Kardinal Piacenza: Das Beichtgeheimnis ist unantastbar

Es handelt sich nicht um eine berufliche Schweigepflicht, sondern um einen sakramentalen Akt

Kardinal Mauro Piacenza
ACI Group

Die Nachrichten zur Diskussion um das Beichtgeheimnis in Frankreich haben in den vergangenen Tagen weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Angela Ambrogetti, die Chefredakteurin der italienischsprachigen Schwesteragentur von CNA Deutsch, führte zu diesem Thema ein Interview mit Kardinal Mauro Piacenza. Wir geben ihren Artikel, erschienen auf ACI Stampa, hier im Wortlaut wieder:

In den letzten Jahren gab es zahlreiche Angriffe auf das Siegel des Beichtgeheimnisses. Die Ursache dafür liegt scheinbar in der Veröffentlichung vieler Berichte über die Anzahl der mutmaßlichen sexuellen Übergriffe von Geistlichen in einer bestimmten Region.

Aber man wird diese schreckliche Geschwür, das zudem tragischerweise in allen Bereichen der Gesellschaft verbreitet ist und durch extreme Sexualisierung genährt wird, sicherlich nicht durch die Verletzung eines Sakramentes bekämpfen.

Um besser zu verstehen, worin das "Beichtgeheimnis" besteht, haben wir mit Kardinal Mauro Piacenza gesprochen, dem Großpönitentiar der Apostolischen Pönitentiarie der katholischen Kirche.

Eminenz, warum ist das Beichtgeheimnis fundamental? Woher kommt es und worin besteht es... das päpstliche Geheimnis...

Die Natur des Sakraments der Versöhnung besteht in der persönlichen Begegegnung des Sünders mit dem barmherzigen Vater. Gegenstand des Sakraments ist die Vergebung der Sünden, die Versöhnung mit Gott und mit der Kirche und die Wiederherstellung der Würde der Gotteskindschaft kraft der von Jesus Christus gewirkten Erlösung. Die Lehre der Kirche über die Beichte wird im Katechismus der Katholischen Kirche kurz zusammengefasst vorgestellt, der unter Nr. 1422 die Nr. 11 von Lumen Gentium (der dogmatischen Konstitution A.d.R.) des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgreift, und im Can. 959 des Codex des Kanonischen Kirchenrechts.

Es ist wesentlich, zu betonen, dass das Sakrament der Versöhnung. - da es sich um einen Akt der Religionsausübung handelt – nicht mit einer psychologischen Sitzung oder einer Art Beratung verwechselt werden kann.

Weil es ein sakramentaler Akt ist, muss dieses Sakrament im Namen der Religionsfreiheit geschützt werden und jeder Eingriff muss als unrechtmäßig und als Verletzung der Gewissensfreiheit angesehen werden.

Der Beichtvater muss also das Beichtgeheimnis wahren und gleichzeitig dabei helfen, die Verbrechen den kirchlichen und zivilen Behörden anzuzeigen. Wie kann er das tun?

Alles, was in der Beichte gesagt wird - das heißt von dem Moment an, in dem dieser religiöse Akt mit dem Kreuzzeichen beginnt bis zu dem Moment, in dem er entweder mit der Lossprechung oder mit der Verweigerung der Lossprechung endet - ist absolut unantastbar. Alle Informationen, auf die in der Beichte Bezug genommen wird, sind "versiegelt", weil sie allein Gott gegeben sind und daher nicht in der Verfügbarkeit des Beichtvaters stehen (vgl. Cann. 983-984 CIC; 733-734 CCEO).

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Auch in dem konkreten Fall, in dem beispielsweise ein Minderjähriger bei der Beichte offenbart, missbraucht worden zu sein, muss das Gespräch, aufgrund seines Wesens, immer und in jedem Fall geheim bleiben. Das bedeutet aber nicht, dass der Beichtvater den Minderjährigen nicht dringend ermahnt, selbst den Missbrauch bei den Eltern, Erziehern und der Polizei anzuzeigen.

Wenn der Beichtvater keinen Zweifel an der Disposition des Pönitenten hat und dieser um die Absolution bittet, darf diese weder verweigert noch aufgeschoben werden (vgl. Can. 980 CIC).

Es besteht sicherlich die Pflicht, ein begangenes Unrecht wiedergutzumachen und sich aufrichtig dafür einzusetzen, dass kein erneuter Missbrauch geschieht, und gegebenenfalls auf kompetente Hilfe zurückzugreifen, aber diese schwerwiegenden Pflichten im Zusammenhang mit dem Weg der Bekehrung beinhalten nicht die Selbstanzeige. Der Beichtvater muss den Pönitenten auf jeden Fall zu einer tieferen Reflexion auffordern und dazu, die Folgen seines Handelns abzuwägen, insbesondere wenn eine andere Person verdächtigt oder zu Unrecht verurteilt wird.

Wie können wir auf die Bischöfe reagieren, die versucht sind - wenn auch aus gerechtem Grund - "einen Teil" der Verpflichtung zum Beichtgeheimnis aufzugeben, das sicher kein "Berufsgeheimnis" ist?

Die Analogie zwischen dem Siegel des Sakramentes und der Schweigepflicht, zu der beispielsweise Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte et cetera verpflichtet sind, ist unbedingt zu vermeiden. Abgesehen vom Bußsakrament gibt es kein Geheimnis, das nicht auch offengelegt werden könnte aufgrund von gegenteiligen Anforderungen, die durch das Gesetz oder durch einen Richter, durch deontologische Kodizes oder durch das betroffene Subjekt selbst, das dessen Offenbarung erlaubt, festgelegt werden.

Das Beichtgeheimnis jedoch, ist keine von außen auferlegte Verpflichtung, sondern eine intrinsische Anforderung des Sakramentes. Und als solches kann es nicht gelöst werden, nicht einmal vom Pönitenten selbst (vgl. can. 1550, § 2, Nr. 2 CIC; can. 1231, §2, n.2 CCEO).

Der Beichtende redet nicht mit dem Beichtvater, sondern mit Gott. Sich das anzueignen, was Gott gehört, wäre ein Sakrileg. Es tritt der Schutz des Sakramentes selbst ein, das Christus als sicheren Hafen für alle Sünder eingesetzt hat. Die Gläubigen würden sich eventuell dem Beichtsakrament nicht mehr nähern, wenn das Vertrauen ins Beichtgeheimnis verloren ginge, mit gravierendem Schaden für die Seelen und für das Werk der Evangelisierung.

Es ist grundlegend, auf der Unvergleichbarkeit des Beichtgeheimnisses mit der Schweigepflicht zu bestehen, um zu verhindern, dass die weltliche Gesetzgebung auf das unantastbare Beichtgeheimnis die Ausnahmen der beruflichen Schweigepflicht bei gerechtfertigem Grund anwendet.

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