Pressesprecher des Bistums Chur tritt zurück: "Richtungsstreit wird weitergehen"

Giuseppe Gracia ist Kommunikationsberater und Autor. Der Schweizer war bis 2021 insgesamt zehn Jahre lang Sprecher des Bistums Chur.
Claudio Baeggli

Giuseppe Gracia ist nicht mehr länger Pressesprecher des Bistums Chur. Wie das Bistum heute mitteilte, verlässt Gracia (53) die Diözese, nachdem er dort zehn Jahre lang von 2011 bis 2021 als ihr Sprecher gearbeitet und die Bistumsleitung in strategischen Fragen beraten hatte.

"Dank seiner Erfahrung und Vernetzung mit den relevanten Schweizer Medienhäusern konnte er die Interessen des Bistums im angespannten politischen Umfeld nachhaltig vertreten", heißt es in der Mitteilung vom Donnerstag wörtlich. "Er verschaffte dem Bistum eine herausragende öffentliche Präsenz. Auch in aufreibenden Phasen war Herr Gracia jederzeit bereit, den Diözesanbischof loyal gegenüber der kritischen öffentlichen Meinung zu vertreten."

Im Interview mit CNA Deutsch blickt Gracia, der auch als Kommunikationsberater und Autor tätig ist, auf seine Zeit in Chur zurück.

Herr Gracia, Ihr ehemaliger Vorgesetzter Vitus Huonder war von 2007 bis zum 20. Mai 2019 Bischof von Chur. Ein Teil der Medienberichterstattung hat ihn mit dem Attribut "umstritten" ausgestattet. Sie haben jahrelang an seiner Seite gearbeitet - wie lautet Ihr persönliches Resümee? 

Es war vom ersten Tag an ein Highspeed-Job. Manchmal ein wilder Ritt. In der heutigen, säkularisierten Öffentlichkeit konservative katholische Positionen zu vertreten ist ein echter Challange. Es gibt viel Gegenwind. Aber ich mag das. Ich möchte keinen Tag missen.

Wie war der Bischof im persönlichen Umgang?

Ein freundlicher, frommer Mensch. Passt gar nicht ins Bild des fanatischen Finsterlings, das viele von ihm zeichnen. Sein Auftrag an die Kommunikation: klare, katholische Positionen in der Öffentlichkeit. Das ist sicher ein Grund, warum er angefeindet wurde. Er ist sehr traditionsverbunden, und viele wollen das heute nicht mehr, wollen mehrheitsfähig sein, auch in der Kirche.

Welche Highlights bleiben Ihnen aus der gemeinsamen Zeit mit Bischof Vitus Huonder besonders in Erinnerung?

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Es waren zehn intensive Jahre mit vielen Höhepunkten, auch viel Krisenkommunikation. Eine schöne Erinnerung: 2017 hatte der Bischof an einem Anlass mit der Deutschen Publizistin Birgit Kelle die Idee, sie könne doch einen Hirtenbrief für die Diözese schreiben, im eigenen Namen. Birgit Kelle hat sofort zugesagt, und ich sorgte dafür, dass es in den Medien kam, bis auf die Titelseite der grössten Schweizer Boulevardzeitung – mit Kelles Foto als erste Frau, die ein katholisches Hirtenwort verfasst.

Oder: 2015 wurde Generalvikar Grichting in eine bekannte TV-Satireshow eingeladen. Er hatte im Vorfeld der Sendung in mir einen Sparringpartner. Und er hat zweifellos selber satirisches Talent. So kam er dann - gegen die Erwartung der Redaktion - nicht ernst und konservativ daher, sondern witzig, mit coolen Antworten. Es war herrlich! Der Generalvikar hatte die Lacher auf seiner Seite, im Staatsfernsehen.

Nachdem Papst Franziskus 2019 den Rücktritt Huonders angenommen hatte, wurde für die Übergangszeit Pierre Bürcher eingesetzt. In dessen Amtszeit fiel auch der Streit um die Absetzung des früheren Bischofsvertreters Martin Kopp und die Debatte um den mittlerweile emeritierten Weihbischof Marian Eleganti. Wie blicken Sie auf diese Interimszeit zurück?

Bischof Peter ist ein wunderbarer Mensch, ein toller Bischof. Es war mir eine Ehre, ihm in dieser nicht einfachen Zeit des Übergangs zur Seite zu stehen und dem Bistum zu helfen.

Mit Joseph Bonnemain wird am 19. März 2021 ein neuer Bischof für Chur geweiht und eingesetzt. Bonnemain sorgt schon jetzt für Schlagzeilen, unter anderem durch seine Zugehörigkeit bei der Personalprälatur des Opus Dei oder damit, dass er beispielsweise auf ein Bischofswappen verzichtet. Was können die Gläubigen von ihrer neuen Bistumsleitung erwarten?

Der neue Bischof sagte in seinem ersten Grußwort, die Kirche solle nicht auf die eigene Institution fokussieren, sondern auf die Menschen draußen in der Gesellschaft, die jenseits kirchenpolitischer Debatten ihre Sorgen und Hoffnungen haben. Man kann nur wünschen, dass dem Bischof dieser Fokus gelingt.

Was sind aktuell die größten Baustellen im Bistum Chur?

Leider geht es, wie in vielen Diözesen, heute mehrheitlich um Probleme der Institution. Streitigkeiten bezüglich Ämter und Strukturen. Ein institutioneller Narzissmus, wenn Sie so wollen. Das Beste, was passieren könnte: Die Kirche schweigt 200 Jahre lang in den Medien über ihre Strukturen, Ämter oder das Bodenpersonal. Einzig die Kerngehalte des Glaubens wären noch Thema. Aber das ist natürlich Wunschdenken.

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Die Katholische Kirche in der Schweiz steckt ähnlich wie die Kirche in anderen westeuropäischen Ländern momentan in einer Krise (lesen Sie hier eine Analyse der Situation der Katholischen Kirche in der Schweiz). Besonders die Erosion des Glaubens wird immer sichtbarer, gleichzeitig gibt es immer noch Gruppen, die lautstark nach Veränderungen in der Lehre und in der Kirchenstruktur rufen. Wie sieht die Zukunft der Katholischen Kirche in der Schweiz aus?

Ich fürchte, der Richtungsstreit in der Kirche ganz allgemein wird weitergehen, auch in Rom. Die progressive Seite denkt: "Wir stärken die Liebe und verbessern die Gesellschaft, wenn wir das Evangelium und die Lehre der Kirche vom Standpunkt der Gegenwartskultur her in Frage stellen". Die traditionsverbundene Seite denkt: "Wir stärken die Liebe und verbessern die Gesellschaft, wenn wir die Gegenwartskultur in Frage stellen, vom Standpunkt des Evangeliums und der Lehre der Kirche aus". Zwischen diesen beiden Sichtweisen liegen Welten!

Sie selbst haben nun viele Jahre lang als Mediensprecher des Bistums gearbeitet. Wie wird es für Sie weitergehen?

Ich habe große Lust auf neue Herausforderungen, in der Kommunikation, in der Medienberatung. Aber ich lasse mir Zeit, das Richtige zu finden.

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