Der vorliegende Band II des Gefängnistagebuches von George Kardinal Pell trägt den Titel „Die Berufung wurde abgewiesen“ und ist die Fortsetzung des im vergangenen Jahr erschienenen ersten Bandes, der den Titel trägt „Unschuldig angeklagt und verurteilt“.

Kurienkardinal George Pell war Ende 2018 von einem Gericht auf Grund einer Zeugenaussage für schuldig befunden worden, 1996 als Erzbischof von Melbourne nach der hl. Messe zwei minderjährige Chorknaben in der Sakristei sexuell missbraucht zu haben. Im Urteilsspruch wurde er im Februar 2019 zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. 

Das Oberste Gericht von Australien hob das Urteil am 7. April 2020 einstimmig aus Mangel an Beweisen auf. Pell wurde nach 404 Tagen Haft aus dem Gefängnis entlassen.

Mit dem Titel des vorliegenden zweiten Bandes „Die Berufung wurde abgewiesen“ wird bereits deutlich, dass diese 404 Tage im Gefängnis am Ende des 384-seitigen Buches noch kein Ende gefunden haben. 

Der zu Unrecht verurteilte Kardinal schrieb während seiner Haft ein Tagebuch. Darin gewährt er Einblicke sowohl in sein Leben in Haft als auch in sein Inneres. Aus anderen Quellen ist bekannt, dass in Gefängnissen den Vergewaltigern und Kinderschändern von den Mitgefangenen viel Leid zugefügt wird. Ähnliches musste auch der Kardinal erfahren, der ihnen als verurteilter „Missbrauchstäter“ galt. Er notiert am 21. Oktober 2019: „Ich habe erfahren, dass der Häftling, der mich angespuckt hat, einem anderen Häftling Schlimmeres angetan hat …“

In den Tagebuch-Aufzeichnungen wird nicht nur der „Fall Pell als Chronik eines Justizskandals“ vor die Augen der Leserschaft gestellt. Auch die Abgründe der menschlichen Seele, Angst, Not und Versagen werden thematisiert. Pell erwähnt oft, wie dankbar er für die vielen Zuschriften und Briefe war, die ihn trösteten und aufbauten. „Weiterhin treffen fortlaufend Briefe ein, im Durchschnitt etwa 75 pro Woche. Der Abt und die 46 Mönche der Abtei Our Lady of Clear Creek, Oklahoma, haben mir einen schönen Brief gesandt, in dem sie versprachen, regelmäßig für mich zu beten.“ Die Gebete der unzähligen Menschen stärkten ihn in seinem Glauben.

Anlässlich der Papstreise nach Thailand und Japan notiert Kardinal Pell: „Der Heilige Vater hat auf seinem Rückflug aus Japan wieder einmal ein Interview gegeben. Die Journalisten lieben diese Begegnungen (wie sie mir gesagt haben), aber viele andere und ich fürchten sie.“

Die Leser dieses Buches erfahren darüber hinaus, wie der Kardinal, der bis zu seiner Verhaftung Finanzchef des Vatikans war, über seinen Glauben, seine Kirche und seine Mitbrüder denkt. Seine offenen Worte vermögen es uns aufzuzeigen, wie Klarheit in der Sprache der Sache nur dienlich sein kann. Über die „Defizite im Vatikan“ schreibt er, dass „Gelassenheit“ „völlig kontraproduktiv“ sei. Finanzielle Defizite schwächen „die Fähigkeit einer Institution, weitere Verluste zu verkraften. Selbst der mutigste Geist würde vor dem Versuch zurückschrecken, genau herauszufinden, wie viel Geld in den letzten 40 Jahren im Vatikan verloren gegangen ist, weil es durch primitive Buchführung und menschliche List verborgen blieb.“

Auch der letzte Eintrag in Band II des Gefängnistagebuches von Kardinal Pell am 30. November 2019 befasst sich mit dem Vatikan, seinen Finanzen und dem Papst. Dies ist sehr verständlich, da er einer der einflussreichsten Posten in der Leitung der katholischen Kirche innehatte: den des Präfekten des vatikanischen Wirtschaftssekretariates. Pell: „Die Finanzberater des Heiligen Vaters hatten ihn schlecht, ja falsch informiert, sodass er das Thema hätte anderen überlassen sollen ungeachtet seines Wunsches, das Richtige zu tun und sein Engagement für die Finanzreform unter Beweis zu stellen.“

Das betroffen machende aber auch faktenreiche und erhellende Buch ist sehr empfehlenswert. Den Tagebucheintragungen wird stets ein meist kurzes Gebet mitgegeben. Eines soll hier wiedergegeben werden:

 

Unbeflecktes Herz Mariä, 

wende deine barmherzigen Augen dem Vatikan zu 

und dem Gewirr von Knoten, das dort existiert. 

Du kennst alle Schmerzen und Leiden, 

die durch diese verwickelten Knoten verursacht werden. 

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Maria, meine Mutter, 

ich vertraue deinen liebenden Händen 

den Heiligen Vater und die römische Kurie an. 

In deinen Händen gibt es keinen Knoten, 

der nicht gelöst werden könnte.



George Kardinal Pell, "Die Berufung wurde abgewiesen. Das Gefängnistagebuch, Band II" ist bei Media Maria erschienen und hat 400 Seiten.

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