[Lesungen HIER]

In den heutigen Lesungen geht es um die zentrale Bitte des „Vaterunser“: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Offenbar hält Jesus die Frage unserer Schuld und ihrer Vergebung für so zentral, dass er sie in diesem sehr kurzen Gebet vorgeschlagen, ja vorgeschrieben hat. Die Bedeutung des Schuld-Vergebens zeigt sich auch in der Länge des Gleichnisses, das Jesus erzählt. Er hätte sein Anliegen ja auch wesentlich kürzer fassen können, aber er hat es sehr ausführlich gemacht.

Jeder von uns muss sich fragen: Wem von meinen Verwandten und Bekannten muss ich verzeihen, vergeben? Wer ist mir etwas schuldig geblieben? Wem bin ich böse, weil er schuldig an mir geworden ist? Vielleicht tut sich der Eine oder Andere schwer, jemanden in seiner Umgebung zu finden, dem er vergeben müsste.

Wenn wir hier nicht weiterkommen, dann hilft uns die heutige Lesung aus dem Buch Jesus Sirach. Denn hier ist in Parallele zum Evangelium nicht nur von Schuld die Rede, sondern auch von Groll und Zorn. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in uns gegenüber dem einen oder anderen unserer Mitmenschen einen gewissen Groll im Herzen tragen. Es könnte sogar ein Zorn sein. Jesus Sirach drückt es in einem weiteren Satz sehr scharf aus: „Der Mensch verharrt im Zorn gegen den anderen, vom Herrn aber sucht er Heilung zu erlangen. Mit seinesgleichen hat er kein Erbarmen, aber wegen seiner eigenen Sünden bittet er um Gnade.“

Wir alle müssen uns fragen: Könnte ich mit allen meinen Bekannten und Verwandten vor den Herrn treten? Gibt es nicht Menschen, mit denen ich mich so schwertue, dass ich vor dem Herrn nicht neben ihnen erscheinen möchte?

Jesus verlangt von den Seinen Selbstkritik. Er will, dass wir auf einander zugehen, auch wenn es uns noch so schwer ist, dass wir die Hände ausstrecken, ja, dass wir sogar die Arme ausstrecken. Wenn wir einander ablehnen, kann er nichts mit uns anfangen. Er will nur Menschen, die sich versöhnt haben. Mit Unversöhnten tut Jesus sich schwer. Also reden wir miteinander.

Wir alle wissen, dass die Politiker miteinander reden sollten, nicht auf einander schießen. Tun wir es selbst? Versöhnung unter den Großmächten wird hoch angerechnet. Wie sehr gilt es bei uns hier an der Basis?

Ich möchte aber noch auf eine besondere Situation eingehen, die uns heute weltweit begegnet. Ich formuliere es einmal so: Vergib uns unsere Schuld, dass uns das Elend in unzähligen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas nicht mehr betrifft, dass wir uns nicht täglich fragen, was wir hier selbst gegen dieses Elend tun können. Ich erlaube mir einen Vergleich: Wir fragen uns heute, wie unsere Vorfahren auf Adolf Hitler reinfallen konnten, warum sie so schuldig geworden sind, ihn an die Macht kommen zu lassen. Wir erkennen die Schuld oder wenigstens Blindheit unserer Vorfahren. Und wie leben wir mit der Blindheit gegenüber dem Elend in Afrika, Asien, Lateinamerika?

Freilich keiner von uns kann diesem Elend wesentlich beikommen. Jedes kleine Öpferchen ist zu wenig und hilft nicht. Die Politik versucht es seit Jahrzehnten mit Entwicklungshilfe und Diplomatie, soziale Ordnung für Menschen im Elend herbeizuführen. Aber die Politiker hängen in einer Demokratie eben auch vom Denken der Wähler ab. Wenn die Mehrheit der Wähler primär an sich selbst denkt, dann sind Politiker in einer Demokratie machtlos. Die Wähler sind die Mächtigen. In hundert Jahren werden sich vielleicht die Menschen fragen: Wie konnten es unserer Vorfahren ertragen, teure Fernreisen in Elendsländer zu machen, auf Luxusschiffen vor den Hütten der Ärmsten zu schlafen? Noch einmal: Keiner von uns kann die Welt des Massenelends ändern. Aber es fragt sich, ob unser Herz sich für die Menschen im Elend interessiert, ob unser von Gott gegebener Verstand alles einsetzt, den Fliehenden, Verhungernden, Verdurstenden so gut wie möglich beizustehen. Wir können nur beten: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigen. Amen.

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