Streit im Bistum Chur: Katholiken ziehen gegen Diözesanadministrator vors Kirchengericht

Bischof Peter Bürcher
Bistum Chur

Im Bistum Chur geht der Streit um die Absetzung des früheren Bischofsvertreters Martin Kopp in die nächste Runde. Wie Schweizer Medien berichten, möchte eine Gruppe von 23 Katholiken gegen den Diözesanadministrator Pierre Bürcher klagen - vor dem Diözesangericht.

Das Bistum Chur ist seit dem altersbedingten Rücktritt von Bischof Vitus Huonder vakant, Papst Franziskus hat den ehemals in Island tätigen Pierre Bücher für den Umgang zum Apostolischen Administrator ernannt. Bürcher war seit 2007 Bischof von Reykjavik, 2015 legte der Schweizer sein Amt im Alter von 69 Jahren aus gesundheitlichen Gründen nieder.

Martin Kopp arbeitete als Delegierter des Apostolischen Administrators für die Urschweiz, bevor er im März von Bürcher entlassen wurde (CNA Deutsch hat berichtet). Als Grund gab der Diözesanadministrator mangelnde Loyalität an, mit der Kopp versucht habe die ausstehende Bischofsernennung unrechtmäßig zu beeinflussen.

Anlass für die Entlassung sei eine Stellungnahme Kopps in der "NZZ am Sonntag" vom 15. März 2020 gewesen, in der sich Martin Kopp als Delegierter des Apostolischen Administrators in der Urschweiz nach Ansicht Bürchers "wertend zur anstehenden Bischofswahl geäußert und ein Eingreifen des Staates begrüßt" habe. Damit habe Kopp gegen die Aufforderung des Diözesanadministrators gehandelt, der zu Beginn seiner Amtszeit alle Mitglieder des Bischofsrates aufgefordert hatte, "keine öffentlichen Stellungnahmen zur Frage der Bischofsnachfolge abzugeben".

In der Mitteilung des Bistums sagte Bürcher anschließend, dass es sich bei Martin Kopp "nicht um das erste Vorgehen dieser Art" handle. Er habe durch sein Handeln "öffentlich eine Initiative unterstützt, die darauf abzielt, die Freiheit des Apostolischen Stuhls und des Domkapitels bei der Wahl des neuen Bischofs einzuschränken". Durch diese "illoyale und gegen meine erwähnte Weisung verstoßende Vorgehensweise" sei das für die Aufgabe erforderliche "Mindestmaß an Vertrauen (...) nicht mehr gegeben", so Bürcher.

Unterstützung für Martin Kopp: Petition und Klageschrift

Unterstützung erhält der Gestürzte nun von einer Gruppe von 23 Katholiken aus dem Bistum, die der Bistumsleitung um Bischof Bücher Dialogverweigerung vorwerfen. Man habe seit dem 21. September 2020 regelmäßig versucht die Bistumsleitung telefonisch zu erreichen und auch eine Petition überreicht, um gegen die Entlassung zu protestieren, erklärt die Gruppe in der veröffentlichten Klageschrift.

Bürcher habe darauf nicht reagiert, behaupten die Initiatoren weiter und wollen im nächsten Schritt vor das Diözesangericht. Ein Bistumsprecher verwies am Mittwoch gegenüber CNA Deutsch darauf, dass sich Bistum erst zu dem Fall äußern werde, wenn die entsprechenden Unterlagen vorliegen.

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Die Initiative selbst ließ über das Nachrichtenportal "Kath.ch" verlauten, dass man sich durch diesen Schritt eine Vermittlung durch das Diözesangericht erhoffe. Gegenwärtig herrsche "Willkür", so ein Sprecher wörtlich:

"Im weiteren Sinne erwarte ich von der Römisch-Katholischen Kirche, dass sie sich weiterentwickelt zu einer Kirche, in der es Dialog und Rechtsverbindlichkeit gibt statt nur Willkür. Die absolutistische Herrschaft ist anachronistisch und verletzt das moderne Rechtsempfinden – auch von Katholikinnen und Katholiken."

In der Klageschrift zitiert die Gruppe auch das katholische Kirchenrecht. Wörtlich berufen sie sich auf den dritten Paragraphen des Canons 212 des "Codex Iuris Canonici" (CIC). Darin heißt es wörtlich:

"Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie [die Gläubigen] das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun."

Dem zitierten Canon sind im Kirchenrecht zwei weitere Paragraphen vorangestellt. Paragraph 1 und 2 lauten:

§ 1. Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen.
§ 2. Den Gläubigen ist es unbenommen, ihre Anliegen, insbesondere die geistlichen, und ihre Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen. (CIC 212, §1-§2)

Diese beiden Abschnitte werden bei der Zitation des Canon 212 in der Klageschrift nicht erwähnt.

Beobachter: "Juristisch absurd"

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Die Klage der Gruppe ist nicht unumstritten. Beobachter weisen darauf hin, dass im beschriebenen Vorfall eine Gruppe von Katholiken den Leiter einer Diözese bei einem Diözesangericht verklagt – das diesem unterstellt ist. Eine Konstellation, die ein Kirchenrechtsexperte gegenüber CNA Deutsch als "juristisch absurd" bezeichnet. Ein Bischof kann sich nicht selbst vor ein Diözesangericht bringen, die Klage müsste in Rom eingereicht werden, sofern sie "kirchenrechtlich ernstgemeint wäre", so der Experte.

Wie aussichtslos das Unterfangen vom kirchenrechtlichen Standpunkt aus gesehen ist, unterstrich am Mittwochmorgen der Kirchenrechtler René Pahud de Mortanges von der Universität Fribourg. Die Seite "Kath.ch" zitiert ihn mit den Worten:

"Soll eine Klage Erfolg haben, ist vorausgesetzt, dass das kirchliche Gericht auf der Diözesan-Ebene unabhängig vom Bischof ist. Anders als im weltlichen Bereich gibt es in der katholischen Kirche aber keine formale Gewaltenteilung. Die Judikative auf Diözesanebene ist Teil der Leitungsgewalt des Bischofs."

Die Kirchenrechtlerin Astrid Kaptijn – ebenfalls Universität Fribourg – betont außerdem, dass das von den Initiatoren geforderte "Recht auf ein Gespräch" rein formal garnicht existiere. Den zitierten Passus aus dem Kirchenrecht interpretiert sie entsprechend anders. Kaptijn wörtlich:

"Das Kirchenrecht spricht in diesem Canon nur von der Meinungsäusserung im Sinne einer Mitteilung. Eine Mitteilung bedeutet noch nicht ein Gespräch. Formaljuristisch kann man dem Apostolischen Administrator hier keinen Vorwurf machen."

Weitere Kritiker vermuten unterdessen eine "PR-Aktion" hinter der medial verstärkten "Bitte um Dialog" mit dem Diözesanadministrator. Im Kern gehe es viel mehr darum, weiter Einfluss auf die bevorstehende Bischofsernennung im Bistum Chur zu nehmen, so die Vermutung.

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