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Nach letzter Anhörung: Kardinal George Pell wartet auf Entscheidung des Obersten Gerichts

Kardinal George Pell bei der Ankunft am Melbourne County Court, 27. Februar 2019

Es ist die letzte Chance für Kardinal George Pell auf eine Berufung – und somit auch auf einen Freispruch: Vor dem Obersten Gerichtshof Australiens fand in den vergangenen zwei Tagen die Anhörung auf Prüfung einer Berufung statt, im Fall des ehemaligen Finanzchefs des Vatikans und Erzbischofs von Sydney, der in einem kritisch beobachteten Verfahren zu sechs Jahren Haft für den sexuellen Missbrauch zweier Chorknaben verurteilt worden ist.

Die Anhörung an beiden Tagen wurde aufgezeichnet; die erste ist bereits öffentlich als Video einsehbar.

Wie die Richter des High Court entscheiden, ist derzeit noch völlig unklar. Letztlich geht es um die Frage, ob die Geschworenen, die Pell im Dezember 2018 für schuldig befanden, dies wirklich "über jeden begründeten Zweifel erhaben" taten – beyond reasonable doubt – nachdem sie den Fall von Seiten der Staatsanwaltschaft wie der Verteidigung gehört hatten.

Sollte der High Court befinden, dass Zweifel am Schuldspruch berechtigt sind, könnte Pell freigesprochen werden. Wahrscheinlicher ist nach Einschätzung von Juristen, dass der Fall noch einmal vor ein Berufungsgericht in Victoria kommen könnte. Auch ein Bestätigung des Schuldspruchs ist indessen möglich.

Dieser Schuldspruch gegen Pell beruht auf der Aussage einer Person: Eines der beiden mutmaßlichen Opfer. Der andere Chorknabe, mittlerweile verstorben, hat stets bestritten, dass die Tat vor 24 Jahren verübt wurde. Auch Augenzeugen und Indizien widersprechen zudem der Darstellung des Opfers – aus Sicht der Verteidiger Pells Grund genug, "begründete Zweifel" anzumelden, die einen Schuldspruch hätten unmöglich machen müssen.

Zweifel, dass die Tat verübt werden konnte, meldete Pells führender Verteidiger am ersten Tag der Anhörung an: Bret Walker stellte sich fünf Stunden lang den Fragen der Richter.

Ob Australiens oberste Richter dem zustimmen – ob sie auch finden, dass ein Schuldspruch keineswegs "über alle Zweifel erhaben" ist? In Erwägung dieser Frage wird auch die Tatsache eine Rolle spielen, dass das Berufungsgericht, dass den Schuldspruch in erster Instanz bestätigt hatte, ein Mehrheitsvotum von zwei Richtern war. Mark Weinberg, der dritte Richter, hätte Pell freigesprochen. Weinberg legte in einem vielbeachteten Minderheitenurteil deutlich fest, warum er keine "Zweifelsfreiheit" der Geschworenen sieht.

Weinberg argumentierte klar für Pells Freispruch, weil der einzige Zeuge mit seiner in Teilen widersprüchlichen Aussage letztlich unglaubwürdig sei und die Beweislage ohnehin gegen ihn spreche, wie auch Augenzeugen betont haben.

Auf diese Argumentation stützte sich auch Verteidiger Walker gestern in Canberra.

Die Gegenseite kam am heutigen 12. März zum Zuge, dem zweiten Tag der Anhörung zu Wort. Kerri Judd, Victorias oberste Staatsanwältin, hatte keinen leichten Stand vor den Richtern in Canberra. Die Richter, allen voran die Oberste Richterin Susan Kiefel, nahmen sie wiederholt in die Mangel.

Jeremy Gans, ein renommierter Professor für Jura an der Melbourne Law School, der die Anhörung verfolgte, kommentierte bereits während der Mittagspause, dass die Anklage überfordert wirke. Am Vortag hatte er noch Bret Walkers Auftritt gelobt.

Kerri Judd musste vor den High Court Judges einräumen, dass die Aussagen eines wichtigen Augenzeugen direkt den Aussagen des mutmaßlichen Opfers widersprechen: Monsignore Charles Portelli sagte vor Gericht aus, dass Pell zu dem Zeitpunkt, an dem er die Chorknaben in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne sexuell missbraucht haben soll, gar nicht in der Kathedrale stand, sondern vor dem Eingang des Gotteshauses, um – wie üblich – nach der Feier der heiligen Messe die Gläubigen zu grüßen und Gespräche zu führen.

Portelli Aussagen, räumte Staatsanwältin Victoria Judd ein, warfen auch heute – 24 Jahre nach dem fraglichen Zeitpunkt – eigentlich nicht widerlegbare Fragen auf. Doch im Gesamtbild, so Judd weiter, stelle sich der Fall anders dar. "Nur weil einige Beweise auf eine Unschuld hindeuten, heißt das nicht, dass die Geschworenen kein Recht hatten, einen Schuldspruch zu fällen".

Hintergrund: Der Fall Pell

Kardinal Pell war Erzbischof von Melbourne von 1996 bis zum Jahr 2001, als er zum Erzbischof von Sydney ernannt wurde. Im Jahr 2014 ernannte ihn Papst Franziskus zum Leiter der neu geschaffenen Präfektur für Wirtschaft, die mit der Überwachung und Reform der vatikanischen Finanzen beauftragt ist.

Im Jahr 2017 wurde Pell beschuldigt, zwei Chorknaben nach einer Sonntagsmesse sexuell missbraucht zu haben, während er 1996 und 1997 Erzbischof von Melbourne war. Er wurde am 11. Dezember 2018 in fünf Anklagepunkten des sexuellen Missbrauchs von einem Geschworenengericht für schuldig befunden zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Im November stimmte der Australian High Court in Canberra zu, seinen Antrag auf Prüfung einer Berufung anzuhören, nachdem das Berufungsgericht im Bundesstaat Victoria seine Verurteilung im Juli in einer Entscheidung bestätigte, die sowohl in Australien als auch im Ausland unter Juristen hoch kontrovers diskutiert wurde.

Pell, der Erzbischof und Mitglied des Kardinalskollegiums bleibt, ist Berichten zufolge seit Januar 2020 in "HM Prison Barwon" inhaftiert, einem Hochsicherheitsgefängnis außerhalb Melbournes, in dem mehrere Mafia-Bosse eingesessen sind, darunter der Kopf der australischen Ndrangheta, Pasquale Barbaro sowie der Chef der "Carlton Crew", Mario Condello.

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