2. Januar 2025
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden zweiten Sonntag nach Weihnachten.
Am kommenden zweiten Sonntag nach Weihnachten lässt uns die Liturgie über die Tiefe des Geheimnisses nachdenken, das wir feiern. Wir kennen bereits die Geschehnisse: die Ankündigung des Engels an Maria, die Geburt des Jesuskindes, die Anbetung der Hirten. Jetzt sind wir eingeladen zu verstehen, wer dieses Kind ist, das geboren wurde, und warum es geboren wurde.
Das Geheimnis ist in einem Vers des Evangeliums zusammengefasst, den wir am Sonntag hören: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“
Was nur ist dieses „Wort“, über das gesprochen wird? Es ist die Weisheit Gottes, die in der ersten Lesung über sich selbst spricht. Das Wort ist der „Anfang“ aller Dinge, die erste Ursache, aus der alles kommt, das „Licht“, das die Welt schön und geordnet macht.
Die Menschen haben seit jeher verstanden, dass diese schöne und geordnete Welt sich nicht allein gemacht haben kann. Die Welt verweist auf einen Gedanken, der sie zu dem macht, was sie ist. Moses und die Propheten lehrten klar, dass alles, was existiert, durch die Weisheit Gottes geschaffen wurde. Die Menschen konnten in gewisser Weise mit der Weisheit Gottes in Kontakt treten durch die Worte des Gesetzes, durch die Sprüche der Propheten, durch die Betrachtungen der Weisen. Mehr noch: In der Wüste hatten die Israeliten das Offenbarungszelt, das später zum Tempel in Jerusalem wurde. Dort konnten sie auf geheimnisvolle Weise durch den Gottesdienst mit Gott in Verbindung treten.
Aber nun ändern sich die Dinge radikal: Das Wort Gottes, sein Gesetz, seine Weisheit, Gott selbst ist gekommen, um unter uns zu wohnen oder – wie der Text des Johannes es wörtlich sagt – er hat „sein Zelt unter uns aufgeschlagen“. Der Mensch Jesus ist das „Zelten“ Gottes in unserer Welt. „Das ‚Fleisch‘ Jesu, seine menschliche Existenz ist das ‚Zelt‘ des Wortes“ (Benedikt XVI). Jesus ist das Wort Gottes, er ist das Gesetz, er ist die fleischgewordene Weisheit. Wir begegnen Gott in dem Maß, in dem wir Jesus begegnen.
Wie viele merkwürdige Ideen machen wir uns über Gott! In wie viele Widersprüche geraten wir, wenn wir mit unserem Verstand verstehen wollen, wer Gott ist! Es gibt Menschen, die im Namen Gottes andere töten, die sich selbst töten, die Demokratie predigen, die Frieden predigen, die Gewalt predigen, die Krieg predigen. Aber wenn wir Gott wirklich kennen wollen, dann gibt es keinen anderen Weg, als Jesus zu kennen: auf ihn schauen, darauf, wie er gelebt hat; hören, was er gesagt hat; betrachten, was er getan hat. Jesus kommt von Gott, er ist der Sohn Gottes, er ist Gott.
Es gibt einen noch tieferen Aspekt im Text des heutigen Evangeliums: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben.“
Diejenigen, die an Jesus glauben, werden ihm ähnlich. Kinder Gottes, wie der heilige Paulus sagt – „heilig und untadelig vor ihm“ in der Liebe.
Aber ist es für uns arme Sünder möglich, in der Liebe heilig zu werden, untadelig zu sein? Welche Willensanstrengungen müssten wir unternehmen? Welchem anspruchsvollen Gesetz uns unterwerfen?
Befreien wir uns von diesen Gedanken! Johannes sagt uns: „Das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.“
Wenn das Christentum ein Gesetz wäre, wären wir verloren, denn die Einhaltung des Gesetzes hängt vom Willen des Menschen ab und wir könnten niemals „heilig und untadelig“ werden. Das Christentum aber ist Gnade, also ein kostenloses Geschenk der Güte Gottes, das unser Leben verändert.
Wir – erinnert uns Johannes noch einmal – werden nicht zu neuen Menschen, weil „Fleisch und Blut“ (also menschliche Kräfte) uns in einen neuen Zustand versetzen. Wir sind nicht durch den Willen eines Menschen wiedergeboren worden, sondern durch den Willen Gottes, nach seinem gnädigen Willen.
Wir sind aufgefordert, diesen Plan anzunehmen, an den Namen Jesu zu glauben, das heißt, ihn sein Zelt in unserem Leben aufschlagen zu lassen und ihm zu vertrauen. Erst wenn wir das getan haben, können wir uns mit der Antwort unseres Willens befassen und so auf die Liebe mit unserer Liebe antworten, zu ihm und zu allen.
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.