Warum das Treffen zwischen Papst und Patriarch tätsächlich von historischem Rang ist

Pater Dietmar Schon OP im Interview über die Begegnung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill auf Kuba  

Pater Dietmar Schon OP ist der designierte Direktor des Ostkircheninstituts des Bistums Regensburg
Bistum Regensburg

Eine Begegnung historischen Ranges bahnt sich an: Papst Franziskus und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. von Moskau werden sich am kommenden Freitag, dem 12. Februar, auf Kuba treffen. Wie CNA berichtete, wird es die erste Begegnung der Oberhäupter dieser beiden Kirchen überhaupt in der Geschichte sein.

Kyrill wird sich am 12. Februar zu einem offiziellen Besuch auf Kuba aufhalten; Franziskus will auf dem Weg nach Mexiko, dem er eine Apostolische Visite abstattet, einen Zwischenstopp in Havanna einlegen. Auf dem Flughafen der kubanischen Hauptstadt wollen Papst und Patriarch zunächst ein mehrstündiges Gespräch führen. Anschließend ist die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung geplant. Der Experte Dietmar Schon erläutert im Gespräch mit der Pressestelle des Bistums Regensburg die historische Dimension des Treffens beider Kirchenoberhäupter. Der Dominikanerpater ist designierter Direktor des Ostkircheninstituts des Bistums Regensburg. 

Pater Dietmar, am vergangenen Freitagmittag um 12 Uhr gab der Vatikan bekannt, dass sich Papst Franziskus und  Patriarch Kyrill I. von Moskau am 12. Februar auf Kuba zu einem Gespräch treffen werden. Es wird die erste Begegnung der Oberhäupter dieser beiden Kirchen überhaupt in der Geschichte sein. Wie ist dieses Treffen kirchenhistorisch oder gar welthistorisch einzuordnen?

SCHON: Die erstmalige direkte Begegnung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill ist natürlich ein ganz besonderes und augenfälliges Zeichen, das völlig zu Recht historisch genannt werden kann. Dieselbe Bezeichnung wurde bereits für die Begegnung von Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras im Jahr 1964 gebraucht, ein Ereignis, das in der Folge zu einem Durchbruch in den Beziehungen zwischen römischer und orthodoxer Kirche geführt hat. Die Parallelität erinnert daran, dass solche hochbedeutsamen Begegnungen immer einen Anfang darstellen, ein Startsignal hin zu einem immer tieferen gegenseitigen Verständnis, hin zu einer wechselseitigen Wahrnehmung von kirchlichen Anliegen und Befindlichkeiten, hin zu einem verstärkten Bemühen um gemeinsame Antworten. Erst ein solcher Prozess hilft, Entfremdung zu überwinden und einer Annäherung Raum zu geben - und das ist der Kern von Ökumene. 

Für viele Beobachter kam diese Nachricht dem Vernehmen nach "wie aus heiterem Himmel". Für Sie ebenfalls?

Ja, ich bin freudig überrascht. Im Vorfeld hatte ich lediglich ein unscheinbares Signal wahrgenommen. Über längere Zeit standen eher Missverständnisse und Divergenzen im Blick, während viele positive Zeichen und Entwicklungen kaum thematisiert wurden. Kürzlich hatte Metropolit Hilarion (Leiter des Aussenamts des Moskauer Patriarchats) in einem Interview hervorgehoben, dass es vor 15 Jahren noch ernste Probleme zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche und der Katholischen Kirche gegeben habe, sich nunmehr aber die Beziehungen im Geist konstruktiver Zusammenarbeit entwickelten. Diese uneingeschränkt positive Wertung stellte einen neuen und sehr erfreulichen Akzent dar. Nun besteht Anlass zur Hoffnung, dass weitere positive Zeichen folgen werden.

Wie würden Sie den gegenwärtigen Zustand der Beziehungen von römisch-katholischer und russisch-orthodoxer Kirche bezeichnen?

Dass nun ein erstes Treffen der beiden Kirchenoberhäupter ansteht, sollte nicht verdecken, dass es seit langem vielfältige und intensive Kontakte zwischen beiden Kirchen gibt. Hochrangige Kirchenvertreter und Delegationen haben sich bei den verschiedensten Gelegenheiten und an wechselnden Orten immer wieder getroffen und ausgetauscht. Das deutet an, dass es reichlich Themen gibt, zu denen gemeinsame Positionen entwickelt werden können. So haben z.B. beide Kirchen jede Gelegenheit genutzt, um an die äußerst schwierige Lage der Christen in vielen Ländern zu erinnern und deren Schicksal einer breiteren Öffentlichkeit ins Gedächtnis zu rufen. Dasselbe gilt für wiederholte Mahnungen zum Frieden, insbesondere in Syrien. Insgesamt nehme ich gewachsene Beziehungen zwischen der katholischen und russisch-orthodoxen Kirche wahr, die aber thematisch noch verbreitert und sachlich noch vertieft werden könnten und sollten. Mit breiterem Blickwinkel möchte ich hinzufügen: Jede Annäherung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche hat Signalwirkung in unsere globalisierte Welt hinein, die durch ein gemeinsames Zeugnis der Kirchen wichtige Impulse zum Besseren erhält.

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Vier Stunden wollen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill am 12. Februar miteinander sprechen. Über was werden die beiden wohl Ihrer Meinung nach miteinander reden?

Der mitgeteilte Zeitrahmen deutet an, dass nicht nur „protokollarische“ Freundlichkeiten ausgetauscht werden sollen, sondern dass auch mit inhaltlichen Akzenten gerechnet werden darf. Die dafür geeignete Themenpalette ist groß, ich möchte darüber aber nicht spekulieren. Im Raum steht der gewichtige Begriff „Schwesterkirchen“, der die besondere Nähe zusammenfasst, in der die orthodoxe und die katholische Kirche zueinander stehen. Diese Nähe ist Chance und Auftrag zugleich. Wenn „Schwesterkirchen“ mehr als eine ökumenische Worthülse sein soll, dann bedarf es konkreter Schritte zu einem respektvoll-dynamischen Miteinander auf allen Ebenen, lokal, regional, global. Das Gespräch so herausragender Persönlichkeiten vermag sogar Überraschendes in Gang zu setzen.  

Glauben Sie, dass es ein Zufall ist, dass dieses Gespräch noch vor dem panorthodoxen Konzil stattfindet, welches für Juni 2016 auf Kreta angesetzt ist?

Nein, von Zufall würde ich da nicht reden. Erst gestern ist der Entwurf eines Textes zur Ökumene veröffentlicht worden, der auf der Großen Synode von Kreta beraten werden soll und der dabei vielleicht sogar noch weiter entfaltet oder spezifiziert werden kann. Die Situation ist nicht unähnlich der vor dem II. Vatikanischen Konzil: es gibt bei einigen Ängste vor Veränderung, es gibt bei vielen Mut, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen und es gibt bei allen das gläubige Vertrauen in das Wirken des Hl. Geistes, der Wege weist und die Kirche belebt. Das anstehende Gespräch von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill scheint in diesem Kontext wie eine Einladung an die Gläubigen beider Kirchen, daran Anteil zu nehmen.    

Welche Auswirkungen kann Ihrer Ansicht nach diese Begegnung für die Ökumene zwischen katholischen und orthodoxen Christen haben?

Sie ist ein starker Impuls. Es wird gemeldet, dass parallel zum Gespräch der beiden Ersthierarchen auch der Präsident des Rats für die Einheit der Christen, Kardinal Koch, und der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, miteinander sprechen wollen. Darin deutet sich m.E. an, dass sehr konkret Wege gesucht werden, die Kommunikation zwischen den Kirchen weiter zu verbessern und Felder eines Zusammenwirkens zu erschließen. Orthodox-Katholische Ökumene ist ja nicht nur Arbeit an treffenden Formulierungen des gemeinsamen Glaubens; Ökumene ist - vielleicht sogar vorrangig - eine Chance, den bereits vorhandenen, weitgehenden Gemeinsamkeiten gleichsam Gestalt zu geben: das Ziel dabei heißt Einheit in Vielfalt, der Weg dahin ist vertieftes Mit- und Füreinander.

 Zum Hintergrund:

Das „Ostkircheninstitut der Diözese Regensburg“ ist dem akademischen und ökumenischen Dialog mit den orthodoxen und orientalischen Kirchen gewidmet und wird von Bischof Rudolf Voderholzer am 23. und 24. September 2016 offiziell errichtet. Das Institut soll gemeinsam mit den anderen Regensburger Instituten, dem Liturgischen und Marianischen Institut sowie dem Institut Papst Benedikt XVI., unter dem Dach des „Akademischen Forums Albertus Magnus“ stehen.

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