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Die Ideologie der Beliebigkeit

Blick auf den Petersdom im Vatikan

In der Instruktion „Donum veritatis“ werden 1990 von der Glaubenskongregation die schwerwiegenden Folgen eines Dissenses zwischen Theologen und dem Lehramt der Kirche benannt. Kardinalpräfekt Joseph Ratzinger spricht von „Haltungen systematischer Opposition“ gegen die „Gemeinschaft der Kirche“. Er nennt als Beispiel die „Ideologie des philosophischen Liberalismus“, die sich besonders auf dem Gebiet der Morallehre zeigt – wir sehen dies beispielhaft heute an zahlreichen Dokumenten, die auf dem deutschen Synodalen Weg entstanden sind und im Gegensatz zur Lehre der Kirche stehen. Ratzinger charakterisiert diese „Ideologie“ der postmodernen Beliebigkeit: „Von ihr her kommt die Tendenz zu meinen, ein Urteil sei umso authentischer, je mehr es vom Individuum und dessen eigenen Kräften ausgeht. So stellt man die Freiheit des Denkens der Autorität und der Tradition als Ursache der Knechtschaft gegenüber. Eine überlieferte und allgemein angenommene Lehre wird von vornherein verdächtigt und ihr Wahrheitswert bestritten. Am Ende gilt die so verstandene Freiheit des Urteils mehr als die Wahrheit selber. Es geht also um etwas ganz anderes als um die berechtigte Forderung nach Freiheit im Sinn des Fehlens von Zwang als Vorbedingung für ein loyales Suchen nach der Wahrheit.“ Er benennt das Phänomen einer „künstlich gesteuerten öffentlichen Meinung“, die zu Konformität drängt: „Oft drohen die von den Massenmedien verbreiteten sozialen Modelle zu einem normgebenden Wert zu werden, und es verbreitet sich die Meinung, die Kirche dürfte sich nur zu Problemen äußern, die die öffentliche Meinung für wichtig hält, und dann in einer Weise, die dieser gefällt. Das Lehramt könne sich z. B. mit wirtschaftlichen und sozialen Fragen befassen, solle aber alles, was Ehe- und Familienmoral betrifft, dem Urteil des einzelnen überlassen.“ Die „radikalste Ausprägung“ bestehe darin, dass gefordert werde – wie auf dem deutschen Synodalen Weg –, dass die Kirche sich verändern und „dabei einem Modell des Protestes folgen“ solle, „wie es in der politischen Gesellschaft verwendet wird“: „Häufiger wird die Meinung vertreten, der Theologe sei nur dem unfehlbaren Lehramt zu folgen gehalten, während nach Art eines gewissen theologischen Positivismus die ohne Inanspruchnahme des Charismas der Unfehlbarkeit vorgelegten Lehren keinerlei verpflichtenden Charakter hätten, wobei dem einzelnen volle Freiheit gelassen würde, ihnen anzuhängen oder nicht. So sei der Theologe völlig frei, nicht unfehlbare Lehren des Magisteriums, zumal bei Einzelnormen der Moral in Zweifel zu ziehen oder abzulehnen, und durch eine derartige kritische Opposition könne er sogar zum Fortschritt der Lehre beitragen.“ Behauptet wird auch ein paralleles Lehramt der Theologie, das einen „großen geistlichen Schaden stiften“ könne, „wenn es sich dem Lehramt der Hirten widersetzt“: „Gelingt es dem Dissens nämlich, seinen Einfluß bis in die öffentliche Meinung hinein auszudehnen, um zur Regel für das Handeln zu werden, kann das dem Volk Gottes nur schweren Schaden zufügen und zur Mißachtung der wirklichen Autorität führen. Der Dissens zieht ferner zuweilen eine soziologische Argumentation heran, nach der die Meinung einer großen Zahl von Christen direkter und angemessener Ausdruck des „übernatürlichen Glaubenssinns“ wäre.“ Die Meinung der Gläubigen könne nicht mit dem „sensus fidei“ gleichgesetzt werden, der persönliche Glaube sei zugleich der „Glaube der Kirche, denn Gott hat der Kirche die Hut des Wortes anvertraut, und was deswegen der Gläubige glaubt, ist das, was die Kirche glaubt“. Ratzinger stellt fest: „Die Äußerungen des Lehramtes wollen die Einheit der Kirche in der Wahrheit des Herrn sicherstellen. Sie helfen zum „Bleiben in der Wahrheit“ angesichts des Willkürcharakters von wandelbaren Meinungen und sind Ausdruck des Gehorsams gegenüber dem Wort Gottes. Auch wenn es den Anschein haben kann, daß sie die Freiheit der Theologen beeinträchtigten, so richten sie durch die Treue zum überlieferten Glauben eine tiefer reichende Freiheit auf, die nur von der Einheit in der Wahrheit herkommen kann.“ Gerade mit Blick auf Moraltheologen, die sich heute schneidig und offensiv von der Lehre der Kirche absetzen, lässt sich eine Entfremdung von der Kirche des Herrn und vom Evangelium Jesu Christi feststellen: „Kraft des göttlichen Auftrags, der ihm in der Kirche gegeben ist, besteht die Sendung des Lehramtes in der Unterweisung des Evangeliums, im Wachen über seine Integrität und dadurch im Schutz des Glaubens des Volkes Gottes. Es kann sich zuweilen veranlaßt sehen, dies durch Ergreifen beschwerlicher Maßnahmen zu tun, wenn es z.B. einem Theologen, der sich von der Lehre des Glaubens entfernt, die ihm anvertraute „missio canonica“ oder den Lehrauftrag entzieht, oder auch von Schriften erklärt, sie stünden mit dieser Lehre nicht in Übereinstimmung. Wenn es so vorgeht, handelt es in Treue zu seiner Sendung, denn es schützt die Rechte des Volkes Gottes auf den Empfang der Botschaft der Kirche in ihrer Reinheit und Unverkürztheit, damit es also nicht von einer gefährlichen Sondermeinung verwirrt wird.“

Diese „Sondermeinungen“ kursieren in der deutschen Theologie dieser Zeit und werden tragischerweise auch von nicht wenigen Trägern des Weiheamtes unterstützt. Die Kirche hat, um das Gut des Glaubens zu schützen, den Auftrag, diesen Falschlehren, die im Widerspruch zum Evangelium Jesu Christi, zur Lehre der Kirche und insbesondere auch zum Zweiten Vatikanischen Konzils stehen, begründet zu widersprechen und entsprechend zu handeln.

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