23 Juli, 2018 / 2:00 PM
"Komm, ich zeig dir wie schön Teilen ist!", sagt die Große zur Mittleren. Diese antwortet: "Lieber nicht, dann bin ich immer so traurig!"
Während dieser Konversation saßen die beiden am Maltisch und hatten vorher lang und breit darüber diskutiert, wer wann welchen Stift nutzen darf, wie lange damit gemalt werden darf und die Große stellte in Frage, ob ihre kleine Schwester diesen Stift überhaupt brauche, weil sie ja eh noch nicht so schön malen könne.
Ich stand in der offenen Wohnküche am Herd und hörte amüsiert zu. Schließlich kramte die Große dann aus ihrem tiefsten Innern das vernünftige Vorschulkind hervor und wollte ihrer kleinen Schwester das Prinzip Teilen beibringen. Natürlich nicht ganz uneigennützig, aber die kleine Schwester hatte ja sowieso ihre Einwände.
Wie verhält sich das denn mit dem Teilen? Die angeblich beste Geschichte dazu ist, das Buch vom Regenbogenfisch. Keiner will mit ihm spielen, weil er seine glitzernden Schuppen nicht teilen möchte. Erst als er nur noch Eine für sich behält und alle anderen an alle Meeresbewohner verschenkt hat, hat er Spielkameraden. Ich halte diese Geschichte, mit der sozialistisch geprägten Handlung, für alles andere als ein Paradebeispiel für Teilen. Ich muss mir durch Teilen weder die Freundschaft anderer erkaufen, noch muss ich Teilen, damit alle gleich viel besitzen, erst recht nicht, wenn mir Dinge gehören weil ich sie nun mal habe. Wenn ich gerne Locken hätte, sie aber nun mal nicht habe, muss mir meine Freundin nicht aus ihrem Lockenhaaren eine Perücke machen, nur damit ich auch Locken haben kann. Völliger Quatsch!
Oft erlebe ich prekäre Situationen rund ums Thema Teilen auf dem Spielplatz. Jeder bringt Sandspielzeug mit und alle wollen mit allem spielen. Muss ich meine Förmchen mit jedem teilen? Muss der andere mir dafür auch von seinen Förmchen abgeben? Funktioniert teilen nur als Tauschhandel oder kann ich auch einfach so teilen ohne etwas als Gegenleistung zu erwarten?
Schwierig…ich mag ja auch nicht unbedingt meine Sachen mit fremden Leuten teilen, da kann ich meine Kinder verstehen, wenn sie auch nicht jedem Kind auf dem Spielplatz von ihren Sachen abgeben wollen. Dennoch erwarte ich eine gewisse Kompromissbereitschaft. Brauche ich wirklich alle Förmchen gleichzeitig, oder kann ich mich vielleicht mit dem anderen Kind abwechseln. Kann ich vielleicht Bedingungen mit dem anderen Kind aushandeln "Lauf nicht zu weit weg mit meinen Förmchen!" oder "Geh sorgsam mit ihnen um!", damit ich sicher sein kann, dass ihnen nichts geschieht.
Ich denke, dass Teilen nicht mit Zwang oder Drohungen einher gehen sollte, sondern dass dem ein gewisser Lern- und Reifeprozess zu Grunde liegt. Die Große hat Recht, Teilen kann sehr schön sein, aber die andere Tochter kann ich auch gut verstehen, wenn sie nicht gerne teilt, weil sie spürt, dass ihr das schwer fällt und sie dann traurig ist.
Die Große setzt auch schon alle Mittel der Verhandlungen aus dem Kindergarten ein "Wenn du mir davon nichts abgibst, bist du nicht mehr meine Schwester!" "Wenn du nicht teilst, gebe ich dir auch nie mehr was von meinen Sachen ab!" "Wenn ich davon nichts haben darf, spiele ich nie wieder mit dir!"
Harte Bandagen, die ziehen. Die Schwester gibt nach und lässt sich auf irgendeinen Kuhhandel ein. Richtiges Teilen ist das alles noch nicht.
Teilen setzt ein hohes Maß an Empathie von beiden Seiten voraus, Sympathie und Zufriedenheit. Wer zufrieden ist gibt gerne.
Meine Lieblingsgeschichte zum Thema Teilen ist die meiner Namenspatronin der Elisabeth von Thüringen. Sie hat den Armen gegeben und das geteilt was sie hatte. "Wenn das Brot, dass wir teilen als Rose blüht" ist das passende Lied dazu, von dem ich auch meinen Töchtern erzählt habe.
Teilen kann einem doppeltes Glück bescheren. Die Freude über den eigenen Besitz und die geteilte Freude darüber und das Lächeln des anderen.
Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick.
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