Zugegeben, ich habe eine besondere Beziehung zur und Bindung an die Gottesmutter. Ich mochte schon als kleiner Junge die schlesischen Marienlieder, die meine Eltern und Großeltern mit gläubiger Inbrunst und frommer Dankbarkeit sangen. Die festlichen Maiandachten meiner Kindheit quollen über vor Weihrauch und waren reich an Andacht. Mein Urgroßvater Josef brachte aus Olsztyn, vormals Allenstein, seine geliebte Muttergottesfigur mit, als er dank Konrad Adenauer im hohen Alter nach Deutschland übersiedeln konnte. Bis heute liegt mein erster Rosenkranz, den meine Mutter mir geschenkt hat, auf meinem Schreibtisch – in der Nähe eines kleinen Kreuzes. Mit dem heiligen Johannes Paul II., mit dem hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort möchte auch ich in aller Nüchternheit sagen: „Totus tuus, Maria.“ Römisch-katholisch zu sein heißt für mich: mit Marias Augen auf Christus zu schauen.

Heute sehe ich nicht nur Protestbewegungen wie „Maria 2.0“, die für Veränderungen in der Kirche streiten und deswegen sogar schon Gottesdienst boykottiert haben – was alles andere als marianischer ist – oder auch Wahrnehmungen und Deutungen, wie in einem Online-Magazin der Bistumspresse Osnabrück. Dieser Artikel von Susanne Haverkamp wird vielleicht bald in Kirchenzeitungen in halb Deutschland nachgedruckt. Dort steht zu lesen: „Maria mag etwa 14 Jahre alt gewesen sein, als all das geschah. Als sie, verlobt mit einem älteren Mann, schwanger wurde. Als sie Gottes Willen in dieser Schwangerschaft erkannte – und trotzdem mit dem Gerede und den vernichtenden Blicken der Nachbarn umgehen musste. Vielleicht setzte sie sich deshalb nach Jerusalem ab, zu ihrer Cousine Elisabet, die ebenfalls ein Kind erwartete. Wäre nicht das erste Mal, dass man eine ungewollt Schwangere bei der Verwandtschaft aus der Schusslinie bringt.“ 

Nun ist dieser Beitrag ein Geflecht aus Mutmaßungen, die vielleicht unserer Zeit geschuldet sind. Maria aber erkannte nicht „Gottes Willen“ in der Schwangerschaft, sondern sie sprach ihr „Fiat“, als der Engel der Verkündigung ihr die Botschaft überbrachte. In Lk 1,35 u. 37-38 lesen wir: „Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. … Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Besonders bei der Formulierung – „Wäre nicht das erste Mal, dass man eine ungewollt Schwangere bei der Verwandtschaft aus der Schusslinie bringt.“ – dürfen einfach gläubige Katholiken im festen Glauben bekennen: Maria hat ihr „Fiat“ gesprochen. Es mag sein, dass manche ihre Schwangerschaft damals nicht verstanden haben. Ebenso mag es sein, dass manche bis heute ihre Schwangerschaft nicht verstehen können oder wollen. Das ist bedauerlich. Ebenso bedauerlich finde ich es, dass in manchen katholischen Kirchenzeitungen, die ohne Kirchensteuermittel längst eingestellt worden wären, das historische Faktum der Jungfrauengeburt und damit der Glaube der Kirche aller Zeiten und Orte geleugnet oder relativiert werden. 

Was Frau Haverkamp unbestimmt ausführt und suggeriert, erinnert an die kulturchristlichen Weisheiten, die die evangelische Theologin, ehemalige Landesbischöfin und EKD-Vorsitzende Margot Käßmann nicht selten geäußert hat. Im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ antwortete sie in der Ausgabe 30/2013 auf die Frage, wie sie zur Jungfrauengeburt stehe: „Da bin ich ganz Theologin des 21. Jahrhunderts. Ich glaube, dass Maria eine junge Frau war, die Gott vollkommen vertraut hat. Aber dass sie im medizinischen Sinne Jungfrau war, das glaube ich nicht.“ Was mich betrifft: Ich bin nie über das Credo der Kirche hinausgekommen – und Sie? 

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