2. Oktober 2019
Gescheite Autoren haben ein Buch geschrieben. Sie rufen der Kirche zu, sie möge sich reformieren. Sie verstehen ihren Aufruf als "Anstöße aus den Orden", obwohl nicht alle Autoren des Buches auch Ordensleute sind. Alle Ordensleute, die einen Beitrag zum Buch lieferten, haben verantwortliche Stellungen in der Kirche: als Professoren, Lehrer und Erzieher, in der Leitung ihrer Orden oder in anderen wichtigen Positionen. Unter den insgesamt 18 Personen, die zu Wort kommen, befinden sich, und das finde ich verwunderlich, lediglich 7 Ordensfrauen. Keine einzige Ordensperson gehört einem kontemplativen oder strengen Orden an. Dafür aber kommen mit Dr. Dr. Wunibald Müller und Prof. Dr. Hubert Wolf zwei Herren zu Wort, die, so ist wohl die Ansicht des Herausgebers Hanspeter Schmitt, bei diesem Thema unentbehrlich sind, und quasi wie ganz natürlich ihre Beiträge leisten.
Der "Beschuhte Karmelit - OCarm" Pater Hanspeter Schmitt lebt nicht im Kloster. Vielmehr ist er Professor an der Theologischen Hochschule Chur (Schweiz) und zeichnet als Herausgeber dieses Buches. In seiner Einführung sieht er den Reformbedarf der Kirche in ihrer "Verfasstheit und Organisation", in ihren "sinnstiftenden Riten und Symbolen" und selbstverständlich in der lehramtlichen Moral der Kirche und dem damit einhergehenden sittlichen Handeln. Er spricht von einem gefährlichen System, das sogar als "gewaltfördernd" zu betrachten sei. Darum sei es "höchste Zeit für die Reform der Katholischen Kirche!" Dabei beruft er sich wie selbstverständlich auf den Papst und sieht ihn an der "Spitze kirchlicher Reformbewegungen". Er bezeichnet Franziskus als Prüfer der "Wahrheit kirchlicher Lehre", womit er doch wohl zu weit über das Ziel hinausschießt. Mit einer weiteren deplatzierten Einlassung disqualifiziert sich der Karmelitenpater selbst, indem er, der doch auf mündige Christen setzt und die Meinungen anderer hörbar machen möchte, reformwillige Ordensleute ermahnt, sie dürften "sich nicht vom Widerstand fundamentalistischer Kreise in der Kirche abschrecken lassen", aber auch nicht von der Amtskirche. Wen er mit fundamentalistischen Kreisen meint, erklärt er nicht. Das ist wohl auch nicht nötig, denn es sind wohl jene, die nicht so denken wie er.
Dafür kommen im Verlauf des Buches gerade solche Personen zu Wort, die Pater Hanspeter das Wort reden. Als erster in der Reihe, der Kirchen- und Ordenskritiker Prof. Wolf. Als Kirchenhistoriker hat er sich mit den verschiedenen Formen der Orden befasst und dazu mehrere Arbeiten vorgelegt. Als ausgewiesener Fachmann auf diesem Gebiet,erzählt er von den Vollmachten der Äbtissinnen von Las Huelgas, "die sich selbst äußerst gekonnt als Bischöfinnen inszenierten". Er findet in der Geschichte der Orden "wichtige Reformideen" und stellt fest, dass bald eine neue Zeit der Orden anbrechen werde, "in neuen, bislang noch nicht ausprobierten Formen".
Die Provinzoberin der Franziskanerinnen von Lüdinghausen und Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz, Sr. Dr. Katharina Kluitmann osf, weiß als studierte Psychologin und Pastoralreferentin, was den Orden notwendig ist. Sie arbeitet "mit vielen anderen Ordensleuten für eine andere Kirche", diese müsse "vielfältiger, weiblicher, beziehungsreicher" und wandlungsfähiger sein.
Der Jesuit Klaus Mertes SJ erinnert noch einmal an den Januar 2010, als er den Missbrauchsskandal am Canisius-Kolleg öffentlich machte. Er sieht das Ereignis als "einschneidendes Datum" für Deutschland. Natürlich spricht er von Leitungsversagen, von Taubheit, Verschweigen und Vertuschen. Dem Beschwerdemanagement widmet er ein ganzes Kapitel. Er möchte die Strukturen in der Kirche aushebeln, insbesondere jene, die nichts mit Teilhabe zu tun haben. Er spricht vom Klerikalismus und fragt natürlich danach, warum Bischofsernennungen "ausschließlich auf innerklerikalen, informell ablaufenden Beratungsprozessen" beruhen müssten.
Sr. Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, möchte eine gendergerechte Kirche. Sr. Dr. Carmen Tatschmurat ist Soziologieprofessorin und Äbtissin. Sie sieht künftig in den Orden "Zukunftslabore", die "in Zeiten nachchristlicher Milieus" die Erneuerung der Kirche vorantreiben. Der Philosophieprofessor P. Dr. Ulrich Engel holt die Arbeiterpriester der fünfziger Jahre aus der Versenkung. Sein Schlagwort lautet "dialogische Verkündigung" und meint das "Aufgeben milieuverhafteter Standorte und klerikal liebgewonnener Überzeugungen".
Nein, P. Dr. Anselm Grün OSB fehlt nicht. Er plädiert, dass "alte Formen" von "ihrer Deformation befreit werden" müssen, damit stattdessen "neue Formen" möglich werden. P. Dr. Franz Weber MCCJ war als Comboni-Missionar in Innsbruck Professor für Inkulturelle Pastoraltheologie und Missionswissenschaften. Er spricht dabei nicht nur von "Missionsgebieten" etwa in Südamerika. Er sieht die Missionarsberufung viel weiter. So will er, dass sich hierzulande Missionshäuser für Migranten öffnen; nennt "Fridays for future" als "bewegendes Beispiel" dafür, wie das Evangelium heute verkündet wird, und versteht ganz wie Papst Franziskus die "Peripherie als prophetischen Ort der Kirche".
Da es nicht möglich ist, an dieser Stelle sämtliche 18 Autoren des Buches zu Wort kommen zu lassen, sei der letzte Blick in das Buch dem letzten Autor gewidmet: dem emeritierten Abt des Benediktinerklosters Einsiedeln, P. Martin Werlen OSB. Er ist ein mächtiger Mann in der Kirche. Sein Wort hat Gewicht, besonders bei jenen, die eine andere Kirche haben möchten. Seit seinem Rücktritt vom Amt des Abtes vertraut man ihm wichtige Aufgaben und Dienste an, sowohl seitens verschiedenster Orden als auch durch vatikanische Behörden. Der Ordensmann, der schon oft für andere Formen der Priestergewinnung plädiert hat, bleibt - ganz schlauer Kirchenmann - hier relativ sachlich. Er meint, dass für Ordensleute nicht alles klar sei; vielmehr seien sie sich "bewusst: Eine Kirche, in der alles klar ist, ist nicht katholisch". Er möchte ein prophetisches Ordensleben, das nicht einknickt, sich nicht anpasst, aufgibt oder davonläuft.
Es ist keine Frage: man muss dieses Buch nicht gelesen haben, um wissen zu können, welche Meinungen hier ausgesendet werden. Die Autoren reiten durchweg das Pferd vom "Synodalen Prozess", von "Maria 2.0" und von"Instrumentum laboris", dem Arbeitspapier der "Amazonas-Synode" und dem dazugehörigen progressiven Ansinnen weiter Teile des deutschen Katholizismus.
Ja, Kirche, reformiere dich! Aber bitte nicht so, wie es weithin beschrieben wurde. Neben der geforderten Menschlichkeit und Barmherzigkeit, neben Teilhabe, Gender u. a. gibt es noch etwas, was hier völlig vergessen worden ist. Eine Ordensperson ist, wie ein Priester, herausgerufen aus der Schar der Gläubigen. Die Kirche spricht von der Berufung, Jesus nachzufolgen. Bei diesem Ruf Jesu, der einer einzelnen Person gilt, fordert er, dass nicht zurückgeblickt werden darf, sondern nachge-folgt werden muss. Nach-folgen heißt, sein Kreuz annehmen und aufnehmen und Jesus nachgehen: den Kreuzweg, hinauf zum Kalvarienberg. Den Kreuzweg gehen bedeutet, ständige Umkehr (Metanoia) von sich weg.
Wohlwissend, dass kein Mitglied des Zisterzienserordens einen Beitrag für das Buch geschrieben hat, so möchte ich doch den heiligen Bernhard zitieren, der einmal beschrieben hat, was es bedeutet, in (s)einem Orden zu leben. Inhaltlich dürften die angesprochen Punkte denen bekannt sein, die sich mit den geistlichen Vätern der Kirche beschäftigen. Wer die Worte jedoch nicht hören will, muss sich fragen lassen, warum im Buch der Anspruch erhoben wird, für alle Orden zu sprechen. Der hl. Bernhard sagt:
"Unser Orden bedeutet:
Verachtet sein, Demut, freiwillige Armut, Gehorsam, Frieden, Freude im Heiligen Geist.
Unser Orden bedeutet:
Unter einem Lehrmeister sein, unter einem Abt, unter einer Regel, unter einer Zucht sein.
Unser Orden bedeutet:
Eifrig das Schweigen üben, sich üben in Fasten, Nachtwachen, Gebet und Handarbeit.
Und über all dem:
Den vorzüglicheren Weg einhalten: die Liebe.
Und dann:
In all diesen Dingen Fortschritte machen von Tag zu Tag und darin aushalten bis zum letzten Tag."
Hanspeter Schmitt (Hrg.), Kirche, reformiere dich! Anstöße aus den Orden ist bei Herder erschienen und hat 200 Seiten.
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"Uns werden viele Fragen gestellt. Sie wollen es wissen: Wer seid ihr denn? Normalerweise sind sie sehr glücklich zu hören, dass wir Mönche sind, obwohl einige enttäuscht waren, dass wir keine Buddhisten sind". https://t.co/MsxVQ4unXQ
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) January 22, 2019
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