Jerusalem, 06 Februar, 2023 / 10:45 AM
Die Gewalt im Heiligen Land hat in den letzten Tagen und Wochen zugenommen. Zuletzt kam es zu Vandalismus in der Geißelungskapelle in Jerusalem. CNA Deutsch sprach mit Br. Petrus Schüler OFM, dem deutschen Kommissar des Heiligen Landes, über die aktuelle Lage.
In den letzten Tagen und Wochen ist aus dem Heiligen Land von einer Zunahme der Gewalt zu hören. Was ist in dieser Zeit passiert? Handelt es sich ausschließlich um Gewalt gegen Christen?
Bei meinem Besuch im April letzten Jahres habe ich einige Tage im nördlichen Westjordanland, in der Gegend von Nablus, Sebaste und Jenin zugebracht. Schon bei der Autofahrt dorthin fühlte ich mich sehr unwohl, denn längst aufgelassene Checkpoints waren wieder besetzt, fliegende Kontrollposten nach wenigen hunderte Metern waren zusätzlich errichtet – und immer mit Soldaten mit dem Maschinengewehr im Anschlag.
Ich habe 11 Jahre in Jerusalem gelebt und war immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln und später mit dem Auto unterwegs – nie habe ich einen lokalen Mitfahrer gebraucht. Dieses Mal habe ich mich begleiten lassen, auch bei kleineren Fahrten. In einem Ort bei Jenin fiel mir auf, dass scheinbar die meisten Männer des Ortes auf dem Hauptplatz versammelt saßen – das lag aber nicht daran, dass es ein Freitag im Ramadan war: Die Checkpoints nach Israel hin waren geschlossen, niemand konnte also zur Arbeit. Nach wenigen Stunden konnte man im Radio hören, dass gerade in diesem Ort ein Palästinenser „bei einem Handgemenge“ vom israelischen Militär erschossen wurde.
Es handelt sich also keineswegs um Gewalt nur gegen Christen, hier handelt es sich wohl um eine neue Entwicklung. Beim der Attacke vor wenigen Tagen im Armenischen Viertel Jerusalems soll nicht nur „Tod den Arabern“ skandiert worden sein, jetzt hieß es auch „Tod den Christen“.
Sie sind kein Prophet. Können Sie dennoch basierend Ihren Informationen über die Lage vor Ort eine Prognose abgeben, wie es im Heiligen Land in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht?
Nun, wenn jemand wüsste wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht, dann wäre ja allen schon geholfen.
Persönlich habe ich den Eindruck, dass Gruppen momentan versuchen, auszuloten, wie weit sie gehen können. Dass das mit dem Regierungswechsel zu tun hat, liegt wohl auf der Hand.
Aber die Saat für diese Auswüchse gegen Christen ist schon sehr lange ausgebracht worden: Es fängt im israelischen Schulsystem an, wo Kindern das Christentum fast nur im Zusammenhang mit Kreuzfahrern bekannt gemacht wird – ganz abgesehen davon, dass Schulen des orthodoxen Spektrums sich schon gar nicht an die Vorgaben des Bildungsministeriums halten. Das geht weiter, wenn ich an die tausenden provokanten Jugendlichen denke, die am „Jerusalem-Tag“ durch die Altstadt Jerusalems ziehen und von den Polizeikräften alle Unterstützung erwarten können. Und dann kommen wir zur Schändung christlicher Stätten im Land: Diese Akte schaffen es ja meist gar nicht in die deutschen Medien. Hier wird sich also kurzfristig überhaupt nichts zum Besseren ändern.
Würden Sie deutschen Pilgern derzeit empfehlen, sich ins Heilige Land zu begeben, oder sollte man derartige Pläne besser verschieben?
Das Heilige Land ist wirklich das „fünfte Evangelium“ und von daher kann ich es nur Jedem empfehlen, eine Pilgerreise mitzumachen – wenn es denn möglich ist, denn seit der Corona-Pandemie sind die Preise erschreckend gestiegen.
Ich habe eigentlich fast nie erlebt, dass Pilger in Konfliktsituationen gekommen sind. Auf der anderen Seite: Wenn man eine totale Sicherheit erwartet, dann war und ist eine Pilgerreise nicht möglich – und das nicht nur ins Heilige Land.
Meine intensivsten Kontakte habe ich nach Jerusalem; dort kommt es seit Wochen tagtäglich zu Problemen mit israelischen Gruppen, die versuchen, in die Altstadt zu kommen, um dort zu provozieren. Im Lande selbst ist die Situation gelassener und toleranter.
Christen nehmen zu jeder Zeit und in jeder Lage Zuflucht zum Gebet. Gibt es darüber hinaus andere Dinge, die Menschen in Deutschland tun könnten, um die Situation im Heiligen Land zu verbessern?
Wir können nicht die Situation im Heiligen Land verbessern, was mir aber wichtig scheint: Vernunft und unabhängige Information (in den deutschen Medien nicht ganz einfach) sind schon mal ein erster Schritt. Ich denke da aber auch politisch: Die „uneingeschränkte Unterstützung Israels“ ist eine Worthülse, aber eine gefährliche Worthülse, denn Gewalt gegen Christen und Schändung christlicher Stätten sind nicht hinzunehmen!
Das könnte Sie auch interessieren:
(Die Geschichte geht unten weiter)
Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.
Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.
Unsere Mission ist die Wahrheit. Schließen Sie sich uns an!
Ihre monatliche Spende wird unserem Team helfen, weiterhin die Wahrheit zu berichten, mit Fairness, Integrität und Treue zu Jesus Christus und seiner Kirche.
SpendenDie Besten katholischen Nachrichten - direkt in Ihren Posteingang
Abonnieren Sie unseren kostenlosen CNA Deutsch-Newsletter.