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"Unsere Türen gehen nach Innen auf": Ein Gespräch über die Rolle des Klosters im Jahr 2017

Die Abtei Neuburg in Heidelberg-Ziegelhausen
Abt Winfried Schwab OSB wurde 1964 in Fulda geboren und trat 1995 in den Stift Admont in der Steiermark bei. Der studierte Jurist, Historiker und Philosoph wurde 2006 zum Priester geweiht.
Einer von mehreren Zugängen zum Stift
Blick von der Abtei auf den Neckar

Seit dem 8. März 2016 ist Pater Winfried der 5. Abt des Stiftes Neuburg in Heidelberg. Im Interview mit CNA Deutsch erzählt der Benediktiner seinen eigenen Weg ins Kloster - und wie er als Abt anderen helfen kann, ihre Glaubenswege und Berufungen im 21. Jahrhundert zu entdecken und leben.

CNA Deutsch: Abt Winfried, Hand aufs Herz. Wozu braucht die Welt heute noch Klöster und Mönche?

Abt Winfried Schwab OSB: Wir leben heute in einer Zeit, in der jeder glaubt, die Welt verbessern zu müssen. Damit sind aber meist nur die anderen gemeint, nie man selbst. Klöster können Schulen sein für diejenigen, die bei sich beginnen wollen. Wir brauchen keine Weltverbesserer, sondern Ich-Verbesserer. Wer an sich selbst arbeitet, der verändert mit kleinen Schritten die Welt. Dabei wollen und können die Klöster helfen. Christ zu sein heißt Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung kann aber nur übernehmen, wer sich bewusst ist, dass er selbst  jemand anderem gegenüber Rechenschaft ablegen muss. Dies zu verstehen, setzt eine Vertiefung des Glaubenswissens voraus. Die Schöpfung kann nur bewahren, wer sich selbst als Teil der Schöpfung erfährt.

Wer das erkennt und leben will: Wie wird er oder sie Ordensmensch? Wie ging das bei Ihnen persönlich?

Die Gründe für einen Ordenseintritt haben sich in den letzten Jahrzehnten stark geändert. Früher kamen die meisten Interessenten aus einem katholisch geprägten Milieu, der Weg war oft vorgezeichnet. Heute bedarf es viel mehr einer bewussten, persönlichen Entscheidung, die nur noch selten mit 18 oder 20 getroffen wird. Interessenten brauchen Vorbilder, die Ihnen Orientierung geben, und manche müssen persönlich und direkt angesprochen werden. Für die Klöster bedeutet das: "Werbung" ist notwendig, Kandidaten kommen nicht mehr von selbst. Das heißt auch, dass Klöster heute ein je eigenes Profil entwickeln müssen, um wahrgenommen zu werden.

Auf mein Kloster - Stift Admont in der Steiermark - wurde ich aufmerksam, weil es geistliches Leben mit kultureller Tradition verbindet, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Die Admonter Klosterbibliothek ist die größte und schönste der Welt, ihrem Charme bin ich erlegen. Aber auch ich wurde persönlich und konkret von einem späteren Mitbruder zu einem Besuch eingeladen. Ein Jahr nach diesem ersten Aufenthalt wagte ich den Schritt und trat ins Kloster ein. Zwanzig Jahre später kann ich sagen: Es war richtig, und ich würde es sofort wieder tun.

(Interview wird unten fortgesetzt)

https://www.instagram.com/p/BXiWUwQA_kS

Konkret im Stift Neuburg: Was ist die größte Herausforderung, die Sie, aus Admont kommend, vorgefunden haben, und wie begegnen Sie dieser?

Außerhalb Heidelbergs ist Neuburg unbekannt. Früher traten junge Männer ein, weil es das nächstgelegene Kloster war. Heute zählen andere Kriterien. Deshalb rücken wir unsere "Alleinstellungsmerkmale" in den Vordergrund und entwickeln die Abtei zu einem klösterlichen Zentrum für Wissenschaft, Kultur und Seelsorge.

Neuburg liegt in nächster Nähe zur Universität Heidelberg, einem Wissenschaftszentrum von Weltgeltung, insgesamt gibt es 22 Hochschulen in der Region. Dieser Standortvorteil ist unschätzbar. Derzeit planen wir ein College für katholische Akademiker, ein Bachelor-Studium Wirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg ist von Neuburg aus schon möglich. Im Übrigen: Wer geistliches Leben mit wissenschaftlichem Interesse verbindet, ist als Ordensmann in Neuburg genau richtig! Warum sollte ein Benediktiner nicht einmal als Atomphysiker oder Molekularbiologe den Nobelpreis erhalten?  

Ähnliches gilt für Kulturinteressierte. Die Abtei als Standort ist ein kulturgeschichtlicher Brennpunkt. In den Klostergebäuden befand sich etwa das erste Goethemuseum überhaupt, und  die Heidelberger Romantik ist ohne Neuburg nicht denkbar. Kultur und geistliches Leben lassen sich vor Ort bestens verbinden. Warum sollte ein Benediktiner nicht Künstler werden – oder ein Künstler Benediktiner?

(Interview wird unten fortgesetzt)

https://www.instagram.com/p/BXbJVkNAc5p/

Im Übrigen: benediktinische Kontemplation und Aktion schließen sich nicht aus, sondern befruchten sich gegenseitig. Unsere vor fast 1500 Jahren verfasste Ordensregel kennt keine geistige Engführung. Der hl. Benedikt legt Wert auf Grundsätzliches, für Ordensleute zwingend Notwendiges, etwa die Beständigkeit in der Gemeinschaft. Zugleich lässt er Raum zur Entfaltung der Talente. Warum also sollten geeignete Benediktiner nicht  in der Seelsorge mitarbeiten? Mein Namenspatron beispielsweise, der hl. Winfried – Bonifatius, war ein weitgereister Missionar – vor 1300 Jahren!

Ins Kloster kommen ja nicht nur Menschen, die ein Ordensleben anstreben oder prüfen. Welche Rolle spielt aus pastoraler Sicht eigentlich Besucherverkehr? In vielen Benediktinerklöstern spielt der eine wichtige Rolle im Alltag.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Gastfreundschaft ist für den heiligen Benedikt eine "heilige Pflicht". Deshalb ist die Betreuung von Gästen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten ein Herzensanliegen.

Klöster entwickeln sich immer mehr zu geistlichen Zentren in einer zunehmend säkularisierten Welt. Deshalb können Sie gerade denen eine Orientierung geben, die den katholischen Glauben kennenlernen oder vertiefen wollen. Unsere Türen gehen nach innen auf!

(Interview wird unten fortgesetzt)

https://www.instagram.com/p/BXDJSlZge6a/

Welche Rolle spielt bei Exerzitien und Seminaren, die sie geben, die Chance, modernen Menschen "auf Sinnsuche" auch den Glauben und die Lehre zu vermitteln? Wie wichtig ist Verbindlichkeit in der Katechese?  

Menschen fragen zu allen Zeiten nach dem Sinn ihres Lebens. Heute sind ihnen religiöse Traditionen aber nur mehr schwer zu vermitteln, vielmehr suchen sie individuelle Antworten. Klöster werden nicht als  Zentren gemeinschaftlichen Glaubens wahrgenommen, sondern als "spirituelle Kraftorte" des Einzelnen. Deshalb entwickeln wir ein neues, vertieftes spirituelles Angebot. Exerzitien, Einkehrtage, Zeiten der Stille, stets  im benediktinischen Geiste. Dazu wurde auch unser Gastflügel renoviert. Für alle unsere Aktivitäten gilt stets Benedikts Forderung: Damit in allem Gott verherrlicht werde!

Wenn Sie der ganzen Welt etwas über das Stift Neuburg sagen wollten, was wäre es?

Komm und sieh!

https://www.instagram.com/p/BUZJYf5DZEI/

Als erstes Koster in Deutschland nimmt Stift Neuburg am freiwilligen Ordensjahr teil. Weitere Informationen finden Sie hier und in diesem Video:

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