Dorothea Schmidt gehört zu den ganz wenigen Mitgliedern des Synodalen Wegs, die sich immer wieder zu Wort melden und das überlieferte Glaubensgut der Kirche gegen Neuerungen verteidigen. Im Gespräch mit CNA Deutsch schildert sie ihre Eindrücke von der vierten Synodalversammlung, die vom 8. bis zum 10. September in Frankfurt stattfand.

Während der Synodalversammlung hatte Bischof Georg Bätzing angekündigt, man werde den Grundtext zur Sexualmoral bei der Weltsynode und anderswo weiter einbringen, obwohl er an einer Sperrminorität der Bischöfe gescheitert war. Einen Tag später wurde über Ihren Antrag auf geheime Abstimmung im Widerspruch zur Satzung von allen abgestimmt, was zu dessen Ablehnung führte. Ist der Rechtsbruch beim Synodalen Weg Methode?

Der Synodale Weg ist eine Farce, eine Art Mogelpackung: Aufgrund der Zusammensetzung des Synodalen Weges war von Anfang an klar, wohin die Reise geht. Die Veranstaltung des Synodalen Weges sind durchzogen mit dem Zweck, die von vornherein festgesetzten Ziele um jeden Preis durchzusetzen.

Dank der nicht namentlichen Abstimmung fassten sich auch solche Bischöfe ein Herz und stimmten gegen einen Text, bei dem sie sich bei namentlicher Abstimmung vielleicht nicht so weit herausgewagt hätten. Das passte dem Präsidium offenbar nicht in die Regie. Daher musste die geheime Abstimmung vom Tisch und der Zwang zur namentlichen Abstimmung her. Dabei sieht die Satzung das Recht vor, geheime Abstimmungen durchzuführen, wenn fünf stimmberechtigte Mitglieder dies beantragen. Über die geheime Abstimmung muss nicht abgestimmt werden. Hier gilt der Minderheitenschutz. Es kann doch nicht sein, dass man das nicht einmal diskutiert, während eine stundenlange Aussprache zu einem abgeschmetterten Text möglich war.

Aber hier befand eine Auslegungskommission einfach, dass die namentliche Abstimmung Vorrang vor der geheimen habe — was ich weder mit der Satzung noch mit der Geschäftsordnung nachvollziehen kann. Jedenfalls mussten nun alle Mitglieder namentlich abstimmen – und eine mögliche Sperrminorität der Bischöfe, die unter einem gewaltigen Druck stehen, war damit ausgehebelt.

Ausgehebelt war auch die Bedeutung von Abstimmungsergebnissen: Bischof Bätzing und andere haben wörtlich angekündigt, die Forderungen der [neuen] Sexualmoral in ihrem Bistümern zu diskutieren und umzusetzen, obwohl der Grundlagentext dazu gescheitert war. Die Papiere sollen sogar zur Prüfung nach Rom gegeben werden. Wozu dann noch abstimmen, wenn eh gemacht wird, wie man will? Wo ist hier das immer wieder postulierte Ringen um Wahrheit? Dieser Alleingang reiht sich genauso wie die unlauter torpedierte geheime Abstimmung (ein Synodaler sagte übrigens, er habe herausbekommen, dass die Moderatorin angewiesen worden war, wie sie auf den Antrag auf geheime Abstimmung reagieren soll) in eine Reihe von vielen kleineren und größeren Ungerechtigkeiten, Situationen von Intransparenz und Willkür, dass Ihre Einschätzung wohl richtig war.

Mindestens zwei Teilnehmerinnen waren vorzeitig abgereist, nachdem der Antrag auf geheime Abstimmung abgelehnt wurde. Können Sie selbst sich vorstellen, an der letzten Synodalversammlung nicht mehr teilzunehmen?

Ja, wie oft dachte ich mir: „Das halte ich nicht mehr aus!“ Ich habe diese Versammlung wie die beiden anderen Synoden kaum mehr ertragen. Diese manipulative Arroganz, die fortgesetzten Demütigungen, Psychiatrisierungen – auch persönliche Mobbing-Reaktionen auf meine Statements –, die Verweigerung des Arguments, der ständig ausgeübte Druck, damit alle für die Texte stimmen, die Manipulation von Geschäftsordnung und Satzung sowie die geballte Ladung an Falschheit und Heuchelei ist eine unerträgliche Mischung, dass ich jeden verstehe, der geht. Das geht auf den Magen. Und dies ist deshalb besonders schwer zu ertragen, weil das Ganze noch übergossen wird mit einer Soße der Geschwisterlichkeit und Gemeinschaftlichkeit im Glauben.

Ob ich bei der nächsten Synodalversammlung noch anwesend sein werde, kann ich jetzt noch nicht beantworten. Vorstellen kann ich es mir, aber dieser Synodale Weg gehört sicher nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, sondern es kostet mich jedes Mal enorm viel Kraft und Energie, zu kommen. Wo Willkür regiert, hat der Heilige Geist keinen Raum. Und dann gibt es für mich grundsätzlich betrachtet auch keinen Grund zu kommen. Andererseits möchte ich den standhaften Bischöfen den Rücken stärken und ein Zeichen setzen für den überlieferten Glauben der Kirche, der auch mein Glaube ist. Die Frage ist, ob der Synodale Weg dafür der richtige Ort ist; hier kann ich ansonsten nichts Sinnvolles mehr beitragen.

Was war überhaupt der Grund für den Antrag auf geheime Abstimmung? Sollte man nicht erwarten dürfen, dass ein Bischof sich öffentlich zur überlieferten Lehre bekennt?

Absolut. Bekenntnis und Zeugnis gehört wesentlich zur Jüngerschaft Jesu dazu. Aber Zeugnis geben kostet immer einige Überwindung. Und der persönliche Druck auf den Versammlungen ist ungemein groß. Dabei sind Bischöfe viel schneller Anfeindungen und Denunziationen ausgeliefert als wir Laien und müssen eher mit medialen Schlammschlachten rechnen.

Aus diesem Grund, und damit Bischöfe nach Herz und Gewissen abstimmen können, wollten wir mit der geheimen Abstimmung die geschützten Räume wahren, von denen Papst Franziskus spricht und die er als essentiell wichtig für einen synodalen Prozess erachtet. Vielleicht hätten sich dann genügend gefunden, um den Synodalen Rat zu kippen.

Nun herrschte aber nach der ersten verlorengegangenen Abstimmung vom Vortag auf Seiten der synodalen Organisatoren großes Entsetzen. Sie hatten geglaubt, alles in der Hand zu haben und nach ihrem Willen steuern zu können. Das hatte etwas von einem Pokerspiel, wo das Gegenüber bestimmt, welche Karten Sie kriegen und teilweise die Spielregeln verändern kann. Wenn man unter solchen Prämissen verliert, ist das Entsetzen natürlich besonders gewaltig. Und dann wurde folgerichtig die namentliche Abstimmung offenbar als die entscheidende Lösung gesehen. Die Hoffnung, dass einige Bischöfe sich bei namentlicher Abstimmung enthalten würden, ist aufgegangen.

Müssen wir den Bischöfen nun vorwerfen, eingeknickt zu sein? Ich bin die letzte, die hier irgendein Urteil aussprechen mag. Fakt ist: Wenn die Vorlage zum Synodalen Rat, der hier zur Abstimmung stand, nicht noch gründlich geändert wird, schaffen sich die Bischöfe de facto selber ab. Dann werden sie noch mehr herausgefordert werden, sich zu bekennen.

Was empfehlen Sie normalen Katholiken, die einfach nur der Kirche treu bleiben wollen, nun aber schwarz auf weiß sehen, dass der eigene Bischof diesen Glauben nicht mehr teilt?

Viele Katholiken fragen mich gerade, ob sie aus der Kirche nicht austreten müssten. Für die Deutsche Nationalkirche wollen sie kein Geld ausgeben. Ihre Frage ist berechtigt. Auch ich habe aber noch keine endgültige Antwort darauf. Die katholische Kirche in Deutschland ist jedenfalls nicht die katholische Kirche und auch nicht die Weltkirche. Wir gehören – oder soll ich sagen gehörten? – zu einer weltweiten communio, haben ein überliefertes Glaubensgut, die Tradition, das Evangelium und eine Beziehung zu Jesus Christus. Halten wir daran fest. Sicher ist es auch nicht verkehrt, sich über den Nuntius an Rom zu wenden. Man kann auch dem eigenen Diözesanbischof schreiben, was man über diesen Prozess und dessen Entscheidungen denkt. Ich glaube, dass geschwisterliche Korrekturen auch bei einem Bischof nicht Halt machen dürfen. Aber bitte dann bei aller Bestimmtheit freundlich bleiben.

Grundsätzlich müssen wir als Katholiken zudem erkennen und anerkennen, dass wir vor neuartigen Fragen stehen: Was bedeutet es, gehorsam zu sein? Wie versichern wir uns selbst der Kernwahrheiten unseres Glaubens? Wie beten wir für die Bischöfe, die den gemeinsamen Glauben verlassen? Wie werden wir ihnen trotzdem gerecht? Auch auf diese Fragen habe ich noch keine endgültigen Antworten. Ich weiß nur, dass wir uns diese und andere Fragen stellen und sie bewältigen müssen. Als Mutter ist mir das allein deshalb wichtig, weil ich meine Kinder im Glauben der Kirche erziehen dürfen und können möchte und nicht in einem Mainstream-Glauben, der sich alle paar Jahre ändert.

In einem Beitrag für „Die Tagespost“ haben Sie nach der Synodalversammlung am Samstag geschrieben: „Jetzt liegt alles beim Herrn. Er hat alles in Seiner Hand.“ Aber auch Rom dürfte noch ein Wörtchen mitreden. Was erwarten oder wünschen Sie sich diesbezüglich?

Grundsätzlich möchte ich dem Papst keine Ratschläge erteilen. Ich hoffe und bete wie viele andere auch, dass der Heilige Geist helfen wird, dass jeder Hochmut zu Fall kommt, damit alle Gottes Willen erkennen mögen. Der Heilige Geist schenkt Mut und Demut, er ist das Gegenteil von Angst und Rechthaberei. Lasst uns zusammen für Franziskus beten, dass er die Kraft findet, für die Einheit der Kirche, für das Christusgebot der kirchlichen Einheit einzutreten. Dass er die Worte findet, die Menschen heute brauchen, um die Lehre der Kirche zu verstehen. Nach meiner Einschätzung können wir durchaus hoffen, dass die Weltsynode – die hier in Deutschland ist ja nur eine kirchenrechtlich unverbindliche Gesprächsrunde – den Glauben der Kirche bekennt, und zwar unverändert, unverkürzt und ungeschmälert. Bis dahin wird noch viel Wasser durch die Isar fließen.

Mir scheint es wichtig, dass wir uns in unserem Glauben bestärken und uns nicht überwältigen lassen. Die Kirche ist schon durch ganz andere tiefe Täler marschiert, und doch gab es immer Figuren, die Gott gebraucht hat, um seine Kirche wieder zum Leuchten und Blühen zu bringen, damit sein Werk, seine Botschaft die Herzen der Menschen erreichen kann. Kümmern wir uns also um die wirklich wesentlichen Dinge: um die Verkündigung von Jesu Botschaft, der Schönheit und Herausforderung des Glaubens, um das zähe, ungezähmte Evangelium, das Kinder begeistert und Suchende anzieht.

Immer wieder hieß es gerade mit Blick auf Diskussionen im LGBT-Bereich, man dürfe niemanden verletzen. Mitglieder des Synodalen Wegs sind aber nur Erwachsene. Darf man nicht erwarten, dass erwachsene Menschen andere Meinungen ertragen?

Jeder Mensch hat eine unendliche Würde von Gott geschenkt bekommen und darf nicht diskriminiert werden. Was auf dem Synodalen Weg gesagt wird, müssen wir ganz sachlich betrachten, nach der Maßgabe des Heiligen Paulus: Prüft alles und behaltet das Gute! Sicher müssen wir Wege suchen, um die subjektiven und objektiven Verletzungen, die viele gleichgeschlechtlich Orientierte empfinden, aufgreifen [zu] können. Das ist eine riesige Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Aber bitte ohne dabei die Wahrheit zu verschleiern und die Kirche völlig auf den Kopf zu stellen. Auf dem Synodalen Weg hätte ich mir diese ehrliche Debatte sehr gewünscht. Wir hätten bei diesem Thema gut vorankommen können. Stattdessen haben wir wieder einmal die LGBT-Agenda durchgekaut, mit immer den gleichen und vorhersehbaren Ergebnissen – und in einer emotional aufgeladenen Atmosphäre, die in keinster Weise geeignet ist, um gemeinsam zu denken und sachlich zu diskutieren.

Was wir hier mit der wütenden und tränenreichen Demo im Saal erlebt haben, als der Text gescheitert ist, nenne ich Schönwettersynodalität: Wenn eine Abstimmung gefällt, ist alles gut, wenn nicht, dann steige ich auf die Barrikaden.

Zudem arbeitet diese Versammlung mit handfesten Tabus. Wer bezweifelt, dass die katholische Sexualmoral an den Missbrauchsstraftaten der vergangenen Jahrzehnte schuld ist, wird mit Empörungsgesten und Entsetzensschreien übergossen. Für eine zielführende und lösungsorientierte Debatte braucht es aber Sachlichkeit, einen Wahrheitsanspruch und die Bereitschaft, Themen anzugehen, die auf den ersten Blick ungemütlich und schwierig erscheinen.

Von "Weiterentwicklung" der Lehre spricht inzwischen niemand mehr. Die explizite Forderung ist Veränderung und Neuerung. Inwiefern war das, was sich bei der vierten Synodalversammlung abgespielt hat, schon vor zwei, drei Jahren zu erwarten? Hätte man sich an dem System überhaupt nicht beteiligen dürfen?

Diese Frage müssen sich die Bischöfe stellen, die damals [2019] in Lingen diesem System grünes Licht gegeben haben. Jetzt ist es in der Welt, und wir müssen Wege suchen, damit zu leben. Klar ist, dass es beim Synodalen Weg nicht darum geht, Inhalte des Glaubens zu vertiefen. Die Drahtzieher des Synodalen Weges benutzen den Frame „Weiterentwicklung“, allerdings in falschen Zusammenhängen. Wenn Bischof Bode beispielsweise sagt, ein Votum des Papstes gegen des Synodalen Weg wäre ein hohes Wort, aber selbst Beschlüsse von Konzilien seien weiterentwickelt worden, dann ist das so nicht richtig. Konzilsbeschlüsse und Dogmen wurden vertieft, näher erläutert, tiefer verstanden und auf diese Weise weiterentwickelt. Aber sie wurden nie durch neue Erkenntnisse oder völlig neue Gedanken ersetzt. Weiterentwicklung bedeutet ein tieferes Verständnis von Glaubensthemen, nicht deren Aushebeln. Die christliche Anthropologie durch LGBT-Agenda zu ersetzen, ist keine Weiterentwicklung, sondern eine Aufhebung. Gleiches gilt für die Sexuallehre.

Wir müssen als Kirche lernen, die kirchliche Glaubenslehre tiefer zu verstehen und besser zu kommunizieren, damit wir fähig werden, die Hürden unserer Zeit zu nehmen. Aber darum geht es nicht auf dem Synodalen Weg. Ich kann mich nicht erinnern, in den drei Tagen der letzten Versammlung ein einziges theologisches Argument gehört zu haben. Es ging so viel um subjektive Befindlichkeiten. Und das wird dann von namhaften Theologieprofessoren und Bischöfen als herausragende theologische Arbeit hingestellt. Worin diese Exzellenz bestehen soll, ist mir total schleierhaft.

Ein Synodaler Rat kommt und damit eine Verstetigung des Synodalen Wegs. Können Sie da schon absehen, was auf die glaubenstreuen Katholiken zukommt?

Der Synodale Rat wäre eine Verewigung des Synodalen Weges. Mir klingen noch die Worte von Kardinal Kasper in den Ohren, der neulich sagte, dass man eine Synode nicht auf Dauer stellen könne. Er sagte auch, so ein Rat würde dem Bischofsamt das Genick brechen. Der Synodale Rat, wie er jetzt geplant ist, würde die episkopale Verfassung der Kirche aus den Angeln heben. Das heißt, dass die Bischöfe ihren Bischofsstab und damit ihre Verantwortung als Hirten der Kirche an einen auf Zeit gewählten Rat und die Leitung einer zeitgeistlichen Beliebigkeit überlassen – womit sich der Bischof von Mehrheiten abhängig macht, statt sich dem Papst, der Wahrheit des Evangeliums und dem überlieferten Glaubensgut zu verpflichten. Und wie wir aus der Geschichte wissen, entspricht die Mehrheitsmeinung nicht unbedingt der Wahrheit.

Es gibt keine Selbstbindung, die Wesenspflichten und Vollmachten delegiert. Zudem ist noch nicht klar, welche Kompetenzen so ein Rat hat, was dessen Themen und wie verbindlich die Entscheidungen sein werden. Der Ausschuss wäre eine Art Blackbox, deren Kernstück die Entmachtung der Bischöfe ist. Der Papst hat die Weltbischofssynode ausgerufen. Dort können wir unsere Anliegen und Wünsche einbringen und einüben, was Synodalität bedeutet. Als katholische Kirche in Deutschland vorzupreschen, wäre der falsche Weg und würde nicht nur einen deutschen Sonderweg manifestieren, sondern auch die Saat einer strukturell gespaltenen Kirche legen. Denn es ist zu erwarten, dass sich nicht alle Bistümer diesem Synodalen Rat unterwerfen werden wollen. Möglich, dass es außerdem zur europäischen Steuervereinheitlichung kommt, wie sie in Deutschland von Sozialdemokraten und Liberalen propagiert wird. Die Kirchensteuer würde damit einbrechen und infolgedessen der große Kuchen in sich zusammenfallen, um den zurzeit gerungen wird. Alles in allem muss man doch sagen: Es gibt gute Gründe, warum ein solcher Rat nicht nur falsch, sondern überhaupt nicht notwendig ist.

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