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Gott ist immer größer

Benedikt XVI. an seinem letzten Osterfest als Papst im Jahr 2012.

Wer im 20. Jahrhundert theologisch großgeworden ist – und vielleicht auch die Freude hatte, sich mit den exegetischen Deutungsmodellen jener Zeit vertraut zu machen –, der kennt den folgenreichen Ansatz von Rudolf Bultmann über die Entmythologisierung des Neuen Testaments. Was positivistisch und wissenschaftsgläubig auftritt, erweist sich näher besehen als eine Zugangsweise, die vor allem existenzphilosophisch konturiert ist. Nicht aber den philosophischen Verstrickungen Bultmanns gilt es nunmehr nachzugehen, sondern mit Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. daran zu erinnern, dass der christliche Glaube, dass die Evangelien Zeugnisse der Aufklärung sind.

Nun mögen in der weiten Geschichte des Christentums zwar auch gelegentlich manch frömmlerisch auftretende Kuriositäten von Kirche und Theologie beherbergt oder sogar aufgebracht worden sein, nicht aber in der Frohen Botschaft selbst. In dem Band über die Kindheitsgeschichten in seiner Jesus-Trilogie zeigt Benedikt XVI. unter Berufung auf den Kirchenvater Gregor von Nazianz, "dass in dem Augenblick, in dem die Magier Jesus anbeteten, das Ende der Astrologie gekommen sei, da die Sterne jetzt die von Christus bestimmte Bahn liefen" (Joseph Ratzinger – Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Prolog: Die Kindheitsgeschichten. Freiburg 2012, 109). Bei vielen Denkern der griechischen Philosophie sehen wir eine tiefe Verehrung des Kosmos. In Mysterienkulten tragen die Gestirne den Namen heidnischer Gottheiten. Platon und die Pythagoreer sinnieren über eine Harmonie der Sphären. Erweist es sich nicht geradezu als eine Paradoxie, dass die als so überaus vernünftig geltende hellenische Welt, deren Philosophie mancherorts nahezu kultisch bis heute verehrt wird, einerseits von der Vernunft sprach, andererseits aber fest eingewoben war in eine mythologische Weltsicht?

Benedikt schreibt, dass der Mensch in der Antike irgendwie habe versuchen müssen, sich mit diesen planetarischen Gottheiten zu arrangieren. Mit der Bibel beginnt die theologische Aufklärung, von Anfang an: "Der Glaube an den einen Gott … hat hier schon früh eine Entmythologisierung vollzogen, wenn der Schöpfungsbericht in großartiger Nüchternheit Sonne und Mond – die großen Gottheiten der heidnischen Welt – als Lampen bezeichnet, die Gott zusammen mit der ganzen Sternenwelt am Himmel aufgehängt hat." (ebd., 109 f.) Zu allen Zeiten des Christentums sind immer wieder dann nicht nur Astrologen, sondern auch wortmächtige säkulare Prediger, Künder von Ideologien und Unheilspropheten aufgetreten. Manche davon haben sich der Bibel bedient, als ob sie ein Steinbruch wäre und staffierten ihre dämonischen Fantasien aus mit Zitaten aus den Heiligen Schriften. Beschwörer aller möglichen Geister sind aufgetreten. Manche davon nannten und nennen sich Aufklärer. Welchem Stern aber folgen sie?  

Benedikt XVI. weist darauf hin, dass der christliche Glaube sich bei seinem "Eintreten in die Welt" wieder mit der "Frage der Gestirn-Gottheiten auseinandersetzen" musste. Paulus habe nachdrücklich betont, "dass der auferstandene Christus die Mächte und Gewalten in den Lüften besiegt hat und über das ganze All herrscht". Hierzu gehöre auch die Geschichte des Sterns von Bethlehem: "Nicht der Stern bestimmt das Schicksal des Kindes, sondern das Kind lenkt den Stern. … Der von Gott angenommene Mensch, so zeigt sich hier an seinem eingeborenen Sohn, ist größer als alle Mächte der materiellen Welt und mehr als das ganze All." (ebd., 110). Ja, Gott ist immer größer. Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. zeigt in seiner Jesus-Trilogie den inneren Zusammenhang von Vernunft und Glaube. Damit ist es auch unvernünftig, den christlichen Glauben und die Evangelien positivistisch oder philosophisch reinigen und entmythologisieren zu wollen. Einsicht gewinnen wir von Gott her, im Licht der Frohen Botschaft, mit der wir die Zeichen der Zeit deuten sollen. Das Evangelium Jesu Christi diente der Entzauberung der antiken Mythen. Wer sich in die Nachfolge des Herrn begibt, folgt dem Licht, das die Welt erleuchtet – gestern, heute und morgen. Wir können uns also die Pilgergemeinschaft der Kirche auch als theologische Aufklärungsbewegung vorstellen.

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