Chef der Glaubenskongregation: Kein Widerspruch zwischen Seelsorge, kirchlichem Eherecht

Jesuitenpater und Erzbischof Luis Ladaria ist Leiter der Glaubenskongregation.
CNA / Daniel Ibanez

Der Präfekt der Glaubenskongregation betonte am Dienstag, dass in Fällen von Eheannullierung oder -auflösung das kirchliche Verfahrensrecht und die Seelsorge an den Menschen nicht im Widerspruch zueinander stehen.

Kardinal Luis Ladaria SJ, so berichtete die Catholic News Agency (CNA), sprach bei der Eröffnungssitzung eines Studientages, der von der Kongregation für die Glaubenslehre und der Päpstlichen Lateranuniversität veranstaltet wurde.

Der Studientag am 27. April war der Instruktion Potestas ecclesiae aus dem Jahr 2001 gewidmet, die das Verfahren der katholischen Kirche für die Auflösung einer früheren nichtsakramentalen Ehe "in favorem fidei" (zu Gunsten des Glaubens) regelt.

Laut Ladaria ist sowohl in Auflösungs- als auch in Annullierungsfällen in der Kirche "die Bedeutung der Einbeziehung aller Realitäten der Ehe in einen pastoralen Rahmen" bereits im Codex des kanonischen Rechts von 1983 enthalten.

Der Theologe zitierte can. 1063 und nannte ihn "einen der wahrscheinlich schönsten der canones über die Ehe im Codex des kanonischen Rechts."

Can. 1063 besagt: "Die Seelsorger sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die eigene kirchliche Gemeinde den Gläubigen die Hilfe bietet, durch die der Ehestand im christlichen Geist bewahrt wird und in der Vollkommenheit vorankommt."

Der Canon skizziert sodann die konkreten Wege, in denen ein Seelsorger diese Hilfe für seine Gemeinde leisten soll.

Ladaria sagte, die Seelsorge im Bereich der Ehe sei eine Verpflichtung nicht nur für die Seelsorger, sondern für die ganze christliche Gemeinde. Er wies die Vorstellung zurück, der juristische Prozess für eine Eheannullierung oder für die Gewährung einer Auflösung eines natürlichen Ehebandes stehe im Widerspruch zur geistlichen Sorge um die Seelen.

"Die Stellung der Eheprozesse im Kontext der Seelsorge wurde von Papst Franziskus selbst angedeutet, gerade in seinen apostolischen Schreiben in Form des Motuproprio Mitis Iudex Dominus Iesus und Mitis et Misericors Iesus", sagte er.

"Der Papst lädt uns ein – in der Tat drückt er die Verpflichtung seitens der zuständigen kirchlichen Autoritäten aus – die Versuchung zu überwinden, eine Kluft zwischen der pastoralen Sphäre und der juristischen Sphäre zu schaffen", betonte Ladaria.

Laut Kardinal hat Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben Amoris laetitia von 2016 sowohl den Aspekt der pastoralen Begleitung, der bereits im Gesetz enthalten ist, vertieft als auch die Aufmerksamkeit auf Ehekrisen gelenkt, die der seelsorgerischen Betreuung bedürfen, wobei das angestrebte Ergebnis immer die Erhaltung der Verbindung sei, sofern möglich.

Die Normen von Potestas ecclesiae aus dem Jahr 2001 besagen, dass "Ehen zwischen Nichtkatholiken, von denen mindestens einer nicht getauft ist, unter bestimmten Bedingungen vom Bischof von Rom zugunsten des Glaubens und zum Heil der Seelen aufgelöst werden können".

Diese Auflösung und der damit verbundene Prozess, so Kardinal Ladaria, stelle "reine Gnade" dar. "Es ist die Auflösung einer natürlichen, gültigen Ehe, die dem obersten Pontifex in seiner Rolle als oberster Hirte der katholischen Kirche anvertraut ist."

Die Auflösung einer Ehe "in favorem fidei" kann im Einzelfall und nur durch den Papst genehmigt werden. Auf diese Weise unterscheidet sie sich von dem, was man das "paulinische Privileg" nennt, bei dem die Kirche die automatische Auflösung einer natürlichen Ehe zwischen zwei nicht getauften Personen anerkennt.

Die einzigartige Gunst der Gewährung der Auflösung aus diesem Grund unterscheidet sich auch von der Annullierung einer Ehe, die erklärt, dass eine gültige Ehe gar nicht erst zustande gekommen ist.

In seiner 16-minütigen Ansprache gab Ladaria einige Beispiele dafür, wie die seelsorgerische Begleitung in dem juristischen Prozess, der mit dem Antrag auf Auflösung des Ehebandes verbunden ist, selbstverständlich enthalten ist.

Ein vom Kardinal genanntes Beispiel war die in Artikel 4 von Potestas ecclesiae enthaltene Forderung, zum Zeitpunkt der Gewährung der Gunst müsse wahr sein, dass "keine Möglichkeit besteht, die Partnerschaft des ehelichen Lebens wiederherzustellen".

Ladaria betonte, dass dies daran liegt, dass die katholische Kirche niemals die Auflösung einer Ehe begünstigen kann, sondern immer zuerst auf die Erhaltung der Lebensgemeinschaft hinwirken muss, wenn dies möglich ist.

Eine weitere Voraussetzung in Potestas ecclesiae sei das Vorhandensein eines neuen Ehevorhabens, entweder in der Gegenwart oder in der Zukunft, sagte er, "und das Vorhandensein eines solchen impliziert in der Regel die Auflösung, weil die vorangegangene [nichtsakramentale] Ehe bereits unwiderruflich gescheitert ist".

Jeder Beteiligte, vom Ehepaar über die neuen Ehepartner bis hin zu den Kindern, bedürfe der pastoralen Begleitung, sagte er.

Wir müssen uns daran erinnern, fügte er hinzu, dass eine Person, die die Auflösung eines Ehebandes anstrebt, oft seelsorgerische Betreuung nicht nur auf der familiären und beziehungsmäßigen Ebene braucht, sondern auch auf anderen geistlichen Ebenen, weil sie zum Beispiel oft den Prozess des Katechumenats oder der Konversion in die katholische Kirche durchläuft oder ihre Beziehung zu Christus und der Kirche vertieft.

"Daher", betonte Ladaria, "ist der juristische pastorale Aspekt der Auflösung der Ehe nur ein Element einer viel umfassenderen Pastoral, die eine Erneuerung aller Teile ihres Lebens gewährt."

In den Dokumenten von Papst Franziskus zur Ehe sei "auch die Begleitung der Gläubigen in Krisensituationen, ja im Scheitern ihrer Verbindung, Teil eines einheitlichen familienpastoralen Konzepts", sagte er.

"Die Begleitung muss von den Seelsorgern und eventuell auch von anderen Fachleuten auf lokaler Ebene erfolgen", riet er. "Das setzt voraus, dass sowohl die Seelsorger als auch die Experten ausreichend vorbereitet werden."

Er wies zudem darauf hin, dass Trennung und Scheidung oft mit viel Leid verbunden sind.

"Letztlich richtet die Kirche in den Normen über [das Konzept] 'in favorem fidei' ihren Blick auch auf diejenigen, die nicht direkt am Verfahren beteiligt sind, sondern nur beobachten", sagte er. "So ist einer der Gründe für die Gewährung der Eheauflösung 'in favorem fidei' eine einmalige Gnade, das heißt, sie sollte nur einmal gewährt werden, wie es im sechsten Artikel der Normen geboten ist."

Er betonte, die Kirche sollte sich bemühen, den Ausdruck einer Scheidungshaltung zu vermeiden, wenn man Zeuge ist, dass die Auflösung einer vollkommen gültigen Ehe erlaubt ist.

Die gleiche pastorale Sorge wird in Artikel 9 der Normen ausgedrückt, sagte er, wenn es heißt, ein Diözesanbischof solle sich mit der Glaubenskongregation beraten, wenn die Befürchtung bestehe, einen schweren Skandal zu verursachen, sollte die Auflösung gewährt werden.

"Offensichtlich sind alle Artikel der Normen, von denen wir gesprochen haben, als juristische Texte formuliert. Es sind Bestimmungen, die Aspekte aufzeigen, die zu beachten sind, die Fragen vorschlagen, die bei der Befragung der Parteien und der Zeugen zu stellen sind", erklärte er.

"Aber", so fuhr er fort, "trotz dieser direkten Funktion des Verbotsgebots zeigen diese kanonischen Bestimmungen einige Punkte auf, die für die pastorale Begleitung des Paares, anderer Beteiligter oder derjenigen, die den modus procedendi [Verfahrensweise] der Kirche nur aus der Ferne beobachten, von großer Bedeutung sind."

Der Kardinal schloss mit den Worten, dass die kirchliche Institution der Auflösung eines nichtsakramentalen Ehebandes "in favorem fidei" "nicht nur ein wirklich konventionelles Verfahren ist, sondern zugleich als ein der affektiven Seite angemessenes pastorales Werkzeug verstanden werden will und muss, um eine einheitliche Seelsorge an der Ehe und damit an der Familie zu sehen."

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