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Finanzkraft vs. Glaubenskraft: Erzbischof Gänswein spricht über die Kirche in Deutschland

Erzbischof Georg Gänswein am 17. Oktober 2019 in Frankfurt am Main

Kuschelig warm hatte sie es, die "kleine Herde". Bis hinaus auf den Flur standen die Interessierten, jeder wollte wenigstens einen kurzen Blick auf ihn erhaschen, den sie in den Boulevard-Medien den "George Clooney des Vatikan" nennen: Georg Gänswein, Erzbischof, Präfekt des Päpstlichen Hauses, "Diener zweier Päpste" – und Buchautor. "Vom 9/11 unseres Glaubens" heißt sein Werk, das er am heutigen Donnerstag im Rittersaal des Deutschordens in Frankfurt am Main vorstellte.

Zuvor feierte er ein Pontifikalamt in der Deutschordenskirche nebenan (der katholische Fernsehsender EWTN.TV übertrug live). Am Gedenktag des heiligen Ignatius von Antiochien erinnerte der Erzbischof an die Glaubenskraft des Märtyrers und erinnerte die Gläubigen daran, dass letztlich nur der Himmel "unsere Heimat" sei (CNA Deutsch dokumentierte die Predigt im Wortlaut).

Um "Glaubenskraft" ging es auch bei der anschließenden Buchvorstellung im Rittersaal. Verleger Bernhard Müller stellte den Autor vor als "eines der bekanntesten Gesichter der Weltkirche" und lobte ihn als einen Mann, der sich nie in den Mittelpunkt stellen wolle. Gänswein habe das Buch ursprünglich nicht "gewollt", man habe ihn dazu drängen müssen. "Georg Gänswein hat keine Angst vor heißen Eisen", so Müller unter dem Gelächter der Anwesenden, "vermutlich, weil er der Sohn eines Schmiedes ist". Auch der äthiopische Prinz Asfa-Wossen Asserate fand lobende Worte über den Mann, für den er das Vorwort verfasst hatte. Er erinnere ihn ein wenig an Augustinus, so der Prinz, voller Tatendrang und Glaubenskraft.

Unter dieser Bürde an Vorschusslorbeeren trat nun Georg Gänswein ans Pult und las einen Abschnitt aus seinem Buch vor, das eine Ansammlung von 18 Vorträgen, Reden und Predigten enthält. Es war eine Predigt, die er einst vor Priesteramtsanwärtern gehalten hatte. Wie Seeleute auf einem Leuchtturm sollten sie sein, Diener Gottes, die nicht das Rampenlicht suchen, sondern dafür sorgen, dass die Menschen auf Kurs bleiben, indem sie schlicht die Wahrheit in Jesus Christus verkünden. Wer aber eine neue Kirche gründen will, die "an ihrer DNA herumschraubt", sei auf dem Holzweg, so Gänswein.

"Die Menschen werden ihren Kurs nicht Ihretwegen ändern, sondern weil sie in Kontakt mit der Wahrheit gekommen sind." 

Die Warnung vor einer "neuen Kirche" wurde direkt Thema bei der anschließenden Fragerunde. "Wann spaltet sich die deutsche Kirche ab", so die unverblümte Frage aus dem Publikum. "Ich hatte noch nie das Amt des Propheten", antwortete Gänswein und griff auf das Bild des Leuchtturms zurück, das er in seiner Lesung zitiert hatte. Wenn das Schiff auf die Anweisung des Seemannes auf dem Leuchtturm höre, würde es nicht untergehen. Gänswein gab zu, dass es viele Gläubige gebe, die vom Kurs von Papst Franziskus verwirrt seien, doch deshalb sei es umso wichtiger, dass ein jeder - besonders seine Kritiker - für den Heiligen Vater beteten: "Wenn wir das bewusst nicht tun, sind wir selber ein Spaltpilz!" Die kleine Herde dürfe sich nicht verwirren lassen.

Auf Nachfrage von CNA Deutsch äußerte der Erzbischof einen Appell an die Kirche in Deutschland:

"Die große Sorge bei Papst Franziskus ist, dass das, was nottut - nämlich eine Neuevangelisierung, oder sagen wir es weniger dramatisch, da einige dieses Wort nicht mögen, eine Glaubensvertiefung - nicht wirklich angestrebt wird. Wenn man sieht, welche Initiativen tatsächlich ergriffen werden, darf ich mich schon fragen, ist da tatsächlich der wunde Punkt getroffen oder geht man da willentlich sehenden Auges am Eigentlichen vorbei?"

Solange die Glaubensvertiefung nicht das Ziel sei, werde nicht nur die Situation schlimmer, sondern auch die Enttäuschung größer. Deshalb sollten Gläubige in Deutschland nicht warten, bis "ein Amt von oben" käme mit einer Initiative, sondern selbst "kleine Glaubenszellen" bilden. Der bisherige Erfolg kirchenamtlicher Initiativen in Deutschland sei "recht dürftig". Er fügte an:

"Wenn die Glaubenskraft der Katholischen Kirche in Deutschland so groß wäre wie ihre Finanzkraft, wäre alles in Ordnung."

Bevor der Präfekt die Bücher signierte, antwortete er im EWTN-Interview noch kurz auf die Frage hinsichtlich der "Entweltlichung", die Benedikt XVI. einst gefordert hatte und an die auch Gänswein in seinem Buch nachdrücklich erinnerte. "Was man von außen sieht, ist sehr wenig bis jetzt", mahnte er, fügte aber an, dass er als nicht in Deutschland Lebender kein klares Urteil fällen könne. "Ich hoffe aber, dass sie auf einen guten Weg sind und hoffe, dass nicht nur gute Anfänge, sondern auch gute Fortschritte gemacht werden.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Der Blick von Benedikt sei indes "mit Sorge erfüllt". Das beträfe aber nicht nur die Kirche in Deutschland, sondern auch die Gesamtlage. Vor dem Hintergrund, dass sich damit frühere Analysen Benedikts bestätigten, ergänzte er: "Das erfüllt ihn aber nicht mit Genugtuung, und ist schon gar nicht etwas, was ihm wohltut, sondern er sucht Trost im Gebet - auch für Deutschland."

 

Erzbischof Georg Gänswein, "Vom 9/11 unseres Glaubens" ist im Fe-Medienverlag erschienen und hat 216 Seiten. 

EWTN.TV hat das Pontifikalamt mit Erzbischof Gänswein live übertragen. Hier die Aufzeichung:

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