Bilanz zur Halbzeit: Wie die Synode bislang verläuft, und wie es nun weitergeht

Noch bis 25. Oktober dauert die Familiensynode im Vatikan, bei der rund 290 Teilnehmer über die Berufung und Mission der Familie in der Kirche und Welt von heute beraten
CNA/Daniel Ibanez

Halbzeit für die Familiensynode. Mit dem Vorlegen der zweiten Zwischenberichte kommt das Treffen über die Berufung und Mission der Familie in der Kirche und Welt von heute in die entscheidend Phase.

Bilanz der ersten Halbzeit

Entgegen aller sicher gut gemeinten Bemühungen deutscher Protagonisten, ein möglichst harmonisches Bild von der zweiten Synode zu zeichnen, ist diese bislang – wie berichtet – alles andere als harmonisch verlaufen.

Sowohl über das Arbeitspapier, als auch über den Ablauf, wie auch über die Redaktiongsruppe des Abschlussberichtes gab es entweder Verwirrung, Kritik oder beides. Und das lange, bevor auch noch ein “neues Vatileaks” für Schlagzeilen sorgte, wie Kardinal Gerhard Ludwig Müller den Fall eines an die Presse geratenen angeblichen Beschwerdebriefs an den Papst über die Synode bezeichnete. Ein Brief, den mehrere hochrangige Kardinäle und Erzbischöfe unterschrieben haben sollen, noch vor Beginn der Beratungen.

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Auf breites Unverständnis ist auch die Einladung des umstrittenen Kardinal Godfried Danneels gestossen, ausgerechnet als Synodenvater zum Thema Ehe und Familie vor dem Hintergrund seines bisherigen Verhaltens.

Gleichzeitig spielen auch die klassischen wie vor allem die digitalen Medien eine völlig neue Rolle bei dieser Synode. Ob es tatsächlich eine “Twitter-Synode” ist, wie manche schon unkten, ist trotzdem fraglich.

Mehr in Vatikan

Für frische Spekulationen sorgt seit heute auch eine Entschuldigung von Papst Franziskus, der bei der Generalaudienz wörtlich um “Verzeihung” bat, für die “Skandale, die in letzter Zeit sowohl Rom wie auch den Vatikan” erschüttert hätten. Was er damit genau meinte, sorgt nun für weiteren Gesprächsstoff. Der Vatikanist John Allen hat eine ganze Litanei an möglichen Skandalen parat, die der Heilige Vater gemeint haben könne.

Vor diesem nicht gerade langweiligen Hintergrund tritt also die Synode über “die Berufung und Mission der Familie in der Kirche und der Welt von heute” in ihre entscheidende Phase. Und nicht zuletzt wegen des Zwischenberichtes der deutschen Gruppe hat die Synode auch Format gewonnen und Fahrt aufgenommen. Oder hat sie das?

Zwischenbilanz durch die Zwischenberichte

Am heutigen Mittwoch haben alle 13 Arbeitsgruppen – von denen nur eine in deutscher Sprache arbeitet – ihren zweiten Zwischenbericht vorgelegt. Nun bleiben nur noch wenige Arbeitstage, bis die fast 300 Teilnehmer frei bekommen und die von Papst Franziskus persönlich zusammengestellte, zehnköpfige Redaktionsgruppe aus den Eingaben den Abschlussbericht schreibt.

Der erste Zwischenbericht der hochkarätig wie prominent besetzten deutschsprachigen Gruppe war eher negativ aufgefallen, und zwar sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Inhaltlich hatte sich die deutschsprachige als einzige Gruppe nicht durchringen können, die mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbare Gender-Ideologie überhaupt nur anzusprechen. Alle anderen Gruppen dagegen veurteilten diese, wie es auch Papst Franziskus immer wieder getan hat. Und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mokierte sich Christian Geyer über den Duktus der  “abgezirkelten Verwaltungsvorlage”, die in einem, so wörtlich, “volkspädagogisch ausgeleierten, aufs große Einverständnis aller zielenden Pastoraldeutsch” geschrieben sei.

Der stärkste Kontrast dazu war aus Sicht vieler Vatikanisten die vom Journalisten Edward Pentin publizierte Rede des Präfekts der Liturgiekongregation, Kardinal Robert Sarah. Dieser warnte davor, dass die Kirche zwischen „zwei apokalyptischen Tieren“ stehe: auf der einen Seite dem eskalierenden Terror des Islamismus, und auf der anderen Seite die Gender-Ideologie im säkularisierten Westen. Für den Kardinal aus Afrika ist klar: Islamismus wie Gender sind dämonisch. Auch zu anderen Phänomenen fand er Worte, die für europäische Ohren herausfordernd sind.

Egal, ob man diesen zustimmt oder nicht: Den Geist der Parrhesia, der Offenheit und des freien Mutes also, den sich Papst Franziskus gewünscht hat, atmen die Worte von Kardinal Sarah allemal.

Tatsächlich wirkt der nun vorliegende zweite Bericht des “Circulus Germanicus” ungleich stärker als sein Vorgänger. Der britische Kardinal Vincent Nichols lobte ihn sogar vollmundig als den theologisch stärksten aller Zwischenberichte. Und auf der Website der katholischen Bischofskonferenz würdigte der Journalist Kilian Martin in seiner Analyse den Zwischenbericht als anspruchsvollen und vielversprechenden Versuch, einen gemeinsamen Weg zu finden.

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Kritisch dagegen äußern sich viele andere Beobachter: Einige sehen wenig Neues im Bericht. In der aktuellen “Tagespost” fragt sich der Vatikanist Guido Horst, “hat es für solche Wiederholungen der Aussagen des Lehramts wirklich einen zweijährigen synodalen Prozess gebraucht?”. Guido Horst warnt ebenfalls: Die Synode habe nur noch wenige Tage, um einen Text zu beschließen, der den ganzen Aufwand rechtfertige.

Andere Kritiker weisen darauf hin, dass hier zwar auf anspruchsvolle Weise über fundamentaltheologische Fragen reflektiert werde; doch wie dies der Berufung und Mission der Familie in der Welt von heute helfen solle, sei dort nicht zu lesen. Vielmehr gehe es in dem Bericht um alle, die (noch) nicht in einer solchen Situation seien – deren Inklusion natürlich wichtig sei – aber auch nichts Neues.

Bringt die zweite Halbzeit etwas Neues?

Hier leistet etwa der New Yorker Erzbischof, Kardinal Timothy Dolan, einen weiteren Kontrast. Er schrieb nun auf seinem Blog über Ehepaare, die sich treu bleiben, über Homosexuelle, die versuchen, keusch zu leben, und über Verlobte, die sich entscheiden, noch nicht zusammen zu leben:

“Darf ich vorschlagen, dass es eine neue Minderheit in der Welt und sogar in der Kirche gibt? Ich denke an all jene, die sich auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit verlassen, um sich um Tugend und Treue zu bemühen (...) Ich glaube, es gibt mehr von diesen, als wir denken, aber dank des Drucks der Gegenwart , fühlen die sich oft ausgeschlossen”.

Ob diese neue Minderheit Berücksichtigung findet, ob das breite Anliegen des nun zweijährigen Synoden-Prozesses gelingt oder scheitert: All dies ist auch zur Halbzeit der Synode noch völlig unklar. Fest steht nur: Papst Franziskus hat das letzte Wort. Der Heilige Vater wird entscheiden, was er aus den Beratungen des zweijährigen Prozesses für Schlüsse zieht, und wie er diese umsetzt.