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„Gefühle sind manchmal sehr gefährlich“: Psychiater Bonelli mit Ehefrau im Interview

Autorin Victoria Bonelli und ihr Ehemann, der renommierte Psychiater Raphael Bonelli

In einem Interview mit dem Magazin GRANDIOS haben die Autorin Victoria Bonelli und ihr Ehemann, der renommierte Psychiater und Neurowissenschaftler Raphael Bonelli, über den Umgang mit Konflikten in der Familie, die Bedeutung von Kommunikation und die Herausforderung, in engen Beziehungen echten Frieden zu finden, gesprochen.

Sie erklärten, warum Meinungsverschiedenheiten keine Bedrohung, sondern eine Chance für Wachstum sind, und wie wichtig es ist, sich selbst in Frage zu stellen, um langfristig harmonische Beziehungen zu führen.

Raphael Bonelli erklärte, Friede im familiären Umfeld sei keine Selbstverständlichkeit: „Friedfertigkeit ist eine Haltung, die zu einem gewissen Grad gegen unsere Neigung geht. Wir haben eine Neigung zum Bösen in uns. Streit kommt von selbst. Frieden muss man erarbeiten.“

Damit spielte er auf die menschliche Natur an, die oft eher in Richtung Konflikt und Selbstbehauptung tendiere. Diese inneren Tendenzen zu überwinden, ist laut Bonelli eine erlernbare Fähigkeit: „Darum ist es wichtig, dass Kinder lernen, zu verzeihen, Nachsicht zu üben und nachzugeben. Das sind Voraussetzungen für ein friedliches Miteinander.“

Auch Victoria Bonelli, Autorin und Mutter von sechs Kindern, betonte, dass Friede in der Familie eine ständige Arbeit erfordert – insbesondere in engen Beziehungen.

„Politisch betrachtet ist Frieden die Abwesenheit von Krieg. Aber Frieden hat für mich einen viel größeren Stellenwert. Ich glaube, den wahren Frieden finden wir erst im Himmel. Aber wir können ihn hier schon spüren“, sagte sie.

Dabei hob sie hervor, dass besonders die Beziehung zu nahestehenden Personen, wie dem Ehepartner, herausfordernd sei: „Wer sich sehr nahe ist, kennt den anderen auch mit all seinen negativen Seiten. Diese anzunehmen und zu lernen, damit umzugehen, das ist die Königsdisziplin, um Frieden zu haben. Man muss ständig daran arbeiten, damit das gelingt.“

Familie als Ort des Friedens – aber auch des Konflikts

Für die Bonellis ist die Familie „Keimzelle der Gesellschaft“, in der die Grundlagen für friedliches Miteinander erlernt werden können. Doch sie erkennen auch, dass die Familie häufig der Ort sei, an dem Konflikte besonders stark zutage treten: „Als Psychiater erlebe ich jeden Tag, was Menschen einander antun. Ich kann nur sagen: Wir werden gemeinsam glücklich oder gemeinsam unglücklich“, sagte Raphael Bonelli.

Er beschrieb, wie viele Paare sich gegenseitig das Leben schwer machen: „Man zeigt mit dem Finger auf den anderen und fordert: ‚Du musst dich ändern, dann funktioniert alles.‘ Das ist ein Fehler. So funktioniert es eben nicht.“

Für ihn ist klar, dass die Arbeit am Frieden in  Ehe und Familie vor allem eine Frage der Selbsterkenntnis ist: „Bestimmte Haltungen sind nicht einfach drin im Menschen. Man kann sie lernen oder sich erarbeiten. Dazu muss man die ‚Schwelle der Bequemlichkeit‘ überwinden.“

Diese innere Arbeit sei nach Bonelli eine bewusste Entscheidung: „Wer sich nicht um seine Ehe bemüht und bereit ist, um den Frieden zu kämpfen, wird gemeinsam unglücklich.“

Warum Meinungsverschiedenheiten wichtig sind

Victoria und Raphael Bonelli waren sich einig, dass Konflikte und Meinungsverschiedenheiten in Beziehungen unvermeidlich sind. Doch während viele Paare diese als Bedrohung ansehen, betrachteten die Bonellis sie als wertvolle Gelegenheit, gemeinsam zu wachsen.

„Unterschiedlicher Meinung zu sein, ist normal“, erklärte Raphael Bonelli. „Wenn aus Nichtigkeiten Streit wird und viel negative Emotionalität im Spiel ist, die den anderen verletzt, das ist etwas anderes.“ Es sei wichtig, zwischen einer konstruktiven Meinungsverschiedenheit und einem destruktiven Streit zu unterscheiden.

Raphael Bonelli verglich dies mit zwei Einäugigen, die durch ihre unterschiedlichen Perspektiven gemeinsam besser sehen könnten: „Wenn man respektvoll miteinander umgeht und beide Sichtweisen zusammenbringt, entsteht ein Gesamtbild, das jeder für sich nicht hätte.“

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Dies setze jedoch voraus, dass beide Partner bereit sind, die Perspektive des anderen wertzuschätzen und zu integrieren. „Deswegen sind Meinungsverschiedenheiten kein Streit, sondern der Boden für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der Sache“, betonte er.

Kommunikation als Schlüssel zum Frieden

Für Victoria Bonelli ist klar: „Kommunikation ist irrsinnig wichtig – in jeder Beziehung, aber besonders in der Ehe.“ Doch sie warnte davor, dass der Zeitpunkt und die Art der Kommunikation entscheidend seien.

„Es geht ja nicht darum, seine Meinung durchzusetzen oder den anderen niederzubrüllen. Oft sind Stresssituationen Auslöser für emotionale Ausbrüche. Wenn Emotionen hochkommen, habe ich gelernt: Das Beste ist, einfach mal die Klappe halten.“

Sie erklärte, dass es oft sinnvoll sei, Konflikte erst dann anzusprechen, wenn sich die Gemüter beruhigt haben: „Ein kluger Ehepartner merkt auch so: Wenn seine Frau schweigsam wird, dann beschäftigt sie etwas. Wenn er klug ist, bohrt er nicht nach.“

Raphael Bonelli stimmte zu und betonte, dass es in Konfliktsituationen oft besser sei, zunächst Abstand zu nehmen und die Emotionen abkühlen zu lassen: „Gefühle sind manchmal sehr gefährlich. Wenn man eine gewisse Aggressivität in sich spürt, ist es gut, diese Emotion wahrzunehmen, aber nicht sofort ins Sprechen zu gehen.“

Er plädierte dafür, negative Emotionen nicht ungefiltert zu äußern: „‚Alles muss raus‘ macht alles kaputt. Man kann ein Gefühl aushalten, um den anderen nicht zu verletzen.“

Zufriedenheit als Grundlage für inneren und äußeren Frieden

Am Ende des Gesprächs ging es um die Frage, wie Menschen in der Familie und in der Beziehung zu sich selbst Frieden finden können. Victoria Bonelli ist überzeugt, dass Zufriedenheit der Schlüssel ist: „In Familie, Beziehung oder Beruf die Aufgabe gefunden zu haben, die einen zufrieden macht. Zufriedenheit trägt Frieden in sich.“

Für sie ist diese Zufriedenheit nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern auch der zentrale Faktor, um Frieden in die eigene Familie und ins Umfeld zu tragen. „Zufriedenheit erwächst aus dem Tun der richtigen Dinge“, erklärte sie. Diese Zufriedenheit sei nicht immer leicht zu erreichen, besonders in stressigen Situationen, aber sie sei der zentrale Faktor für ein harmonisches Miteinander.

Raphael Bonelli betonte, dass ein friedliches Leben auch bedeutet, sich von der Vergangenheit zu lösen und sich nicht von alten Verletzungen beherrschen zu lassen.

„Viele Menschen meinen: Meine Kindheit war schwer, deswegen ist das jetzt so und so. Solche Kausalitäten sind gefährlich. Das nimmt einem die Freiheit und führt in eine Opferrolle, aus der man nicht mehr herauskommt.“ Stattdessen, so Bonelli, liege es in der Freiheit jedes Menschen, sich weiterzuentwickeln und aus den Herausforderungen des Lebens zu lernen.

Victoria und Raphael Bonelli sind überzeugt, dass echter Frieden im Familienalltag möglich ist, wenn Menschen bereit wären, kontinuierlich an sich und ihren Beziehungen zu arbeiten. Es gehe darum, sich selbst und den anderen mit Respekt und Geduld zu begegnen, Konflikte als Chance zu sehen und Kommunikation auf eine Weise zu führen, die Verständnis und Harmonie fördert. „Zufriedenheit trägt Frieden in sich“, fasste Victoria Bonelli zusammen.

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