Vor 75 Jahren, am 25. März 1946, dem Fest Mariä Verkündigung, ernannte Papst Pius XII. den polnischen Priester Stefan Wyszyński zum Bischof. Anna Meetschen hat eine Biographie über den „Primas des Jahrtausends“ vorgelegt, wie sie den späteren Erzbischof Stefan Kardinal Wyszyński bezeichnet.

Stefan Wyszyński, geboren am 3. August 1901, im 2. Weltkrieg u.a. Geistlicher der polnischen Untergrundarmee, wurde am 25. März 1946 von Papst Pius XII. zum Bischof von Lublin ernannt. Im November 1948 wurde er von ihm zum Erzbischof von Gnesen und Warschau bestellt und als solcher zum Primas von Polen. 1953 ernannte Pius XII. ihn zum Kardinal, doch erst 1957, nach drei Jahren Haft im kommunistischen Polen, konnte er in Rom in das Kardinalskollegium aufgenommen werden. Während des 2. Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965 nahm Kardinal Wyszyński an allen Vollversammlungen teil. Bis zu seinem Tod, am 28. Mai 1981, war er in allen seinen kirchlichen Funktionen im Amt. 

Die spannende Geschichte dieses ereignisreichen Lebens erzählt Anna Meetschen. Sie entdeckt den Heranwachsenden, den jungen Priester, späteren Primas von Polen und Kardinalpriester der Römischen Kirche. Zahlreiche persönliche, historische und kirchengeschichtliche Ereignisse werden beleuchtet. So entsteht ein lebendiges Lebensbild des „Primas des Jahrtausends“. 

Bereits 1989 begannen Bestrebungen, Stefan Kardinal Wyszyński selig sprechen zu lassen. Am 18. Dezember 2017 wurde ihm der heroische Tugendgrad zugesprochen und am 2. Oktober 2019 ein Wunder als letzte Voraussetzung für eine Seligsprechung anerkannt. Die durch Papst Franziskus für den 7. Juni 2020 geplante Seligsprechung in Warschau wurde wegen der Covid-19-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben.

Kardinal Wyszyński und das 2. Vatikanische Konzil

In zwei Kapitel des Buches wird Kardinal Wyszyński zusammen mit den Ereignissen des 2. Vatikanische Konzils beleuchtet. Die Leser erfahren, dass der polnische Kardinal durch Papst Johannes XXIII. zum Mitglied der zentralen Vorbereitungskommission bestellt wurde, deren Vorschläge später von den Konzilsvätern verworfen wurden. Ebenso wird angesprochen, dass nicht die Liturgie das besondere Interesse der Bischöfe aus Polen gewesen ist. Keinesfalls erwarteten sie derartige Veränderungen, wie sie nach dem Konzil im Westen eingeführt worden sind. Für die polnischen Bischöfe war es wichtig, vom Konzil zu erfahren, wie die Kirche dem Kommunismus die Stirn bieten könne. 

Was die Einführung der Muttersprache in die Liturgie betrifft, war es die Ansicht des Primas, dass sie dort eingeführt werden solle, wo sie „die Teilnahme am Messopfer“ fördern könne.  Konkret bezeichnete er dafür „die festen Bestandteile der Messe vor dem Offertorium“, und er nannte „Gloria, Lektionen, Evangelien und Glaubensbekenntnis“. „Die anderen Teile der heiligen Messe, besonders im Kanon, sollten in lateinischer Sprache vorgetragen werden.“ Auch für das Brevier setzten sich beim Konzil die polnischen Bischöfe für die Beibehaltung der lateinischen Sprache ein.

Aus dem Kapitel „Die Rezeption des Konzils in Polen“

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil war Primas Stefan Wyszynski mit der Einführung von Reformen sehr zurückhaltend. Er war der Ansicht, dass die nachkonziliare Erneuerung der Kirche in Polen die Bedingungen, unter denen die Kirche im Ostblock lebte, einschließlich der politischen Bedingungen, berücksichtigen müsse. Er befürchtete, dass die Reformen die Kirche in Polen schwächen könnten, was die Kommunisten sofort ausgenutzt hätten. Deshalb entschied sich Wyszyński für eine angemessene Erneuerung - eine „renovatio accomodata“. In einem Hirtenbrief von 1970 schreibt der Primas: „Wir haben in der Kirche Christi unseren Weg zu Gott und eine Weise gefunden, um eine echte, ehrliche konziliare Erneuerung herbeizuführen. Nicht alles, was junge Menschen im Ausland tun, soll die polnische Jugend nachahmen. (...) Nicht alles, was Priester im Ausland unternehmen, eignet sich zur Nachahmung in unserem Land.“

Deshalb stimmte Primas Wyszynski auch nicht zu, als es darum ging, eine landesweite Plenarsynode zu eröffnen, um den polnischen Katholiken die Konzilsreformen vorzustellen. Er wollte auch die aus der Volksfrömmigkeit stammenden polnischen Charakteristika, wie etwa die Marienfrömmigkeit, im Zuge der Großen Novene und der Vorbereitungen auf das Jahrtausend der Taufe Polens bewahren. Einen Bruch mit der Tradition scheute er, genauso wie interne Unstimmigkeiten.

In einem Hirtenbrief an die Priester von 1964 kündigte die Polnische Bischofskonferenz an, dass Änderungen bei der Liturgie „nach Bedarf, schrittweise und in Maßen" eingeführt werden würden.

„Es gibt eifrige Liturgiker, die am liebsten sofort oder morgen ein Messbuch [auf Polnisch] hätten, weil sonst, wenn sie es nicht haben, das ganze Reich Gottes einzustürzen scheint. Aber das ist nicht das Wesentliche. Man soll nicht vertauschen, was wichtig und was unwichtig ist. Es geht darum, dass die Menschen beten, dass sie beten wollen, und erst die zweitwichtigste Frage ist, in welcher Sprache sie es tun werden.“

[…] Das erste lateinisch-polnische römische Messbuch erschien im Jahr 1968 und der vollständige Text der Messe in polnischer Sprache sogar erst 1986. Der Primas selbst feierte die Eucharistie lange Zeit auf Latein: „Ich feiere auf Latein, weil ich nicht den Mut habe, um zu wechseln und auf Polnisch zu singen.“ 

Auch bei der Einführung der Konzelebration zögerte Wyszyhski. Er machte dabei nicht mit. Ausdrücklich war er gegen die Handkommunion eingestellt, die bis heute in Polen verpönt ist.

Anna Meetschen, die Autorin des Buches, stellt die Frage, ob Kardinal Wyszyński ein Traditionalist gewesen sei, oder sogar „ein verkappter Lefebrist“? Sie kommt zu dem folgenden Urteil:

Das zu sagen, wäre übertrieben. Denn, […]: Schon lange vor dem Konzil hatte der Primas sich für eine aktive Rolle der Laien in der Kirche eingesetzt. Im Jahr 1973 bat Wyszyński die Kongregation für die Heiligsprechungen sogar, mehr Laien und nicht nur Ordensleute heilig zu sprechen, um dadurch den Laien lebensnahe Vorbilder zu geben.

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Dennoch muss man festhalten: Dank der zurückhaltenden Art und Weise, wie Primas Wyszyński die Beschlüsse des Konzils in der Kirche Polens implementierte, erlebte die Kirche keine solche Krise wie im Westen. Sie hat nicht so viele Priester und Gläubige verloren. Sie hat traditionelle Andachten bewahrt, die Sakramente werden mit Respekt behandelt und die Kirchen sind weiterhin voll von Gläubigen.

Am Tag nach der Wahl von Karol Wojtyla zum Papst, also am 16. Oktober 1978, lief der Primas noch einmal zu großer Form auf. Er sah seine Strategie bestätigt: 

„Erinnern wir uns daran, dass (...) in der nachkonziliaren Zeit die größten Angriffe auf die Kirche in Polen stattfanden. Es wurde darüber geschrieben, dass sie das Konzil nicht umsetze, die Erneuerung verzögere, nicht fortschrittlich sei. Die Presse fast ganz Europas, vor allem die französische und deutsche Presse, meinte, uns bevormunden zu können. Es gab ständig Attacken auf den polnischen Episkopat, dass er konservativ und rückständig sei, dass er nach dem Konzil die liturgische Erneuerung verzögere. Nun stellte sich jedoch heraus, dass die polnische Kirche sichtbare Verdienste hat. Das war ein Argument für die ,Sixtina', ein Argument, das alle Wähler beruhigte. Offensichtlich wird von der Welt eine solche Arbeit, eine solche Methode und ein solcher Pastoralstil gebraucht, da Polen die Religiosität, Einheit und Festigkeit der Kirche gerettet hat.“

Anna Meetschen, "Kardinal Stefan Wyszyński. Der Primas des Jahrtausends" ist im FE-Medienverlag erschienen und hat 170 Seiten. 

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