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"Ich gehe auf die Bühne mit dem Anspruch, selbst nicht involviert zu sein"

Betrachtet man die Situation der Kirche mit einer gewissen Distanz, wird sich unweigerlich der Eindruck einstellen, dass sie sich seit geraumer Zeit in einer Selbstfindungskrise befindet. In einer Gesellschaft, die alte Rollenvorstellungen aufgebrochen und sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal gewandelt hat, ringt die Kirche um ihre öffentliche Daseinsberechtigung. Ihre Kernbotschaft ist unpopulär und unbequem. Wie also sich Gehör verschaffen in einer hedonistischen Gesellschaft?

Seitens der Bischöfe häufen sich Wortmeldungen zu Politik und Umwelt. Man will wahrgenommen werden als eine Größe, die die Gesellschaft in die richtige Richtung lenkt und deshalb wichtig ist. Doch ist Jesus Christus am Kreuz gestorben um uns vor der AfD zu retten oder den Klimawandel zu verhindern? Diese Themen scheinen bei NGOs besser aufgehoben.

Gott oder nichts

Das eigentliche Problem ist ein anderes. Etwas, das alle Religionen gemeinsam haben, ist die Verehrung des wie auch immer gearteten Göttlichen. Versucht eine Religion sich davon zu verabschieden, macht sie sich überflüssig. Es geht ihr darum den Blick aufzurichten und zu erheben - weg von den täglichen, irdischen Problemen, hinauf zu dem, der unsere Heimat ist.

Das katholische Christentum ist eine praktische Vernunftreligion, deren Herzstück in der Niederkunft Gottes in der Liturgie der Hl. Messe liegt. Mit ihr steht und fällt alles. Sie ist ein theatrum sacrum - ein heiliges Theater - das durchaus als heiliges Kunstwerk verstanden werden will. In einer Zeit, da die Anthropozentrik immer mehr Einzug in die Liturgie hält, lohnt es sich erneut über das Wesen des heiligen Kultes nachzudenken.

Demut und Schönheit

Unlängst erschien ein Interview mit dem großartigen Bariton Christian Gerhaher, dessen Blick auf die Kunst von einer lehrreichen Tiefe und Demut geprägt ist. Er sagt:

"Ich gehe auf die Bühne mit dem Anspruch selbst nicht involviert zu sein, meine Persönlichkeit, meine Historie, meine Einstellung zu einem gewissen Stück nicht zu vermitteln. Was ich aber gerne und sehr häufig mache ist, dass ich versuche die Stücke neu zu verstehen und neues zu gewinnen."

Er warnt vor der Gefahr, "dass man die Stücke, die so großartig sind, die eine derartige Tiefe haben und eine derartige Vielfalt in der Ergründbarkeit, nicht vergewaltigt, ihnen nichts Einschränkendes antut, dadurch dass man mit seiner eigenen Plattheit eine Art der Interpretation versucht, die keine ist, sondern eigentlich nur eine Verunstaltung und Verkleinerung des dargebotenen Werkes darstellt."

"Es ist für einen selbst nicht gut, wenn man zu sehr auf seine eigene Geschichte, auf sein eigenes Erlebthaben auf der Bühne rekurriert. Und vor allem ist es auch eine ziemliche Belästigung des Publikums, die möchten doch auch nicht die Historie eines Sängers ergründen, das ist doch total öde und langweilig, sondern sie möchten ein Stück kennenlernen. Das Stück ist etwas, was so phantastisch ist."

Participatio actuosa oder participatio activa?

Diese Aussagen lassen sich erstaunlich gut analog auf die Liturgie - das phantastische Stück - anwenden. Die aktive Teilnahme an der Liturgie soll zu einer tieferen Innerlichkeit führen. Zuweilen gewinnt man den Eindruck, dass die Begrifflichkeit der participatio actuosa, die das zweite Vatikanische Konzil betont hat, im Sinne eines äußeren Aktionismus, einer participatio activa, verstanden wird. Doch das "Stück" der heiligen Liturgie ist von sich aus schön. Dem braucht man keine Improvisation hinzuzufügen. Aus der Wiederholbarkeit heraus lässt sich seine Tiefe ergründen. Natürlich muss man es ergründen, um in seine Schönheit eintauchen zu können, aber Improvisationen können es nicht bereichern, weil Improvisationen in ihrer Spontaneität nicht die Tiefe erreichen können, die ein über 2000 Jahre hinweg gewachsenes Werk entfaltet hat. Es droht die Gefahr der Banalisierung und - mit den Worten Gerhahers - der Verunstaltung und Verkleinerung.

Der Eifer des einzelnen sei in keiner Weise verkannt. Doch geht man einen Schritt zurück, wird man sehen, dass sich Liturgie nicht um den Menschen dreht, sondern auf Gott hin ausgerichtet ist. Die orthodoxe Tradition hegt den Gedanken, dass sich die Kirche in der Liturgie für ein paar Stunden in die himmlische Liturgie einklinkt. Man nimmt in dieser Zeit am himmlischen Lobpreis Gottes teil. Das erste und höchste Ziel der Liturgie liegt im Lobpreis Gottes. Selbst die Schriftlesungen, in denen Gott durch sein eigenes Wort gepriesen wird. Schaut der Mensch in der Liturgie auf sich, wird sie banal und – auch hier sei Gerhaher zitiert - eine Belästigung für den, der um ihr eigentliches Wesen weiß: für den, der nicht sich selbst, sondern Gott begegnen will.

Wahrgenommen werden in dieser Zeit

Der ewige Fortschritt ist eine Illusion. Die Menschheit ändert sich nicht wesentlich und die Botschaft der Kirche ist zeitlos. Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe sind zu jeder Zeit verständlich. Ebenso das "kehre um und bessere Dich". Mehr noch: der Mensch von heute sucht danach und findet es nicht in einer Kirche, die meint ihr Repertoire anpassen zu müssen.

Wittgenstein sagt: "Die Form des erwachenden Geistes ist die Verehrung." Im staunenden Kniefall findet der Mensch seine Freiheit. Die Kirche hat dafür ein Stück geschrieben: die Hl. Messe. Erst durch die Demut kann die Schönheit durch sie hindurchscheinen, die den Menschen so ergreift. Schönheit zieht an, ganz gleich zu welcher Epoche. Kirche als humanistische Umwelt-NGO nicht.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Hören wir also auf, über Themen zu reden, die wir nicht ändern können und wollen. Verschwenden wir unsere Zeit nicht länger mit religiösen Nebenschauplätzen und Scheindebatten. Richten wir unsern Blick auf das Eigentliche. Schauen wir auf das Zentrum unseres gelebten Glaubens - den Vollzug in der Liturgie - und entdecken seine Schönheit neu. Schauen wir auf von unseren profanen Problemen und erheben den Blick, hinauf zum Mysterium, dem wir in der Eucharistie real begegnen: der Quelle der Schönheit, der Schönheit gebührt. 

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