Wenige Wochen vor der Bundestagswahl diskutierten vom 25.-28. August auf der Tagung der "Europäischen Gesellschaft für katholische Theologie" bekannte Wissenschaftler über den Klimawandel im beschaulichen Osnabrück. Politik und Gesellschaft, inspiriert von der Fridays-for-Future-Bewegung, sind stark bewegt von global wichtigen Problemfeldern, die weder in noch von Deutschland oder Europa allein gelöst werden können. Die EKD bietet dazu sogar eine "Agenda der Nachhaltigkeit 2030" an, mit "Gottesdienstideen”, auch zum Klimawandel. 

Wer überhaupt besitzt ein profundes Wissen und einen adäquaten Überblick hierzu? Nicht allein der Klimawandel, auch die Diskurse darüber sind oft apokalyptisch koloriert. Nachdenklich macht noch ein anderes Statement. Der Philosoph Christian Thies, der auch auf der Osnabrücker Tagung zu Gast war, wird mit den folgenden Worten zitiert: "Wenn wir bereit sind, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie solche drastischen Maßnahmen zu ergreifen, dann sollten wir doch auch bereit sein, zur Bekämpfung der ökologischen Krisen entsprechende drastische Maßnahmen zu ergreifen." An welche "drastischen Maßnahmen" konkret gedacht wird, das bleibt unbestimmt – und nachhaltig irritierend. Vor allem – wer ist mit "wir" gemeint? Ob "wir" auf eine diffuse Klimaschutzverordnungspolitik warten oder uns diese sehnlich wünschen? Ich wünsche mir von der Philosophie zum Beispiel die Treue zur Vernunft und von der Theologie die Ausrichtung auf Gott und den Glauben der Kirche, nicht mehr, nicht weniger.  

Schöpfungstheologie und Bewahrung der Schöpfung sind alte, bleibend wichtige Themen der Theologie, wie Theologen aller Konfessionen wissen. Wird darüber noch gesprochen? Einen guten Impulsgeber aus Deutschland dazu hätten wir. Benedikt XVI. hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011 den Ernst der Lage angesprochen, ohne freilich säkular belehrend aufzutreten. Vor allem hat er die Frage nach dem Naturschutz mit der – zurzeit vollkommen übersehenen – Ökologie des Menschen verknüpft: "Wie kann die Natur wieder in ihrer wahren Tiefe, in ihrem Anspruch und mit ihrer Weisung erscheinen? Ich erinnere an einen Vorgang in der jüngeren politischen Geschichte, in der Hoffnung, nicht allzusehr mißverstanden zu werden und nicht zu viele einseitige Polemiken hervorzurufen. Ich würde sagen, daß das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 1970er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet. Jungen Menschen war bewußt geworden, daß irgend etwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Daß Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern daß die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen. Es ist wohl klar, daß ich hier nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei mache – nichts liegt mir ferner als dies. Wenn in unserem Umgang mit der Wirklichkeit etwas nicht stimmt, dann müssen wir alle ernstlich über das Ganze nachdenken und sind alle auf die Frage nach den Grundlagen unserer Kultur überhaupt verwiesen. Erlauben Sie mir, bitte, daß ich noch einen Augenblick bei diesem Punkt bleibe. Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt ansprechen, der nach wie vor – wie mir scheint – ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur achtet, sie hört und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit." 

Warum wird über die "Ökologie des Menschen" von deutschen Theologen und Philosophen heute nicht engagiert diskutiert? Oder über eine Ethik und kindgerechte Pädagogik, die die "Ökologie des Menschen" achtet und schützt? Oder über den Schutz des ungeborenen Lebens – in Anbetracht von 100.000 Abtreibungen allein in Deutschland im Jahr 2020? Nein, der Klimawandel beherrscht viele Medien, weite Teile der Politik und auch der Theologie zunehmend – und verdrängt andere Themenfelder nahezu vollständig.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider. CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.

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