Südtiroler Moraltheologe Lintner fordert neue Sexualmoral

Pater Martin Lintner OSM Pater Martin Lintner OSM

Der Südtiroler Moraltheologe und Priester Martin Lintner OSM hat sich in einem Interview mit der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ für eine grundlegende Änderung der katholischen Sexualmoral ausgesprochen.

„Bei der Leibfeindlichkeit ist die Kirche zwar oft an der Kippe entlang manövriert, aber sie ist nicht abgestürzt. Denn hätte sie sich tatsächlich einer Leibfeindlichkeit hingegeben, dann hätte sie die Auferstehung des Fleisches nicht mehr verteidigen können. Aber lust- und sexualfeindlich war die Kirche allemal, da gibt es nichts schönzureden“, betonte Lintner.

Diese Tendenzen seien nicht primär christlichen Ursprungs, sondern „antike philosophische Strömungen“ hätten über die Kirchenväter Eingang in das christliche Denken gefunden. Das sexuelle Begehren sei als sündhaft angesehen worden, weil es sich dem freien Willen entzogen habe und somit als Kontrollverlust erfahren worden sei. In der Folge sei Sexualität in der Kirche als ein Übel innerhalb der Ehe geduldet worden, da sie zur Fortpflanzung notwendig sei.

Lintner betonte: „Lust hat man als etwas Selbstsüchtiges verdächtigt, dass Lust den Partner beziehungsweise die Partnerin zum Lustobjekt degradieren würde. Deshalb konnte man Lust und auch die Erfahrung der sexuellen Lust nicht wertschätzen, sondern hat sie eben als Gefahr angesehen.“

Diese „Hypothek“, so Lintner, habe viele Menschen von der katholischen Sexualmoral „entfremdet“ oder dazu geführt, dass sie sich in einzelnen Punkten nicht daran hielten.

Die Bibel hingegen zeige, dass Sexualität etwas Schönes sei und zur Schöpfung gehöre, die ausdrücklich als gut qualifiziert werde und den Menschen etwas vom Heil-Sein vermitteln könne. Lintner verwies auf Genesis 2, wo es im Anblick der Frau heißt: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.“ Und weiter: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.“

Auch das Hohelied im Alten Testament sei eine „wunderschöne Textsammlung von Liebesliedern, von Brautliedern, von erotischen Liedern, die einfach, offen und ohne Scheu die Schönheit von Sexualität und erotischem Begehren zum Ausdruck bringen, ohne sie moralisch negativ zu bewerten.“

Der Theologe erklärte, dass Sexualität immer auch verbunden sei mit der Erfahrung von möglichem „Kontrollverlust“ in zweifachem Sinn: zum einen, wenn jemand die Kontrolle über die eigenen sexuellen Impulse verliere und sich zu Handlungen verleiten lasse, für die er sich schäme; zum anderen, wenn jemand die Kontrolle über sich verliere, weil jemand anderes über ihn bestimme und ihn sexuell nötige und missbrauche.

Lintner fasste zusammen: „Sexualität ist damit verbunden mit der Erfahrung von Scham und Beschämung, sowohl für die, die die Kontrolle über sich selbst verlieren, indem sie anderen sexuelle Gewalt zufügen, als auch für jene, die über sich die Kontrolle verlieren, weil sie zum Objekt werden von sexuellen Verhaltensweisen, von sexuellen Begierden anderer Menschen. Die Bibel zeigt hier einen sehr realistischen Blick auf die Sexualität.“

Lintners Konflikt mit dem Vatikan

Lintners theologische Positionen führten 2023 zu einem monatelangen Konflikt mit dem Heiligen Stuhl. Das vatikanische Dikasterium für Kultur und Bildung verweigerte zunächst die Zustimmung zu seiner Berufung als Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen, wie CNA Deutsch berichtete.

Als Grund wurden seine „Publikationen zu Fragen der katholischen Sexualmoral“ genannt. Besonders seine Beiträge zur Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und seine Aussage, dass „eine homosexuelle Beziehung nicht aufgrund der fehlenden Fruchtbarkeit ihre Würde“ verliere, standen in der Kritik.

Die Entscheidung löste heftige Proteste in der deutschsprachigen Theologie aus. Der Katholisch-Theologische Fakultätentag solidarisierte sich mit Lintner und kritisierte das „weithin intransparente Nihil-Obstat-Verfahren“ als Ausdruck von Misstrauen und Kontrolle. Lintner selbst erklärte, die vatikanische Entscheidung wecke „Zweifel am Gelingen von Synodalität“ und sei „ein institutionelles Problem“.

In einer überraschenden Wendung erteilte der Vatikan laut EWTN News im Frühjahr 2024 schließlich doch seine Zustimmung zu Lintners Berufung. Der Theologe fungiert seit September 2024 als Dekan der Brixner Hochschule.

Diese Entscheidung wurde auch im Kontext der Veröffentlichung der vatikanischen Erklärung Fiducia supplicans zur Segnung homosexueller Verbindungen gesehen, die eine gewisse Aufweichung in der kirchlichen Haltung signalisierte.

Lintner zeigte sich erleichtert über die Entwicklung und betonte, es sei „ganz in meinem Sinne, dieses für alle Beteiligten belastende Kapitel abzuschließen und mich wieder auf die theologische Arbeit zu konzentrieren“.

(Die Geschichte geht unten weiter)

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.

WhatsApp Telegram

Kirchliche Sexualmoral

Die katholische Kirche betrachtet Sexualität als integralen Bestandteil der menschlichen Natur, die von Gott geschaffen und daher „sehr gut“ ist (Gen 1,31). Diese positive Sicht ist jedoch an klare moralische Rahmenbedingungen geknüpft, die etwa im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) dargelegt werden.

Sexualität wird als „intimer Kern der Person“ verstanden, der auf die Einheit von Mann und Frau in der Ehe und die Weitergabe menschlichen Lebens ausgerichtet ist. Papst Johannes Paul II. betonte in seiner Theologie des Leibes, dass der eheliche Akt eine „sprachliche“ Dimension besitzt: Er drückt die totale Selbsthingabe der Ehepartner aus und bleibt zugleich für die Schöpfung neuen Lebens offen. Jede bewusste Trennung dieser „zwei Bedeutungen“ (unitiv und prokreativ) gilt als schwere Sünde.

Sexuelle Handlungen sind nur innerhalb der sakramentalen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gut für den Menschen und somit moralisch legitim. Außerhalb der Ehe verletzen solche Handlungen die Würde der Person und die Bestimmung der Sexualität.

Unsere Mission ist die Wahrheit. Schließen Sie sich uns an!

Ihre monatliche Spende wird unserem Team helfen, weiterhin die Wahrheit zu berichten, mit Fairness, Integrität und Treue zu Jesus Christus und seiner Kirche.

Spenden

Die Besten katholischen Nachrichten - direkt in Ihren Posteingang

Abonnieren Sie unseren kostenlosen CNA Deutsch-Newsletter.

Klicken Sie hier