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Agnostische Präventionsbeauftragte im Bistum Chur kritisiert kirchliche Sexualmoral scharf

Die Stadt Chur in der Schweiz.

Die Präventionsbeauftragte für das Schweizer Bistum Chur, Karin Iten, hat in einem langen Interview erklärt, die katholische Sexualmoral habe „nichts mehr mit existenziellen Fragen zu tun“. Außerdem gehe es „in Richtung spirituelle Manipulation“, in der heutigen Zeit „noch mit dem Teufel zu argumentieren“. Prävention von Missbrauch gehe „nicht ohne Rütteln an der Sexualmoral“.

„Ein Leben ohne Sexualität und ohne Körperkontakt, das ist lebens- und menschenfeindlich“, sagte Iten gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „In der Kirche ist es aber so, dass es heute noch Leute gibt, die die Meinung vertreten, sogar Selbstbefriedigung sei Sünde und Selbstzerstörung. Damit wäre dann die Sexualität gleich auf null eingegrenzt.“

Das Verbot der Selbstbefriedigung in der Kirche geht einerseits einher mit einer hohen Wertschätzung für die Ehe von Mann und Frau bis zum Tod eines der Partner und ist andererseits biblisch begründet. In Genesis 38 heißt es, Onan habe laut Gesetz jener Zeit der Frau seines verstorbenen Nachkommen schenken sollen: „Onan aber wusste, dass die Nachkommen nicht ihm gehören würden. Sooft er zur Frau seines Bruders ging, ließ er den Samen zur Erde fallen und verderben, um seinem Bruder Nachkommen vorzuenthalten. Was er tat, missfiel dem HERRN und so ließ er auch ihn sterben.“

Für Iten indes gilt: „Diese Sexualmoral der Kirche, die alles als Sünde bezeichnet, was außerhalb der Fortpflanzung ist, das hat überhaupt nichts mehr mit existenziellen Fragen zu tun, mit denen sich eine Religion befasst oder befassen sollte.“

Dass Papst Franziskus die Pornografie als „Eintrittstor des Teufels“ bezeichnet hat, sieht die Churer Präventionsbeauftragte ebenfalls kritisch: „Im 21. Jahrhundert noch mit dem Teufel zu argumentieren, das geht gar nicht! Das verängstigt Menschen. Es geht in Richtung spirituelle Manipulation.“

Es sei „höchst problematisch“, Spiritualität und Macht zu koppeln: „Andere unterdrücken, sie ausnützen im Namen von Gott, das ist spiritueller Missbrauch. Etwa wenn jemand mit Worten wie "Gott will es so" argumentiert, um seine eigenen Zwecke und Ziele zu erreichen.“

Iten selbst ist nicht katholisch, sondern agnostisch. Das sei aber kein Problem, zeigt sie sich überzeugt: „Ich stehe fürs Thema Prävention, ich bin gegenüber der Sache und Opfer loyal und nicht gegenüber der Organisation. Dass in dieser Funktion jemand ist mit einer völligen Unabhängigkeit in ihrer Denkweise, im Mindsetting, das ist wichtig. Ich sehe es als sinnvoll an, in die Prävention von Machtmissbrauch zu investieren. Dies geht nicht ohne Rütteln an der Sexualmoral, sonst ist Prävention eine Farce.“

Die Präventionsbeauftragte ist Verfechterin eines Verhaltenskodex für Priester im Bistum Chur, durch den dem konservativen Churer Priesterkreis zufolge „der Glaubens- und Sittenlehre ein Maulkorb umgehängt würde“. Auch der Churer Bischof, Joseph Bonnemain, hat alle Priester aufgefordert, den Kodex zu unterschreiben.

Im KNA-Interview fasste sie den Kodex inhaltlich zusammen mit den Worten, die Priester sollen „die sexuellen Rechte als Menschenrechte anerkennen, insbesondere das Recht auf sexuelle Selbstbestimmtheit. Jegliche Form von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Identität sollen sie unterlassen.“

Bischof Joseph Bonnemain hatte im Mai 2022 nach Äußerungen der Präventionsbeauftragten erklärt, Iten sei „eine ausgewiesene Fachperson im Bereich Prävention, aber keine Theologin“. Er bedauere daher, „dass sie sich über theologische Zusammenhänge geäussert hat“, und sei „mit ihr im Gespräch, um diesen Sachverhalt zu klären“.

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