Kolumbusritter Anderson: Zusammen mit dem Islam gegen den "Genozid" an Christen

Die Botschaft von Dignitatis Humane im Westen verständlich machen: "Ein Fahrplan, wie nicht mit Gewalt, aber deutlich geantwortet werden kann"

Carl Anderson im Gespräch mit CNA am 26. Juni 2014.
CNA/Daniel Ibanez

Frieden ist nur gemeinsam leistbar, und Dignitatis Humanae bietet dazu einen Fahrplan: Wie dieser umgesetzt werden kann, das hat der Vorsitzende der größten katholischen Laienvereinigung für Männer im Rahmen der Konferenz "Unter dem Schwert Caesars" in Rom erklärt.

"Mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung lebt in einem Land, in dem die Religionsfreiheit praktisch nicht existiert. Millionen von Menschen sind aufgrund ihres Glaubens und ihrer religiösen Praktiken grausamer Verfolgung, ungerechter Inhaftierung, Zwangsbekehrung, Exil, Folter, Vergewaltigung und Mord ausgesetzt."

An diese Tatsache erinnerte Carl Anderson, Vorsitzender der Kolumbusritter in seinem Beitrag zur Tagung "Unter dem Schwert Cäsars", die letzte Woche in Rom stattfand, und sich der Christenverfolgung widmete. 

Die Kolumbusritter – "Knights of Columbus" – ist die weltweit größte römisch-katholische Laienvereinigungen für Männer, mit über 1,8 Millionen Mitgliedern in 14.000 Räten. Regionale Vereinigungen der Ritter gibt es außer in den Vereinigten Staaten in Kanada, Mexiko, der Karibik, Mittelamerika, den Philippinen, Guam, Saipan, Japan, Kuba und in Polen. Mitglied können nur katholische Männer über 18 Jahren sein.

In seinem Beitrag verwendet der oberste Kolumbusritter und fünffache Familienvater gezielt den Begriff des Völkermords, wie ihn auch schon Papst Franziskus und Patriarchen des Nahen Ostens verwenden, um die Qualität der Christenverfolgung vor allem durch den Islamischen Staat und seine Verbündete zu betonen.

"Heute erleben wir den Genozid der christlichen Gemeinden im Irak und in Syrien, unter dem das Christentum in diesen Ländern zu verschwinden droht. Aber es gibt auch eine Zunahme an Gewalt und Nötigung gegen christliche Minderheiten in anderen Teilen des Mittleren Ostens, in Nordafrika und in Südasien. Vom Sudan über Pakistan nach Indien: hunderttausenden Christen droht ein gewaltsamer Tod", so Anderson.

Religiös motivierte Verfolgung finde gezielt auch durch Akte verschiedener Regierungen statt. Aber zunehmend werde sie von nicht-staatlichen Bewegungen verübt, die oft von Regierungen ermutigt oder toleriert werden.

Bedrohung der Religionsfreiheit auch im Westen

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Die Religionsfreiheit werde jedoch auch durch die Laizität eingeschränkt – durch eine feindselige Haltung säkularer Regierungen gegenüber der Religion, so Anderson. "Das unerfreuliche Ergebnis ist, dass die westlichen Regierungen, die die Religionsfreiheit im eigenen Land verringern, immer weniger bereit und fähig sind, die nicht-westlichen Gesellschaften zu überzeugen, die Religionsfreiheit zu achten – auch wenn die Verletzungen der Religionsfreiheit auf die Ebene todbringender Verfolgung anwachsen."

Kolumbusritter Anderson erläutert, dass "eine wachsende Zahl der Personen im Westen die Religionsfreiheit als eine reine Forderung von Privilegien seitens religiöser Personen oder oft auch religiöser Institutionen ansehe. Und sie betrachten diese Behauptung als eine Begrenzung als wichtiger erachteter Rechte".

Besorgniserregend sei die Sichtweise, dass die Religion an sich kein Ausdruck menschlicher Entfaltung sei, sondern im Gegenteil ein Hindernis für Freiheit und Wohlbefinden.

Westliche Gesellschaften sehen Religion als Problem

Anderson bringt es auf den Punkt: Religion werde in westlichen Ländern letztlich als Problem gesehen. Mit verheerenden Konsequenzen, auch im Umgang etwa mit dem Islamismus: Die "nicht beabsichtigte Folge dieser Betrachtungsweise hat die Wirksamkeit des Westens hinsichtlich der Überzeugung von Herz und Sinn der Menschen in der Auseinandersetzung mit dem gewaltsam-religiösen Extremismus drastisch geschwächt."

Auslegung jüdischer und christlicher Schriften

In seiner Reflexion bietet Anderson eine Lektüre der jüdischen und christlichen Schriften, ausgehend vom Konzilsdokument Dignitas Humanae.

"Papst Franziskus war der erste unter den weltweiten Oberhäuptern, der den Begriff ´Genozid´ verwendet hat, um das zu beschreiben, was an den Christen im Irak und in Syrien geschieht. Die Vereinten Nationen hat er im September um eine internationale Aktion gebeten und in einer kürzlichen Predigt hat er uns daran erinnert, dass all dies vor den Augen der ganzen Welt geschieht, mit dem komplizenhaftem Schweigen vieler mächtiger Entscheider, die darum wissen."

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Wie sollen die Christen also auf diese Probleme antworten?

Der oberste Kolumbusritter spricht von Realismus und von einer bestimmten Arbeit, die zu tun sei, um im Westen die Botschaft von Dignitas Humanae verständlich zu machen, und nicht mit Gewalt zu antworten, sondern im Sinne Pauls VI. denken: "wenn Du den Frieden willst, dann arbeite für die Gerechtigkeit." Denn der wahre Grund der Krise "ist eine religiöse Sensibilität, die auf Gewalt pocht."

Anderson betont, dass diese Arbeit zusammen mit muslimischen Denkern gemacht werden muss, die mutig den Terrorismus verurteilen und beteuern, dass der Islam eine Religion des Friedens ist."

Dafür stelle Dignitas Humanae einen Fahrplan bereit.

Ein Schritt in diese Richtung wurde vergangene Woche in Washington von einer Gruppe muslimischer Persönlichkeiten getan, die "übereinkamen, dass die muslimischen Denker und die Meinungsmacher Ablenkungen vermeiden müssen und nicht abstreiten dürfen, dass sich hinter dem islamischen Extremismus und dem Terrorismus Verletzungen der Menschenrechte verbergen. Sie müssen vielmehr alternative Auslegungen der Koranverse anbieten, von denen einige die Gewalt nähren."

Der Kolumbusritter gesteht zu, dass der Weg voller Hindernisse sei. "Die Frage aber ist, ob die westlichen und muslimischen Entscheider den Mut haben werden, diesen Weg zu verfolgen, oder nicht. Und dabei kann Dignitas Humanae eine entscheidende Rolle spielen".

Er selber bietet dazu einige konkrete Vorschläge und Thesen:

  • Die Religionsfreiheit ist ein Geschenk Gottes, nicht das eines Staates;
  • die Religionsfreiheit zu sichern bedeutet sowohl die öffentliche Ausübung als auch die privaten Angelegenheiten zu schützen,
  • die Religionsfreiheit erstreckt sich auf deren Gemeinschaften und auf Zivilorganisationen;
  • Freiheit bedeutet nicht religiöse Gleichgültigkeit;
  • alle Religionsgemeinschaften oder Gemeinschaften religiöser Inspiration haben das gleiche Recht, ihre jeweiligen Anforderungen an die Gesellschaft zu stellen.

Gleichzeitig, betont Ritter Anderson, würden in Dignitas Humanae werden auch wichtige Grenzen der Ausübung der Religionsfreiheit aufgezeigt: "denn sie kann kein Freifahrtschein für Akte der Gewalt oder irgendeinen anderen, dem ethischen Gesetz widersprechenden Akt sein": 

Eine Klarstellung "von entscheidender Wichtigkeit für die Staaten mit muslimischer Mehrheit, die den Wunsch, dem Islam eine öffentlich bedeutsame Rolle zu geben mit der Verantwortung, die Freiheit der religiösen Minderheiten zu garantieren, ausbalancieren müssen."

Anderson erinnert dabei an die Rolle Karol Wojtylas und Kardinal Josef Ratzingers bei der Erstellung und Verbreitung des Konzilsdokumentes erinnert, das nur hundert Jahre vorher nicht möglich gewesen wäre.

Für Anderson ist klar: So, wie sich das katholische Denken entwickelt hat, könne dies auch für die islamische Welt geschehen. Auch wenn die islamische Welt keine Bezugsfigur wie den Papst habe. Muslime, so Anderson, hätten gegenwärtig zwei Sichtweisen: eine Religion des Friedens und eine Religion des gewaltsamen Dschihad. Eine der beiden wird am Ende über die andere triumphieren. Die noch offene Frage sei: welche.

Diese Dichotomie anzugehen "ist eines der großen Probleme unserer Zeit, sowohl für die mehrheitlich muslimische Welt, als auch für den christlichen Westen. Wenn wir nicht zusammenarbeiten wird das Ergebnis katastrophal sein."

Heute "können wir uns die Führung von Papst Franziskus zugute kommen lassen, der den Mut hat, von einem christlichen Genozid im Mittleren Osten zu sprechen, der die Gewalt im Namen der Religion verurteilt und auf mehr Religionsfreiheit und Rechtsbewusstsein im Westen bestanden hat. Wir alle fragen uns, ob wir genug getan haben, um unsere Stimme mit der seinen zu vereinen", schließt Anderson seine Betrachtungen.