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Meditation mit dem Rosenkranz im Fatima-Jahr: Die freudenreichen Geheimnisse

Ob beim Spaziergang, im Auto, der Kirche oder daheim: Der Rosenkranz kann überall gebetet werden.

2017 feiern Katholiken in aller Welt den 100. Jahrestag der Erscheinungen Unserer lieben Frau in Fatima. Es ist ein "marianisches Jahr", das uns an die Bitten der Mutter Gottes erinnert, täglich den Rosenkranz zu beten, damit endlich Frieden werde. In besonderer Weise empfiehlt sie die Verehrung ihres Unbefleckten Herzens – Sinnbild der vollkommenen Liebe – und verheißt allen, die an fünf ersten Monatssamstagen beichten (auch einige Tage vorher oder nachher), würdig die heilige Kommunion empfangen, den Rosenkranz beten und 15 Minuten über eines seiner Geheimnisse nachdenken, um so Maria zu trösten und Sühne zu leisten, den Himmel. Ein größeres Versprechen – so zu sterben, dass man das Ziel seines Lebens, die ewige Seligkeit, nicht verliert – gibt es nicht.

CNA veröffentlicht aus diesem Anlaß im Fatimajahr mit freundlicher Genehmigung von Msgr. Dr. Florian Kolfhaus seine Betrachtung zu den Rosenkranzgeheimnissen aus: "Der Rosenkranz – Theologie auf Knien" (Dominus-Verlag, Augsburg).

Die freudenreichen Geheimnisse

"Jesus, den du, o Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast"

So wie also Eva durch ihren Ungehorsam zur Todesursache ihrer selbst und des ganzen Menschengeschlechtes wurde, so wurde Maria, gleichfalls durch ihren Gehorsam, Ursache des Heiles für sich selbst und das ganze Menschengeschlecht. (hl. Irenäus von Lyon)

"Fiat lux. - Es werde Licht" (Gen 1, 3) - Das ist das erste Wort, das Gott ins Nichts hinein spricht, um das Wer der Schöpfung zu beginnen. Zehnmal spricht der Herr "fiat", um Raum und Zeit, Himmel und Erde, Engel und Menschen, Pflanzen und Tiere ins Dasein zu rufen. Sein Wort stiftet die sichtbare und unsichtbare Wirklichkeit. Er tut dies aus reiner, überfließender Liebe, da doch keines seiner Geschöpfe seine Seligkeit und Größe mehren kann, sie aber Anteil erhalten sollen – je auf ihre Weise – an seiner Herrlichkeit. 

"Fiat" - "Es geschehe" (Lk 1, 38). Dieses eine Wort spricht Maria, als der Engel Gabriel sie um ihre Zustimmung zu Gottes Plan bittet, auf dass der Sohn des ewigen Vaters Kind einer menschlichen Mutter werde. Es ist das gleiche große Wort, mit dem das ganze Universum gestaltet wurde, durch das sich nun der Himmel öffnet, und die zweite göttliche Person auf die Erde steigt, um in der Jungfrau unsere Natur anzunehmen. Mariens Wort erschafft den neuen Adam. Ohne sie gäbe es Jesus nicht, der in diese Welt kommen wollte, um die gefallene Schöpfung zurück zu Gott zu führen. Ohne sie gäbe es keine Rettung, keine Erlösung, kein Heil. Doch auch wenn der erste Adam nicht gesündigt hätte, wäre der zweite erschienen, um als wahrer Gott und wahrer Mensch auf die Liebe des dreifaltigen Gottes zu antworten, wie es nur ihm möglich ist. Er ist der "Erstgeborene der ganzen Schöpfung" (Kol 1, 15), auf den hin alles erschaffen ist. Um der Liebe willen, die in der menschlichen Seele Christi brennt, wollte Gott den gesamten Kosmos ins Dasein rufen, damit er eines Tages auf Erden erscheine. Das kleinste Sandkorn und der strahlendste Serafin existieren um seinetwillen. Das "Fiat" des Schöpfers findet so seine Vollendung im "fiat" Mariens. Stammt die erste Eva vom ersten Adam ab, so wird nun der neue Adam aus dem Fleisch der neuen Eva gebildet. Jesus und Maria – von Ewigkeit vorherbestimmt die wahre Krone der Schöpfung zu sein, in der das von keiner Sünde getrübte Licht der Liebe aufstrahlt -  sind die Stammeltern all der vielen, die das große Wort von Nazareth in der Kraft der Gnade sich zu eigen machen: "Fiat voluntas tua – Dein Wille geschehe!" (Mt 6, 10). Wer dieses Wort, das der Herr seinen Jüngern zu beten lehren wird, ehrlichen Herzens spricht, ist eine neue Schöpfung geworden (vgl. 2 Kor 5, 17).

Maria, die unter dem Kreuz zur Mutter aller geworden ist, die den Namen Christi tragen, hört nicht auf, das große Wort von Nazareth zu sprechen, wenn wir sie in unseren Nöten anrufen. Sie ist die "bittende Allmacht", die das Herz eines Gottes zu rühren weiß, der als Kind unter dem ihren heranwuchs. Spricht sie "Fiat" - "Es geschehe", so wird es. Bittet sie, so gehorcht ihr der Himmel. "Bei Gott ist kein Ding unmöglich" (Lk 2, 37) hat der Engel gesagt. "Bei Maria ist kein Ding unmöglich!" So  können wir voll Vertrauen sagen. Wie dürften wir das nicht von der Frau bekennen, die durch ein einziges Wort der Welt den Erlöser gebracht hat?

"Jesus, den du, o Jungfrau zu Elisabeth getragen hast"

"Diese Bundeslade, vor der König David tanzte, entspricht sie nicht der heiligen Jungfrau Maria? Die Bundeslade beinhaltete die steinernen Gesetzestafeln. Diese verwahrte das Gesetz, jene das Evangelium; diese die Stimme Gottes, jene das lebendige Wort. Die Bundeslade glänzte innen und aussen von prächtigem Gold. Maria glänzte innen und außen vom Licht der Jungfräulichkeit. Das Gold der Bundeslade stammte von diese Welt, jenes von Maria kam vom Himmel. (Hl. Maxim von Trier)

Maria weiß, dass ihre Verwandte in den letzten Monaten vor der Geburt des lang ersehnten Sohnes Hilfe braucht. Sie eilt (Lk 1, 39) – so heißt es in der Schrift – durch das Gebirge, um Elisabeth beizustehen. Wo immer Not und Gefahr herrschen, wo Leid und Schwierigkeiten drücken, zögert die selige Jungfrau nicht, dem Bedrängten beizustehen. Sie ist die "immerwährende Hilfe" aller, die sie brauchen.

Die Mutter trägt den Sohn in ihrem Schoß. Als die neue Bundeslade ist sie es, die den Herrn durch das Land seines erwählten Volkes trägt. So bringt Maria nicht nur Hilfe in materieller Not, sondern den "Retter Israels", den die Propheten verheißen und den als letzter unter ihnen Johannes der Täufer erwartet. Voll Freude hüpft er im Leib Elisabeths als er seinem Herrn in Maria begegnet. Wie David vor der Lade Gottes tanzte (2 Samuel 6, 14-16), jubelt nun das ungeborene Kind vor Gott und seiner Mutter, die der wahre Thron seiner Gegenwart ist. Wo Maria ist, da ist auch ihr Sohn. Wer ihr begegnet, trifft den wahren Gott. Und jedes Lob, das ihr zuteil wird – wie das der Elisabeth, die staunend ausruft "Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt!" (Lk 1, 43) - gilt zugleich der Ehre dessen, den sie zu den Menschen bringt. Sie trägt Christus. Mit ihm bringt sie alle Gnaden. Sie ist die Mittlerin des Mittlers, dem ihr Loblied gilt, das bis heute nicht verstummt ist: "Meine Seele preist die Größe des Herrn" (Lk 1, 46). Untrennbar von diesem Lob Gottes, ist das seiner Mutter. Elisabeth stimmt es an, Maria bestätigt es - "Siehe von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter" (Lk 1, 48) - und im millionenfachen Chor wird es in jedem "Ave Maria" durch alle Jahrhunderte wiederholt: "Gepriesen bist Du mehr als alle anderen Frauen und gepriesen ist die Frucht deines Leibes" (Lk 1, 42). Jesus und Maria, Gottes Sohn und seine Mutter, sind untrennbar vereint – in ihrer Mission auf Erden, in ihrer Herrlichkeit im Himmel, im Lob all derer, die ihnen wie Elisabeth und Johannes mit demütigem Glauben begegnen.

Er, den die Himmel nicht fassen können, ruht im Schoß Mariens. Sie ist die lebendige Monstranz, die Christus trägt – noch immer. Der als kleines Kind von ihr zu Johannes, seinem Freund und Vorläufer, gebracht werden wollte, will durch sie zu mir kommen. Immer ist sie der Weg, auf dem er kommt: in diese Welt, in dieses Haus, in meine Seele. Und immer ist sie es, durch die ich auch ihm begegne und mein Herz vor Freude zu hüpfen beginnt: wie David vor der Bundeslade und Johannes vor Maria. Ihr Bild spiegelt jeder Tabernakel, vor dem das Ewige Licht brennt, wider: Hier ist Gott.

"Jesus, den du, o Jungfrau, in Bethlehem geboren hast"

"Fürchte nicht, dass du die heilige Jungfrau zu sehr lieben könntest. Niemals wirst du sie genug lieben können. Ausserdem wäre Jesus sehr froh darüber, denn sie ist seine Mutter." (Hl. Theresia vom Kinde Jesu)

Endlich ist es soweit. Die lange Reise ist zu Ende. Nicht nur jene des jungen Paares aus Nazareth, das wegen des römischen Zensus in die Stadt Davids kommen musste, sondern jene ganz Israels, das durch die Jahrhunderte dem entgegenwanderte, der nun in einem Stall zur Welt kommt. Jetzt, da Heiden feststellen, wie groß das Volk der Juden ist, findet es seine wahre Größe in seinem edelsten Spross. Endlich wird der geboren, den Abraham erwartete, den Moses vorhersagte, den die Propheten ankündigten und den jeder Fromme zu schauen hoffte. Die Zeit ist erfüllt. Der Messias ist da. Der Ewige tritt ein in die Geschichte, der Unsichtbare thront nicht mehr verborgen im Allerheiligsten des Tempels, sondern liegt als kleines Kind in der Krippe, wo ihn nicht Priester und Leviten, sondern Engel und Hirten anbeten.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Gott erscheint sichtbar unter den Menschen. Seit dieser seligen Stunde, in der er durch Maria zu uns kommen wollte, ist er da. Kurz vor seinem Abschied von dieser Erde, hat er die gesamte Welt zu "Bethlehem" gemacht – dem "Haus des Brotes", wie der Name der Stadt Davids bedeutet. An unzähligen Orten auf diesem Globus ist er da – verborgen, doch sichtbar; geheimnisvoll verhüllt unter der Gestalt des Brotes, doch berühr- und buchstäblich begreifbar; schweigend und doch voller Worte der Liebe, die nicht ins Ohr, sondern nur ins Herz dringen können. Jesus ist da – der wahre Gott in der Gestalt eines Säuglings, den seine Mutter liebkost und den nur der erkennen kann, den der Glaube sehend macht. Jesus ist da – herabgestiegen als lebendiges Brot vom Himmel (vgl. Johannes 6, 51)– um sein Versprechen wahrzumachen: "Siehe, ich bin alle Tage bei Euch bis zum Ende der Welt" (Mt 28, 19). Bis zu seiner Wiederkunft wird das Ewige Licht im "Haus des Brotes" nicht erlöschen und all denen, die wie die Hirten einfachen Herzens glauben, den Weg zu Jesus weisen. "Kommt, wir gehen nach Bethlehem!" (Lk 2, 15), weg von den Feldern der täglichen Arbeit und Sorge, zu der "großen Freude" (Lk Lk 2, 10), die allen Menschen zuteil werden soll. Wer kommt und wie wie die armen Tagelöhner, den anbetet, der – noch geringer und demütiger als das Kind im Stall -  unter der winzigen und unscheinbaren Gestalt des Brotes wirklich bei uns ist, findet diese Freude. In einer Futterkrippe, aus der das Vieh seine Nahrung bekommt, liegt Gottes und Mariens Sohn. Er, der den Hunger der Engel allein durch seinen Anblick stillt, will uns Menschen noch mehr geben und ihnen wirklich Speise sein. In einer Krippe finden wir, was unser Herz satt macht.

Maria ist die Pforte, durch die Jesus in unsere Welt treten wollte. Ohne Schmerzen hat sie den geboren, der gekommen ist, um jeden Schmerz auf sich zu nehmen und den alten Fluch der Stammeltern zu brechen (Gen 3, 16). Die neue Eva hat Jesus in keuscher Jungfräulichkeit empfangen, ohne Verletzung und ohne Mühe entbunden und ohne Tod im Himmel wiedergesehen. Mit der Geburt des neuen Adam beginnt die neue Schöpfung, die in Maria bereits herrlich aufstrahlt. Die Schmerzen und Schreie einer Schwangeren (vgl. Offb 12, 2) kamen nicht in Bethlehem über sie, sondern unter dem Kreuz; nicht bei der Geburt ihres einzigen Sohnes – sondern bei meiner. Jesu Eintritt in diese Welt kostete sie keine Träne, doch wegen meiner geistlichen Geburt für den Himmel, hat sie unzählige vergossen. Der Herr will, dass ich sie liebe, wie er sie liebt, denn uns beide hat sie geboren. Als gute Mutter will Maria die vielen, die so leidvoll ihre Kinder geworden sind, im "Haus des Brotes" versammeln, damit sie dort ihre "große Freude" finden, Jesus, den König in der Krippe.

"Jesus, den du, o Jungfrau im Tempel aufgeopfert hast"

"Adam und Eva haben die Welt um einen Apfel verkauft. Mein Sohn und ich haben die Welt gleichsam mit einem Herzen erlöst." (hl. Brigitta von Schweden)

Am 40. Tag nach der Geburt bringt Maria ihren Sohn – wie es das Gesetz des Moses vorschreibt – in den Tempel. Er, der als Säugling in den Armen der Jungfrau ruht, ist es, der am Sinai gesprochen hat. Jetzt aber kommt er – als ein Glied des auserwählten Volkes – um vollkommen zu erfüllen, was Israel aufgetragen ist. "Geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt" (Gal 4, 4) beginnt der Herr seine irdische Mission im Jerusalemer Heiligtum "damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und wir die Sohnschaft erlangen" (Gal 4, 4). Nicht er wird als Erstgeborener freigekauft, sondern wir. Nicht das Opfer von Tieren macht uns zu Kindern Gottes, sondern die Hingabe jener beiden,  deren Unschuld und Reinheit die zwei jungen Tauben (vgl. Lk 2, 24), die Gabe der Armen (vgl. Lev 12, 8), versinnbildlichen. Was Jesus kommt auf den Armen seiner Mutter in den Tempel, nicht um irgendein Opfer darzubringen, sondern sich selbst. Er ist das Lamm, das die Mutter zum Altar trägt. Was hier im Tempel unter dem Schleier des kultischen Gesetzes geschieht, wird an jenem Tag offenbar werden, an dem eben dieser Vorhang mitten entzwei reißen wird (vgl. Mt 27, 51). Dann wird sich Jesus als der wahre Sohn Abrahams zeigen, bei dessen Opfer der Mutter kein Engel zu Hilfen eilen wird, um sein Leben zu retten (vgl. Gen 22, 11-12). Dann wird der Sohn uns zu Söhnen machen.

Der greise Simeon erkennt das Neue, das sich hinter den alten Riten verbirgt. Seine schwachen Augen erblicken einen Säugling, doch sein Herz erkennt gerade in ihm das "Heil der Welt" (vgl. Lk 2, 30). Waren alle Opfer des mosaischen Tempels nur Vorausbilder, die auf den verweisen sollten, der kommen wird und allein von ihm her Sinn und Wirkung hatten, so ist jetzt endlich das Lamm erschienen, das die Sünden der Welt hinweg nehmen wird (vgl. Joh 1, 29). Simeon sieht, erfüllt vom Heiligen Geist, wie dieses wehrlose Neugeborene zum Mann heranwachsen wird, um dann – angenagelt an das das Holz des Kreuzes und damit genauso schwach und hilflos wie an diesem 40. Tag nach der Geburt – durch seinen Tod die Menschheit zu erlösen. Er wird das blutige Schlachtopfer sein, dessen unzählige Wunden mit gleicher Glut in der Seele seiner Mutter brennen werden. Ein Schwert wird es sein, dass die Herzen Jesu und Mariens zerschneidet, um beide – wie jene zwei Tauben am Tag des kultischen Opfers – zum Preis unseres Heiles zu machen. Simeon sagt es Maria voraus. Er lässt sie erahnen, dass der leidende Gottesknecht, den die Propheten verheißen haben, ihr Sohn ist, an dessen Seite sie zu stehen hat, wenn er sein Werk auf Erden vollenden wird. Maria erkennt in dieser Stunde, dass sie – wenn der Erlöser Leib und Leben geben wird – ihn nachahmen soll mit der schmerzvollen Hingabe ihrer Seele. Sie wird – welche Mutter würde nicht den furchtbaren Dolch im Herzen spüren! – wie Abraham dem Opfer des Sohnes zustimmen, damit sich Gottes Wille erfüllt. Deshalb hat sie ihn heute in den Tempel gebracht, deshalb wird sie ihn nach Golgotha begleiten. Denn "darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir erschaffen; an Brand- und Speiseopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Ja, ich komme – so steht es über mich in der Schriftrolle – um deinen Willen, Gott, zu tun" (Hebr 10, 5-7).

Jesus hat keinen leiblichen Vater. Sein Fleisch ist das Fleisch Mariens. Sein Gesicht trägt ihre Züge. Der, den sie im Tempel aufopfert, ähnelt mehr als jedes andere menschliche Kind seiner Mutter. Die "Opfergabe des Leibes Jesu Christi" (Hebr 10, 10), durch die wir gerettet sind, gehört Maria. Sie schenkt Jesus, ihr "Fleisch und Blut", damit ich ihm ähnlich werde, damit auch ich ihr Kind bin. So spiegelt sich in den vielen Gesichtern der Brüder und Schwestern Jesu, die am Kreuz zu Gottes Familie geworden sind, immer auch das Bild Mariens, das liebevolle Antlitz der Mutter.

"Jesus, den du, o Jungfrau im Tempel wiedergefunden hast"

"Ich nehme mir vor, in mir den festen Willen zu bewahren, daran zu arbeiten ganz in Maria umgewandelt zu werden, mit dem Ziel eine andere lebendige und wirksame Maria zu werden. Ich nehme mir in sie und durch sie meine Gedanken, meine Wünsche, meine Worte, meine Taten, meine Gebete, meine Leiden, mein ganzes Leben und meinen Tod umzuwandeln" (Sel. Charles de Foucauld).

Er ist nicht da. Voll Sorgen suchen Maria und Josef den Sohn, das sie in der Gruppe der Pilger nicht finden können. Erst am dritten Tag entdecken sie ihn im Tempel wieder. Als die Mutter das Kind voll Freude in die Arme schließt und ihn nicht mehr loslassen möchte, zeichnet sich bereits jene glückliche Stunde ab, in der der Herr sie als Erste nach seiner Auferstehung suchen wird, um ihr zu zeigen, dass der verloren Gegebene lebt. Dann wird sie sich erinnern was er ihr im Tempel gesagt hat: "Wusstet ihr nicht, das ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?" (Lk 2, 49). Und sie wird ihn wiederum für eine Weile loslassen, damit er heimgeht in das Eigentum dessen, der ihn gesandt hat.

Maria erleidet schmerzvoll die Trennung von ihrem Sohn und teilt – obwohl sie doch ohne Sünde ist – das Los derer, die den Herrn verloren haben. In ihrer reinen Seele kostet Maria die Bitterkeit, ohne Jesus zu sein und weist so denen den Weg, die ihn wiederfinden wollen. Obwohl sie die geliebte Tochter ist, die niemals fern von Gott sein kann, mutet der Sohn es ihr zu, wie der verlorene Sohn ins Haus des Vaters eilen zu müssen, um ihn dort zu finden. So geht sie allen voran, die heimkehren wollen. Sie, die Zuflucht der Sünder, wird zur Wegweiserin und Führerin all derer, die sich am Trog der Schweine (vgl. 15, 16) nähren, um sie endlich zu dem zu bringen, der mit offenen Armen auf sie wartet. Maria kennt keine Sünde, aber doch weiß sie um die Not derer, die durch ihre Schuld Jesus verloren haben. Mit jedem, der Reue zeigt, kehrt sie um in das Haus des barmherzigen Vaters."Kind, warum hast du uns das angetan?" (Lk 2, 48) – Maria glaubt und gehorcht und wächst doch immer tiefer hinein in das Geheimnis ihres Kindes, das sich "Menschensohn" nennen wird, um deutlich zu machen, dass sie – die Mutter – unlösbar mit seinem Werk verbunden ist. Der Zwölfjährige im Tempel erklärt den Schriftgelehrten Gottes Wort. Seine Mutter unterrichtet er auf andere Weise: Er mutet es ihr zu, durch ihr Leiden immer tiefer in seine Sendung als Erlöser einzutreten. Für Maria braucht es nicht viele Worte, denn  Er selbst ist ja das wahre und ewige Wort, das in ihr Fleisch geworden ist. Vieles könnte er sagen, warum er das und noch Schlimmeres an seiner Mutter geschehen lassen muss. Doch all das ist nicht nötig, denn die gehorsame Jungfrau, die ihr "Fiat" in der seligen Stunde der Menschwerdung sagt, bleibt ihrem Wort treu, was immer auch geschieht. Ja, sie bleibt dem Ewigen Wort, das das ihre ist, für immer treu. So ist Maria dem untertan, der sich ihr unterwirft (vgl. Lk 2, 51); sie folgt ihm, den sie an der Hand führt. Beide gehen aus dem Tempel hinab nach Nazareth, um in der Verborgenheit des kleinen Dorfes heranzuwachsen für den Tag, an dem sie wieder nach Jerusalem kommen werden, um zu erfüllen, was dem Messias aufgetragen ist.

Maria findet den verlorenen Sohn. Sie wird auch mich suchen, wenn ich andere Wege gehe und mich verirre, und mich heimzuholen in ihr Haus. Der kleine Jesu wird an der Hand Mariens zum Mann heranwachsen. Auch er wird von ihr lernen, um an "Weisheit zuzunehmen" (Lk 2, 52). Er, der die Schriftgelehrten im Tempel belehren konnte, will doch als Mensch in die Schule seiner Mutter gehen. Er lernt von Maria. In Nazareth wird Jesus ganz marianisch. Wenn Er, der Allwissende, zu Füssen Mariens sitzt, um ihr zu lauschen, wie könnte ich diesem Beispiel nicht folgen? Wenn sie in meinem Herzen spricht, wird er seine Stimme vernehmen lassen: "Endlich weißt du, dass du im Haus Deiner Mutter bist!".

Zuerst veröffentlicht am 7. Januar 2017.

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