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Die synodale Abwendung vom Zweiten Vatikanischen Konzil

Papst Johannes XXIII

Das deutsche Synodalpräsidium meldet sich immer wieder mit Statements zu Wort – dieses Mal zum 60. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Bischof Georg Bätzing tut dies in markanter Unbestimmtheit: „Wir schauen heute dankbar auf den Tag zurück, als Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil eröffnete. Es war seine prophetische Kraft, die damaligen ‚Zeichen der Zeit‘ zu erkennen und beherzt anzugehen. Johannes XXIII. tat dies ohne Angst, mit einer gehörigen Portion Gottvertrauen und innerlich überzeugt davon, dass die Kirche nur dann lebendig sein kann, wenn sie ihre Botschaft in der jeweiligen Zeit lebt.“

Der heilige Johannes XXIII. war ein treuer Diener seines Herrn, aber diese hochgemut tönenden Worte hätte er mit italienischem Mutterwitz korrigiert. Prophetische Kraft? Er hätte sich auch dagegen verwahrt, dass er selbst als Papst die „Zeichen der Zeit“ erkannt hätte und diese „beherzt“ angegangen wäre. Was immer das im Übrigens heißen mag. Wir dürfen sicher sein, dass er betont hätte, es gelte – damals wie heute – in der Gemeinschaft der Kirche des Herrn die „Zeichen der Zeit“ im Lichte des Evangeliums zu deuten und nicht subjektiv „zu erkennen“ und dann irgendwie „beherzt“ anzugehen.

Was hat Johannes XXIII. in der Ansprache „Gaudet mater ecclesia“ am 11. Oktober 1962 wirklich gesagt? Einige Gedanken daraus seien genannt: „Die Hauptaufgabe des Konzils liegt darin, das heilige Überlieferungsgut (depositum) der christlichen Lehre mit wirksameren Methoden zu bewahren und zu erklären.“ Der erste Auftrag ist also nicht eine Veränderung der Lehre, sondern Evangelisierung. Wollten die Vordenker des deutschen Synodalen Weges etwas davon wissen, dann hätten sie – dem Wunsch von Papst Franziskus folgend – dem Thema Verkündigung Priorität eingeräumt. So wurde die dringend erforderliche Neuevangelisierung, ungeachtet der Vorschläge von Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer, vollständig ignoriert. Stattdessen wurde eine konzilswidrige Agenda aus dem Geist der deutschen Kirchenpolitik entwickelt und diskutiert.

Johannes XXIII. legt weiter dar, welchen Stellenwert die christliche Lehre hat: „Diese Lehre umfaßt den ganzen Menschen, der aus Leib und Geist besteht, und sie heißt uns, die wir diese Erde bewohnen, als Pilger unserem himmlischen Vater entgegenzugehen. Das zeigt auch, warum dieses sterbliche Leben so zu führen ist, daß wir unsere Pflichten gegenüber dem irdischen wie gegenüber dem himmlischen Reich erfüllen müssen, um das uns von Gott gewiesene Ziel erreichen zu können. Das heißt, alle Menschen, die Einzelnen wie die zur Gesellschaft vereinten, haben die Pflicht, ohne Unterlaß nach den himmlischen Gütern zu streben, solange dieses Leben währt, und die irdischen Güter nur für diesen Zweck zu gebrauchen, so daß ihr zeitlicher Nutzen den Menschen nicht an ihrer himmlischen Seligkeit Schaden zufügt.“

Stattdessen wird auf dem deutschen Synodalen Weg das christliche Menschenbild umgedeutet, eine Anpassung der Morallehre an gegenwärtig vorherrschende Meinungen gefordert und die Öffnung des Weiheamtes für alle verlangt. Die Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte, damit selbstverständlich auch die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, wird hierzulande eher für einen traditionalistischen Irrtum gehalten als für ein kostbares, zu schützendes Gut.

Johannes XXIII. spricht eindeutig über Irrtümer – und ruft dazu auf, die Lehre der Kirche zu schützen und positiv zu verkünden, nicht etwa sich von ihr abzukehren oder sie neu zu erfinden: „Die Kirche hat diesen Irrtümern zu allen Zeiten widerstanden, oft hat sie sie auch verurteilt, manchmal mit großer Strenge. Heute dagegen möchte die Braut Christi lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffe der Strenge erheben. Sie glaubt, es sei den heutigen Notwendigkeiten angemessener, die Kraft ihrer Lehre ausgiebig zu erklären, als zu verurteilen. Das bedeutet nicht, daß es keine falschen Lehren und keine gefährlichen Meinungen gebe, die man vermeiden und zerstreuen muß.“

Bischof Bätzing aber sagt: „Das Konzil ist auch prägend für unseren Weg der Umkehr und Erneuerung mit dem Synodalen Weg.“ Nur warum merkt niemand etwas davon? Wahrscheinlich begreifen viele einfach gläubige Katholiken – in Deutschland und in Rom – die vom deutschen Synodalen Weg empfohlene „Umkehr und Erneuerung“ als neuen Ausdruck eines antirömischen Affekts. Bätzing fährt fort: „Wir wollen von der Hoffnung Zeugnis ablegen, die uns trägt, und die frohmachende Botschaft Jesu in unsere Zeit übersetzen. Kirche ist nicht abgeschottet hinter Mauern, sie lebt und wirkt in unserer Gesellschaft. Bei allen Krisen, die wir derzeit auch innerkirchlich erleben, dürfen wir hinter dieses Ziel nicht zurück: Kirche ist für die Menschen da. Es geht darum, eine menschendienliche Kirche in der Nachfolge Jesu Christi zu sein …“

Christus ist das Licht der Völker. Es gilt darum nicht, eine „menschendienliche Kirche“ zu entwickeln, sondern immer mehr sich auf Christus auszurichten, von ihm her und auf ihn hin zu leben, sodass die Gläubigen und Suchenden heute bestärkt und ermutigt werden, immer christusförmiger zu leben. Die Kirche ist die Stiftung Jesu Christi. Der Herr selbst ist der Maßstab jeder Erneuerung.

Auch die ZdK-Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp hat sich über das Konzil geäußert und die deutschkatholische kirchenpolitische Agenda plakativ und dezidiert säkular orientiert formuliert: „Man kann nicht darauf verzichten, die Kirche zukunftsfähig zu machen. Die Welt dreht sich weiter, und eine Kirche, die das nicht spürt, kommt nicht mehr mit. Heute ist die Gleichberechtigung von Frauen, ist die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt in der Gesellschaft und das Verlangen nach Macht- und Gewaltenteilung bei Entscheidungsprozessen in der Kirche drängend. Wenn die Kirche sich an diesen Punkten nicht verändert, wird sie immer mehr Mitglieder verlieren. Sie wird sich – mindestens in Europa – aber auch gesellschaftlich marginalisieren. Dabei möchte ich nicht einfach zusehen. … Ich hoffe auf Veränderung, auf offene Ohren und Herzen. Mit einer Blockadehaltung kommt die Kirche nicht weiter. Die Zeit drängt.“

Einfach gläubige Katholiken werden diese politischen Statements richtig einzuschätzen wissen und sich lieber an die wegweisenden, hellsichtigen Worte von Johannes XXIII. vom 11. Oktober 1962 erinnern: „So bietet die Kirche den modernen Menschen keine vergänglichen Reichtümer und auch kein irdisches Glück. Sie schenkt ihnen vielmehr die Gaben der göttlichen Gnade, die den Menschen zur Würde der Gotteskindschaft erheben und die zur wirksamen Bewahrung und Förderung des menschlichen Lebens dienen. Sie öffnet ihnen die lebendigen Quellen ihrer Lehre, die die Menschen mit dem Lichte Christi erleuchten, so daß sie erkennen können, was sie in Wahrheit sind, welche Würde ihnen zukommt und welchem Ziel sie nachzustreben haben.“

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