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Missbrauchsprozess im Vatikan: Freispruch für ehemaligen Messdiener und Rektor

Die erste Anhörung des Missbrauchsprozesses am 14. Oktober 2020.

Ein Gericht im Vatikan hat am Mittwoch zwei Priester von Missbrauchsvorwürfen im Priesterseminar Pius X. freigesprochen: Der 29 Jahre alte Priester Gabriele Martinelli sowie der ehemalige Rektor der Schule, der 72-jährige Pater Enrico Radice wurden beide für "nicht schuldig" befunden, auch wenn es zu sexuellen Handlungen gekommen ist.

Das Urteil ist der Abschluss eines über ein Jahr langen Prozess wegen angeblichen Missbrauchs im dem Seminar und Wohnheim in der Vatikanstadt für etwa ein Dutzend Jungen im Alter von 12 bis 18 Jahren, die bei päpstlichen Messen und anderen Liturgien im Petersdom als Ministranten dienen und das Priesteramt in Erwägung ziehen.

Der Vatikan gab im Mai bekannt, dass Papst Franziskus beschlossen hat, das Priesterseminar ab September außerhalb des Vatikanstaates zu verlegen.

Bei den letzten Anhörungen am 15. und 16. Juli hatte die Staatsanwaltschaft des Vatikans die Richter aufgefordert, Martinelli zu acht Jahren Gefängnis zu verurteilen, wobei die Strafe auf vier Jahre herabgesetzt werden kann, und Radice zu vier Jahren Gefängnis zu verurteilen.

Gerichtspräsident Giuseppe Pignatone verkündete das Urteil am 6. Oktober. Das Gericht entschied, dass der Priester Martinelli nicht für Verbrechen bestraft werden kann, die er als Minderjähriger begangen hat (nach vatikanischem Recht vor seinem 16. Geburtstag), und sprach ihn vom Vorwurf des Missbrauchs vor dem 9. August 2008 frei.

Für Vorwürfe sexueller Gewalt, die zwischen dem 9. August 2008 und dem 19. März 2009 verübt worden sein sollen – der Zeitraum, bevor das mutmaßliche Opfer 16 Jahre alt wurde und nicht mehr minderjährig war, sagte das Gericht, dass die sexuellen Handlungen zwar "in ihrer Wesentlichkeit bewiesen" seien. Aber es fehle die Gewissheit, dass sie auch erzwungen wurden, wie das damals 13 Jahre alte Opfer heute sagt.

In diesem Fall, so das Gericht weiter, würden die Handlungen einen anderen Straftatbestand erfüllen, nämlich die "Verführung von Minderjährigen", aber die Verjährungsfrist sei abgelaufen gewesen, als die Klage 2018 eingereicht wurde.

Die Ordensgemeinschaft Opera Don Folci, die das Priesterseminar betreibt und von der Diözese Como beaufsichtigt wird, ist auch in einem Zivilprozess wegen der Missbrauchsvorwürfe vor Gericht. Am 6. Oktober wurde keine Entscheidung in dem Zivilverfahren bekannt gegeben.

Die Anwälte der Beklagten begrüßten den Freispruch ihrer Mandanten und betonten, dass aus ihrer Sicht "sehr viele Zweifel" in dem Fall nicht ausgeräumt worden seien.

In 13 Anhörungen, die im vergangenen Jahr begannen, hörten die Richter des Vatikans die Aussagen der Angeklagten, des mutmaßlichen Opfers, ehemaliger Studenten und Lehrer des Priesterseminars sowie weiterer Personen.

Der Betroffene, der die Vorwürfe erhob und nur als L.G. identifiziert wurde, sagte aus, dass Martinelli, der sieben Monate und neun Tage älter ist, ihn sexuell missbraucht hat. Über einen Zeitraum von zwei Monaten, nach seinem Umzug ins Priesterseminar im Alter von 13 Jahren, soll ihn der heutige Priester sexuell missbraucht haben. Die Vorwürfe wurden 2017 von italienischen Journalisten aufgedeckt und 2018 von der Associated Press veröffentlicht.

Die Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe begann im November 2017, aber nach damaligem vatikanischem Recht war die mutmaßliche Straftat verjährt.

Eineinhalb Jahre später, im Juni 2019, erließ ein unter Druck geratener Papst Franziskus eine Sonderregelung, die es ermöglichte, den Fall weiterzuführen. Im September 2019 beantragte der Justizpromotor des Vatikans die Anklageerhebung gegen die beiden Angeklagten.

Pfarrer Martinelli, der 2017 zum Priester der Diözese Como (Norditalien) geweiht wurde, hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets bestritten und sie als "unbegründet" und als "Angriff" auf das Priesterseminar bezeichnet.

Radice, der beschuldigt wurde, die Missbrauchsvorwürfe zu vertuschen, sagte, er habe nie etwas von sexuellen Übergriffen in seinem Priesterseminar gehört oder gesehen, und er behauptete sogar, die Kläger hätten die Geschichte aus "wirtschaftlichen Interessen" erfunden.

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Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.

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