Denver, 10 Juli, 2016 / 9:45 AM
Vor einigen Wochen habe ich eine kleine Botschaft auf meiner Facebook-Seite gepostet. Die Nachricht lautete in etwa so:
"Liebe Freunde! Ich schreibe eine Geschichte darüber, ob Katholiken dazu tendieren, psychologische Probleme zu über-spiritualisieren, und ob es ein Stigma in der Kirche gegen Menschen mit geistigen Erkrankungen gibt. Falls ihr damit Erfahrungen gesammelt habt und diese kommentieren wollt, schickt mir eine persönliche Nachricht!"
Nomalerweise bekomme ich von meinen Freunden in den Sozialen Medien bei solchen Anfragen Rückmeldungen. Aber die Reaktionen auf diese kleine Nachricht war überwältigend. So viele Leute schickten mir entweder eine Nachricht, wie es ihnen persönlich ergangen ist oder empfahlen mir Experten zum Thema. Familienmitglieder, enge Freunde, Menschen, mit denen ich seit längerem keinen Kontakt mehr hatte, Freunde von Freunden von Freunden – aus allen Bereichen meldeten sich bei mir Leute.
Das Thema selber ist schon seit längerem auf der "To Do"-Liste von Feature-Geschichten bei uns in der Redaktion. Aber diese Geschichte war auch eine persönliche: Auch bei einem Teil meiner eigenen Familie gibt es Depressionen. Ich habe mehrere enge Freunde, die an Depressionen leiden, Angstzuständen nud anderen psychologischen Erkrankungen.
Das Thema ist kein einfaches. Es ist ein Thema, das ein paar zusätzlicher Gebete um die Unterstützung der Muttergottes und des Heiligen Geistes bedarf, vor und nach Interviews, damit der Friede Christi über diesen schwierigen aber notwendigen Gespräche herrscht.
Nun kann ein Artikel aber nur eine bestimmte Länge haben, und das Thema nur bis zu einem bestimmten Punkt vertiefen (ich habe die Statistiken gesehen: Ihr, liebe Leser, habt eine kurze Aufmerksamkeitsspanne).
Hier also ein paar Dinge, die ich gelernt habe bei der Arbeit an diesem Artikel, die aber nicht im Feature selber stehen.
1. Wenn Du als Katholik an einer psychischen Krankheit leidest, bist Du weder ein Versager, noch allein. Es gibt so viele Menschen die, angesprochen durch ein Facebook-Post, dazu bereit sind, ihre Erfahrungen mit mir zu teilen. Wichtig ist auch, nicht zu vergessen: Niemand ist völlig unbetroffen. Wie mir Dr. Jim Langley sagte:
"Am häufigsten sehe ich Familien, die, wenn Du sie in der Kirche so siehst, auf alle wirken als wären sie einfach nur die wunderbarste, harmonischste Familie, die es nur geben kann. Und die Hälfte ist in Therapie – denn keine Familie ist einfach nur perfekt. Zu einem Problem wird, wenn Familien ihr Probleme nicht anpacken, weil sie zu sehr auf Äußerlichkeiten achten oder darauf, als wunderbare katholische Familie rüberzukommen."
2. Ich wollte mit meinem Artikel nicht die Wirkmächtigkeit des Gebetes herunterspielen. Im Gegenteil: Gebet ist ein sehr effektiver und notwendiger Bestandteil psychischer Heilung. Was ich betonen wollte, ist etwas anderes: Dass man, genausowenig wie man einem Krebspatienten sagen kann, dass er seine Krankheit "wegbeten" soll, jemandem mit einer geistigen Störung sagen kann, dass er seine Erkrankung "wegbeten" soll.
Nichtsdestotrotz gibt es ein paar sehr effektive Gebete für Heilung und Erlösung, die ich nicht im Artikel einbringen konnte, aber selber erlebt habe, wie sie im Leben mir bekannter Menschen kleine Wunder vollbracht haben – auch in meinem eigenen.
Eine der Frauen, mit denen ich im Rahmen der Recherche sprach, erzählte mir, dass sie kurz nach dem Beten eines Erlösungsgebetes wegen schwerer Depressionen ins Krankenhaus kam. Sie ist überzeugt, dass dies kein Zufall war. Vielmehr betrachtet sie dies als den Punkt, an dem sie endlich Jesus in eine Aspekte ihres Lebens eingelassen hat, die sie ihm vorher verwehrt hatte, und dass sie durch das Gebet auch zum Wunder der modernen Medizin und psychologischer Hilfe kam, derer sie bedurfte, um wirklich geheilt zu werden.
Ein hervorragende Quelle für Heilungs- und Erlösungsgebete ist das Buch "Unbound: A practical guide to deliverance” von Neal Lozano, und seine damit verknüpfte pastorale Arbeit [das Buch ist u.a. in englischer und französischer Sprache verfügbar, aber derzeit nicht auf Deutsch, Anm.d.R.]. Dieses Buch wurde mir am häufigsten von zuverlässigen, heiligmäßigen Priestern empfohlen. (Es gibt wahrscheinlich andere Bücher und Angebote, aber ich würde unbedingt einen vertrauenswürdigen Priester bitten, diese zu prüfen, bevor ich eines lesen würde.)
Manche Pfarreien haben eigene Angebote, bieten etwa "Heilungsgottesdienste" an: Eucharistiefeiern mit dem Anliegen, für die Heilung von Krankheiten aller Art zu bitten. Ich habe den Eindruck, als würde die Kirche hier gerade erst damit anfangen, die Wirkung und die Gnade solcher heiligen Messen zu entfalten.
3. Wenn sich ein Freund oder Familienmitglied an dich mit einem psychischen Problem wendet, dann liebe sie, statt sie zu abzuweisen. Höre ihnen und ihren Problemen zu, sprich mit ihnen, wenn sie einsam sind, und melde dich oft bei ihnen, wenn dein Freund nicht immer reagiert oder nur selten was unternehmen will.
"Menschen verbringen nicht gerne Zeit mit depressiven oder ängstlichen Leuten. Aber wir brauchen jemanden, der sich zu uns setzt, der uns aus dem dunklen Wirrwarr unserer Psyche herauszieht", sagte mir ein Betroffener.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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"Etwa wenn man gemeinsam einen Film anschaut, oder Bücher liest, jeder für sich aber im gleichen Zimmer. Oder wenn jemand vorschlägt, dass wir was unternehmen und Verständnis hat, wenn ich zögerlich oder gar schlecht gelaunt reagiere – ich bin krank. Bei den einfachsten menschlichen Aktivitäten bedarf ich einer eingeübten Verantwortlichkeit".
Setze diese Freunde oder Familienmitglieder in Verbindung mit Priestern und Psychologen, die ihnen weiterhelfen können – auch mit der Suche nach Psychologen, die auch selber wirklich praktizierende Katholiken sind.
Aber es ist auch völlig in Ordnung, an die Grenzen dessen zu stoßen, zu was man selber fähig ist. Eine Person, mit der ich sprach, sagte, sie wisse es zu schätzen wenn ihre Freunde klare Linien im Sand zeichneten, um ihrem eigenen Geisteszustand und der Freundschaft nicht zu schaden.
Außerdem ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass es letztlich Gott ist, der durch Gebet wie professionelle Hilfe, heilt. Auch wenn es wichtig ist, Betroffenen gegenüber wie Christus zu handeln, ist es völlig in Ordnung sich klar zu machen, dass man nicht Christus ist, und somit nicht letztlich für Heilung und Lebensglück des anderen verantwortlich.
4. Ein Leser fragte, ob Priester ausreichend ausgebildet sind für solche Situationen. Auch wenn die Psychologen, mit denen ich sprach, in der Regel hervorragende Beziehungen mit dem Klerus vor Ort haben, sprach ich doch mit mehreren Laien, die mit weniger als idealen Reaktionen einzelner Priester konfrontiert wurden beim Thema psychische Störungen.
Ein kürzlich zum Priester geweihter Freund erzählte mir, dass im Rahmen seiner Ausbildung jeder Seminarist mit dem Hauspsychologen Gespräche führte, zusätzlich zum Unterricht für den Priester-Nachwuchs. Bei psychologischen Problemen seien sie ohnehin sorgfältig augebildet worden, nicht ihre Grenzen zu überschreiten.
Offenbar findert also eine entsprechende Ausbildung statt – in der Praxis aber hat sie nicht immer den gewünschten Effekt. Vielleicht wären Weiterbildungen während der gesamten priesterlichen Laufbahn nötig, sowie offenere Beziehungen zwischen katholischen Psychologen und Priestern.
5. Das Gebetsleben eines Menschen mit psychischen Problemen kann sich sehr von dem eines Katholiken unterscheiden, der keine hat. So kann jemand, der an Angstzuständen leidet, wahrscheinlich nicht längere Zeit vor dem ausgesetzten Allerheiligsten beten. Jene, die von der Kirche verletzt oder verärgert wurden, tun sich vielleicht schwer damit, in die heilige Messe zu gehen, oder finden es ganz und gar unmöglich. In solchen Fällen wird der beste Weg, Gott zu lieben, der sein, der ihnen vom Psychologen empfohlen wird.
"Manchmal ist das Spirituellste, dass ich am Tag mache, die Einnahme meiner Medizin gegen Panik-Attacken", sagte mir einer der Interviewten.
6. Dieses Thema ist wichtig und wir müssen weiter darüber reden. Am besten fasste es eine Person zusammen, mit der ich während der Recherche sprach:
"Als Katholiken reden wir völlig problemlos über die Theologie des Leibes und die menschliche Würde, aber was ist mit der Theologie der Psyche? Ich denke, Katholiken mit psychischen Problemen können durch ihre Sensibilität dazu beitragen, einenAusgleich zwischen dem Spirituellen und dem Praktischen zu finden. Das Problem, dass ich sehem ist, dass wir in unserer Welt entweder in die eine Richtung oder in die andere tendieren, und wir brauchen beide."
Mary Rezac ist Autorin der Catholic News Agency in Denver, Colorado. Im Original erschien dieser Kommentar in englischer Sprache.
https://twitter.com/CNAdeutsch/status/749238971746705408
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