Ostern neun Erwachsenentaufen und Konversionen. Der jüngste Täufling war 14, der älteste Anfang dreißig. Was die Theologie betrifft, greifen wir auf den Schatz der großen Kirchenlehrer, vor allem der Kirchenväter, zurück und versuchen ihn auf das Leben der Menschen heute anzuwenden. Insofern setze ich hier ganz auf die Kontinuität des Bewährten.

Welche Aspekte des Wirkens Ihres Vorgängers, Altpropst Gerald Goesche, möchten Sie besonders hervorheben und weiterentwickeln?

Eine Idee, die meinen Vorgänger stets angetrieben hat, ist der Begriff der „Fülle“. Jesus speist uns nicht mit ein paar Brotkrumen ab, sondern Er schenkt sich uns in überströmender Güte. Diese Fülle muss sich im katholischen Leben widerspiegeln. Es reicht uns nicht, einfach nur die Messe nach dem alten Messbuch zu feiern. Zum Kult gehört die ganze Palette der Kultur: Deswegen legen wir bei uns so großen Wert auf den gregorianischen Choral, auf eine schöne Kirchenmusik, auf die fortschreitende Ausmalung von St. Afra, auf prächtige Paramente, auf einen manchmal fast überbordenden Blumenschmuck, um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Ich sage gelegentlich zu unserem Frater, der die Blumen macht: „Durch diesen liebevollen Blumenschmuck am Marienaltar verstehen die Gläubigen mehr davon, was es heißt, Maria zu lieben, als wenn ich fünf Predigten darüber halte.“ Auch dass die „Gastfreundschaft“ Gottes in der Gastfreundschaft des Instituts und einer entsprechenden Tischkultur ihren Widerhall findet, ist vom Kult nicht zu trennen.

Was bedeutet die traditionelle Liturgie für Sie persönlich, und wie möchten Sie ihre Schönheit und Tiefe noch mehr Menschen zugänglich machen?

Die alte Messe ist eine echte Labsal für die Seele des Priesters – vielleicht noch mehr als für die Gläubigen. Jede Handlung, und sei sie auf den ersten Blick noch so funktional, wird geistlich gedeutet und dadurch zu einer heiligen Handlung. Das beginnt schon mit dem Ankleiden, bei dem es für jedes liturgische Kleidungsstück ein eigenes Gebet gibt. Der Gästepater seinerzeit in Le Barroux sagte fast poetisch: „Man muss bei der Heiligen Messe spüren, wie sich die Schleusen des Himmels öffnen.“ Das trifft ziemlich genau, was die überlieferte Liturgie für mich bedeutet.

Das hat natürlich auch eine Kehrseite: Wenn ein auswärtiger Priester bei uns den klassischen römischen Ritus lernen will, spreche ich vorher ganz bewusst eine Warnung aus: „Wir können Ihnen das gerne beibringen, aber ich prophezeie Ihnen: Sie werden danach an der neuen Messe nur noch halb so viel Freude haben.“

Um die Ausbreitung der überlieferten Messe mache ich mir keine Gedanken, dafür sorgen momentan die Kirchenoberen selbst. Je mehr diese Messe in ihrer Wirkung eingeschränkt und behindert wird, umso interessanter wird sie gerade für junge Leute. Ich denke da oft an den Kabarettisten Volker Pispers, der einmal gesagt hat: „Wer heute das Zähneputzen verbietet, bekommt morgen eine Zahnpasta-Szene hinterm Hauptbahnhof.“

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Seelsorger und geistlicher Begleiter in einer Zeit, in der viele Menschen Orientierung suchen?

So sehr ich mir der Realität der Erbsünde bewusst bin, so sehr glaube ich daran, dass jeder Mensch in seinem Kern von Gott gut erschaffen ist. Als der Schöpfer den Menschen ins Dasein gerufen hat, hält das Buch Genesis fest: „Gott sah, dass es gut war.“ Ich glaube, dass jeder Mensch, wenn die Bedingungen günstig sind, ganz natürlich dazu tendiert, diesen guten Kern in sich zur Entfaltung zu bringen. Dabei möchte ich Menschen begleiten, nicht zuletzt durch das Sakrament der Versöhnung.

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Eines der bekannten Zitate von Papst Benedikt XVI. lautet: „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt.“ Deswegen versuche ich nicht, dem anderen meinen persönlichen Weg als Vorbild hinzustellen oder gar überzustülpen, sondern ihm zu helfen, seinen eigenen Weg zu Jesus Christus zu finden. Dabei reicht es oft aus, dem zu Begleitenden zur rechten Zeit die richtigen Fragen zu stellen. Die Antworten hat Jesus bereits in ihn hineingelegt.

Wie möchten Sie als neuer Propst dazu beitragen, dass das Institut St. Philipp Neri ein Ort der Einheit und des geistlichen Wachstums bleibt?

Zunächst möchte ich festhalten, dass Einheit als solche kein moralischer Wert ist. Auch die Mitglieder einer terroristischen Vereinigung können unter sich ein Herz und eine Seele sein – das macht ihr Tun aber nicht moralisch wertvoll. Echte Einheit gibt es nur im Wahren, Guten und Schönen. Und nur diese drei ermöglichen auch geistliches Wachstum.

Die Gründung des Instituts war ein „Ja“ zu diesem wunderbaren katholischen Erbe, von dem wir uns auch weiterhin leiten lassen. Wir geißeln nicht den Zeitgeist, wir beklagen nicht den Verfall der Sitten, wir sagen auch nicht, was „die anderen“ falsch machen. Wir verkündigen, glauben und feiern einfach das, was die Kirche immer verkündigt, geglaubt und gefeiert hat. Und solange wir das tun, bleiben wir in der Einheit – auch wenn Teile der Kirche sich davon verabschieden mögen.

Noch eines zum Stichwort Wachstum: Ich erlebe jedes Jahr bei unseren Tauf- und Konversionskandidaten, dass die klassische römische Liturgie eine hervorragende Glaubens- und Charakterschule ist. Allein diese Liturgie, die ja alle Sinne anspricht, jeden Sonntag mitzufeiern, lässt die Menschen langsam, aber sicher im Glauben – aber auch menschlich – wachsen und reifen, auch wenn sie das selber oft erst mit einigem Abstand in der Rückschau wahrnehmen.

Gibt es ein geistliches Vorbild oder einen Leitspruch, der Sie in Ihrer neuen Aufgabe begleitet?

Natürlich ist der heilige Philipp Neri mit seiner lebensbejahenden Heiterkeit, mit seiner Menschenfreundlichkeit und seiner Demut unser und auch mein wichtigster Patron. Ich glaube, das spüren Gläubige und Besucher auch an der besonderen Atmosphäre, die in St. Afra herrscht.

Im Jahr 2010 habe ich mir den Primizspruch „Wie im Himmel, so auf Erden“ ausgesucht. Dem möchte ich auch in meiner Zeit als Propst treu bleiben. Die Liturgie holt ein Stück Himmel auf die Erde herunter, sie lässt uns teilhaben an der himmlischen Liturgie und weckt im besten Fall immer wieder neu in uns die Sehnsucht nach dem Himmel.

Der Himmel wiederum ist der Ort, an dem Gottes Wille in vollendeter Weise geschieht. Somit können wir, auch in unserem irdischen Leben, am Himmel Maß nehmen und Gott bitten, dass Er uns durch Seine Gnade dabei hilft, Ihn jeden Tag mehr mit ehrlichem Herzen zu bitten: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“

Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.