Wien, 10 Mai, 2024 / 11:30 AM
Der 91-jährige ehemalige Kurienkardinal Walter Kasper hat angesichts der „Kirchenkrise“ die Frage aufgeworfen, „ob die Krise nicht vor allem Zeichen unserer Christusvergessenheit ist“.
Der „Missbrauchsskandal“ sei nur ein Grund von vielen für die Krise. „Es reicht auch nicht aus, mit dem Finger auf die ‚böse Welt‘ und die Säkularisierung unserer westlichen Gesellschaften zu zeigen“, so der einstige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen im Gespräch mit „Communio“ am Donnerstag.
„Auch die kirchliche Weltuntergangsstimmung und Jammerseligkeit können Anzeichen sein, dass wir vergessen haben: Der auferstandene und erhöhte Herr ist mitten unter uns“, führte Kasper aus. „Allein von dem zur Rechten Gottes erhöhten und im Heiligen Geist gegenwärtigen Jesus Christus kann ein Neuanfang gewagt und neu Hoffnung, Glaubensfreude, Trost, Ermutigung, Zuversicht und Orientierung ausgehen.“
„Ohne die Wahrheit, die Jesus Christus ist, sind wir in den Turbulenzen und rasanten Entwicklungen der Welt orientierungslos“, zeigte sich der Kardinal überzeugt. „Eine den Erfordernissen der Zeit entsprechende Verkündigung gehört darum zu den vordringlichsten Aufgaben der Bischöfe und Priester. Sie hat vor allen anderen den Vorrang.“
„Viele andere Leitungsaufgaben sollten wir heute, wie schon in apostolischer Zeit Diakonen oder dazu befähigten Laien, Frauen und Männern, übertragen“, forderte Kasper. „Die erste Reaktion der Jünger und Jüngerinnen nach der Himmelfahrt war, dass sie sich einmütig im Gebet versammelten, um für das Kommen des Heiligen Geistes zu beten. Gerade heute brauchen wir als Quellen geistlicher Kraft und innerer Erneuerung Orte und Zentren des gemeinsamen Gebets und des kontemplativen Lebens.“
„Jesus erinnert uns in den Abschiedsreden im Gleichnis vom Weinstock und den Reben: Bloßer Aktivismus kommt schnell außer Atem und bleibt ohne Frucht“, so Kasper. „Eine zerstrittene und polarisierte Kirche stößt mehr ab, als dass sie einlädt. Allein das einmütige Zeugnis und die Praxis der Liebe, der Einsatz für die Armen und die am Rand Lebenden sowie gegen himmelschreiende Ungerechtigkeit, gegen Krieg und Gewalt können unsere Botschaft von Gottes Liebe und Barmherzigkeit neu glaubwürdig machen.“
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