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"Hintergrundfolie der vatikanischen Außenpolitik ist die katholische Soziallehre"

Prof. Dr. Dr. Jörg Ernesti

In seinem jüngsten Buch "Friedensmacht" befasst sich Prof. Dr. Dr. Jörg Ernesti, der Augsburger Lehrstuhlinhaber für Mittlere und Neue Kirchengeschichte, mit der vatikanischen Außenpolitik. CNA Deutsch hat zu einigen Punkten nachgehakt.

Sie haben sich vor "Friedensmacht" intensiv mit mehreren außenpolitisch interessanten Päpsten beschäftigt und entsprechende Biografien veröffentlicht. Hat Sie bei den Recherchen für das jüngste Buch noch etwas überrascht?

Was mich überrascht hat, ist die starke Kontinuität der päpstlichen Außenpolitik in den letzten 150 Jahren. Ich erkenne da keine größeren Brüche, sondern eine nahtlose Weiterentwicklung. Selbst solche charismatischen Persönlichkeiten wie Johannes Paul II. und Franziskus stellen sich in eine Traditionslinie, indem sie das fortschreiben, was unter Leo XIII. und Benedikt XV. begonnen, unter den Pius-Päpsten, Johannes XXIII. und Paul VI. fortgesetzt worden ist.

Im Buch wird immer wieder die Päpstliche Diplomatenakademie erwähnt. Wer studiert dort, und was steht auf dem Lehrplan?

In der Päpstlichen Diplomatenakademie, die 1701 als Accademia dei Nobili Ecclesiastici gegründet wurde, werden die zukünftigen diplomatischen Vertreter des Heiligen Stuhls ausgebildet. Normalerweise handelt es sich um Diözesanpriester, die von ihrem Bischof freigestellt werden. Als angehender Diplomat muss man die großen europäischen Sprachen erlernen, man muss das weltliche und kirchliche Recht beherrschen und gute Kenntnisse in der Kirchengeschichte haben. Das Gebäude befindet sich übrigens direkt hinter dem Pantheon.

Ist ein Diplomat wie Pius XII. besser für die Kirche als ein Theologe wie Benedikt XVI.? Oder gar jemand wie Papst Franziskus, der sich weder im einen noch im anderen Bereich profiliert hat?

Ich denke, in den letzten 150 Jahren hat sich ein politisch-diplomatischer Stil herausgebildet, in den sich jeder Papst gut einfügen kann, ohne selbst diplomatisch ausgebildet worden zu sein. Pius XII. wirft man ja vor, "zu diplomatisch" gewesen zu sein und die Gräuel der Nazis nicht offen verurteilt zu haben. In der Zeit Benedikt XVI. ist es zu mehreren diplomatischen Krisen gekommen, die ich aber eher Kardinal Bertone, seinem Staatssekretär, in Rechnung stelle. Papst Franziskus sollte man nicht unterschätzen, auch in außerpolitischer Hinsicht …

Wie kann gerade die Theologie zur vatikanischen Diplomatie beitragen? Die Tatsache, dass Kriege zu vermeiden sind, ist ja ein Allgemeinplatz – im Prinzip ist sich die ganze Welt darin einig.

Die Hintergrundfolie der vatikanischen Außenpolitik ist die katholische Soziallehre. Sie hat sich seit Leo XIII. ständig weiterentwickelt. Die Kirche musste ihren Frieden mit der Menschenrechtstradition seit der Französischen Revolution machen. Auch die Friedensethik hat sich im 20. Jahrhundert entwickelt, grob gesagt: Man hat die Lehre vom gerechten Krieg reformuliert als Lehre vom gerechten Frieden.

Papst Franziskus hat mit China ein Abkommen geschlossen, das weitgehend geheim ist, wonach aber die kommunistische Regierung bei der Ernennung von Bischöfen mitwirkt. Wie schätzen Sie das ein?

Ich sehe dieses Abkommen parallel zur vatikanischen Ostpolitik seit den 60er-Jahren. Sicher hat die vatikanische Seite nicht das erreicht, was sie sich bei Abschluss des Abkommens erhofft hatte. Die romtreuen Katholiken sind immer noch Repressalien ausgesetzt. Solange der Vatikan an den diplomatischen Beziehungen mit Taiwan festhält, kann es keine tragfähige Einigung mit Peking geben. Das wissen alle Beteiligten.

Welche Rolle spielen geheime Abkommen und anderweitig nicht öffentliche Maßnahmen in der päpstlichen Diplomatie?

Geheime Abkommen wie dasjenige mit China sind heute eher die Ausnahme. Der Heilige Stuhl ist wichtigen internationalen Verträgen und Konventionen beigetreten, zum Beispiel dem Atomwaffensperrvertrag und der Genfer Flüchtlingskonvention. Die sind alle öffentlich. Dennoch wird die Diskretion, zu der man im Vatikan fähig ist, von den Staaten geschätzt. Die Annäherung zwischen Kuba und den USA, bei der die vatikanische Diplomatie den "Geburtshelfer" gespielt hat, ist zum Beispiel nicht vorzeitig nach außen gedrungen.

Was ist die größte Herausforderung für die vatikanische Außenpolitik in der Gegenwart?

Es war meines Erachtens die große Intuition des polnischen Papstes, dass die Religionen in der Welt entscheidend zum Frieden beitragen können, wenn Sie im Dialog miteinander stehen und diesen Auftrag erkennen. Daran knüpft der aktuelle Papst ganz stark an.

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