Am Samstag weihte Kurienkardinal Kurt Koch im Petersdom in Rom einen Diakon zum Priester. CNA Deutsch dokumentiert seine Predigt im Wortlaut.

„Habt keine Angst! Öffnet die Tore für Christus!“ Mit diesem Zuruf hat der heilige Papst Johannes Paul II. seinerzeit seinen Pontifikat auf dem Platz St. Peter begonnen. Unter dieses Wort stellt auch unser Weihekandidat Diakon Zlatko Brauchler seine heutige Priesterweihe und sein künftiges priesterliches Leben und Wirken. Es ist gewiss ein hoffnungsvolles Wort in die heutige Welt hinein, in der wir Menschen von vielen Ängsten umgetrieben sind. Die Angst gehört ohne Zweifel zu den Grundstimmungen der heutigen Menschen, und unsere Zeit ist ein Zeitalter der Angst geworden.

Im Leben von uns Menschen heute hat die Angst zahllose Gesichter, und sie schaut uns von allen Seiten in die Augen: Nicht wenige Menschen haben Angst, dass der Sinn ihres Lebens auf einmal fraglich werden könnte. Menschen ängstigen sich, dass eine Freundschaft misslingen und die Ehe scheitern könnte oder dass sie ihre Arbeit verlieren. Wir Menschen haben Angst vor vielen sozialen und politischen Entwicklungen in der heutigen Welt und auch in der Kirche. Und wir Menschen lernen erneut, Angst auch voreinander haben zu müssen, wie nicht zuletzt der schreckliche und sinnlose Krieg in der Ukraine mit unzählbaren Toten und ebenso vielen Menschen auf der Flucht zeigt.

Die Angst ist ein hartnäckiger Begleiter des menschlichen Lebensweges heute. In dieser Situation hören wir die Zumutung, dass wir keine Angst haben sollen. Es ist verständlich, dass eine solche Zumutung beim ersten Hinhören nicht nur Erleichterung auslöst, sondern auch Skepsis hervorruft. Denn es stellt sich die berechtigte Frage, mit welcher Vollmacht denn eine solche Zumutung ausgesprochen werden kann. Und es stellt sich die noch tiefere Frage, ob sich die Angst von uns Menschen einfach wegreden oder gar verbieten lässt – zumal dort, wo sie wirklich angebracht ist. Es macht den gesunden Realismus des bedeutenden mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin aus, dass er diese Frage mit Überzeugung verneint hat. In seiner Tapferkeitslehre hat er betont, dass derjenige, der dort keine Angst empfindet, wo Angst dringend geboten ist, nicht ein tapferer, sondern ein unmenschlich empfindungsloser Mensch ist. Offensichtlich gehört die Angst so sehr zum Menschsein von uns Menschen, dass man den Menschen abschaffen müsste, wenn man vorgibt, die Angst abschaffen zu können.

Von daher stellt sich verschärft die Frage, mit welcher Vollmacht man den Menschen zumuten kann, keine Angst haben zu sollen. Die einzig tragfähige Antwort auf diese Frage liegt in der zweiten Zumutung in dem von unserem Weihekandidaten gewählten Wort von Papst Johannes Paul II.: „Öffnet die Tore für Christus!“ Nur wenn die Tore unseres menschlichen Lebens nicht verschlossen, sondern geöffnet sind für Christus, bleibt auch die erste Zumutung realistisch: „Habt keine Angst!“ Denn nur wenn Jesus Christus in unser Leben eintreten und bei uns Menschen wohnen kann, können wir in einer entängstigenden Weise mit unseren Ängsten leben und umgehen.

„Öffnet die Tore für Christus“: Mit diesem Wort sind in besonderer Weise Berufung und Sendung des priesterlichen Dienstes in der Kirche umschrieben. Und die Liturgie der Priesterweihe zeigt uns, wie der Priester diese Sendung wahrzunehmen hat.

Priesterlicher Dienst am Evangelium

Die erste Frage, die in der Feier der Priesterweihe der Bischof an den Weihekandidaten bei der Entgegennahme seiner Versprechen stellt und stellen muss, heisst: „Bist du bereit, in der Verkündigung des Evangeliums und in der Darlegung des katholischen Glaubens den Dienst am Wort Gottes treu und gewissenhaft zu erfüllen?“ Mit dieser Frage ist in die liturgische Sprache übersetzt, was bereits Paulus seinem Schüler Timotheus ans Herz gelegt hat, er solle sich nicht schämen, sich zum Herrn zu bekennen, und er solle für das Evangelium leiden (2 Tim 1, 8).

Die erste Weise, die Tore für Christus zu öffnen, besteht in der priesterlichen Sendung somit im Dienst am Wort Gottes, das den ansprechenden und zugleich herausfordernden Namen trägt: „Evangelium“ – gute und frohe Botschaft. Der Priester ist in erster Linie Evangelist, Zeuge des Evangeliums. Dabei handelt es sich nicht um irgendein Wort, sondern um das „Wort des ewigen Lebens“. Deshalb geht es im Dienst des Priesters nicht um dessen eigenes Wort, wie gewichtig und intelligent es auch sein mag. Denn der Priester redet nicht in seinem eigenen Namen, sondern ist Treuhänder eines Anderen, nämlich Zeuge für Jesus Christus, der das lebendige Wort Gottes in Person ist. Der Priester kann sich deshalb nie als „Chef“ und schon gar nicht von eigenen Gnaden verstehen und gebärden, sondern er ist und bleibt Beauftragter Jesu Christi, der das Wort, das er selbst empfangen hat, treu zu bewahren und an die Menschen weiterzugeben hat. Der Priester ist berufen und gesandt, für dieses Wort Gottes glaubwürdige und überzeugende Stimme zu sein.

In dieser Sinnrichtung hat der heilige Augustinus die Sendung des Priesters in der Gestalt des Johannes des Täufers vorgebildet gesehen. Er hat sensibel darauf aufmerksam gemacht, dass im Neuen Testament Johannes als „Stimme“ bezeichnet wird, während Jesus Christus das „Wort“ genannt wird.1 Mit diesem Verhältnis zwischen Wort und Stimme verdeutlicht Augustinus das Zueinander von Christus und Priester und zugleich den bleibenden Unterschied zwischen beiden: Wie der sinnliche Klang, nämlich die Stimme, die das Wort von einem Menschen zu einem anderen trägt, vorübergeht, während das Wort bleibt, so hat auch in der Sendung des Priesters die menschliche Stimme keinen anderen Sinn als den, das Wort Gottes zu vermitteln; danach kann und muss sie wieder zurücktreten, damit das Wort im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit bleibt. Die Sendung des Priesters besteht darin, sinnlich-lebendige Stimme für das vorgängige Wort Gottes und damit – wie Johannes der Täufer – Diener des Wortes und sein Vorläufer zu sein.

In dieser Sendung zeigen sich sowohl die Größe als auch die Demut des Priesters. Seine Größe besteht darin, dass er von Christus selbst gewürdigt ist, seine Stimme in der Welt zu sein; und seine Demut besteht darin, dass er sich stets dessen bewusst bleibt, dass er nicht Wort, sondern Stimme ist und dass er dies nur in glaubwürdiger Weise sein kann, wenn er „Stimme“ für das Wort mit seinem ganzen Leben wird. Denn der Dienst am Wort Gottes verlangt einen persönlichen Zeugen. Zeugen sind dabei daran zu erkennen, dass sie selbst am heiligen Feuer des Wortes Gottes leben und nicht bloß davon erzählen, dass es irgendwo ein solches Feuer geben soll.

Den Zeugendienst am Wort Gottes kann der Priester nur wahrnehmen, wenn er sich selbst vom Wort Gottes immer wieder berühren lässt und es im Gebet meditiert, vor allem beim Stundengebet und bei der Lectio divina, in der das Hören des Wortes Gottes zu einer lebendigen Begegnung mit Jesus Christus mitten im priesterlichen Alltag werden kann. Nur in dieser Weise kann der Priester sich als Stimme des Evangeliums zur Verfügung stellen, um so seinem Wort Raum zu geben. Der Priester ist zunächst immer Hörer des Wortes Gottes, weil er nur so Diener des Wortes sein kann, und zwar vor allem dadurch, dass er sich dafür einsetzt, dass die Kirche im Gehorsam gegenüber Christus und seinem Evangelium bleibt.

Priesterlicher Dienst an der Eucharistie

Das Wort Gottes, in dessen Dienst der Priester steht, ist ein sakramentales Wort. Wir Christen glauben an das Wort, das Fleisch geworden ist und in den Sakramenten erfahren wird. Deshalb heißt eine weitere gewichtige Frage, die der Bischof an den Weihekandidaten stellt: „Bist du bereit, die Mysterien Christi, besonders die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung gemäß der kirchlichen Überlieferung zum Lobe Gottes und zum Heil seines Volkes in gläubiger Ehrfurcht zu feiern?“ Im Dienst an den Sakramenten besteht die zweite und besondere Weise in der Sendung des Priesters, die Tore für Christus zu öffnen.

In diesem sakramentalen Dienst ist dabei die Stimme des Priesters in einer besonders dichten Weise gefordert. Er ist berufen, mit der Stimme Jesu Christi, sogar mit dem Ich Christi zu sprechen. Denken wir an die schönen und tiefen Worte „Ich taufe dich“, „Ich spreche dich los von deinen Sünden“ und „Dies ist mein Leib“; solche Worte kann der Priester unmöglich in seinem eigenen Namen sprechen; er würde sich maßlos übernehmen und damit als lächerliche Figur dastehen. So reden kann der Priester vielmehr nur, weil er von Christus selbst berufen und autorisiert und deshalb geweiht ist, mit dem Ich Christi zu sprechen und, wie es die kirchliche Tradition ausdrückt, „in persona Christi Capitis“ zu handeln.

In dieser Weise redet und handelt der Priester vor allem in der Feier der Eucharistie, die Quelle, Mitte und Höhepunkt des ganzen kirchlichen Lebens ist. In der schönen Logik des katholischen Glaubens versteht es sich von daher von selbst, dass die Eucharistie auch im Leben und Wirken des Priesters einen zentralen Platz einnimmt. Denn die Kirche feiert nicht nur die Eucharistie, sondern sie entsteht immer wieder neu um den Altar herum, auf dem uns die Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Christus geschenkt wird. Es ist deshalb Christus selbst, der in der Eucharistie an uns handelt, der aber in der sichtbaren Kirche durch irdische und endliche Menschen, durch den Priester, handeln will. Von daher leuchtet die tiefe Sendung des priesterlichen Dienstes in der Eucharistie auf: Er stellt sich als bescheidenes Werkzeug Christus zur Verfügung und macht den unsichtbar anwesenden und in seiner Kirche handelnden Herrn den Sinnen der Gläubigen sichtbar, damit Christus an uns Menschen sein Heil wirken kann.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.

In der Eucharistie ist der Priester berufen, mit dem Ich Christi zu sprechen. Er ist deshalb auch herausgefordert, auch in seinem Leben Christus immer deutlicher ähnlich zu werden. All das, was der Priester in der Eucharistie amtlich an Christi statt tut, muss er in sein Leben und durch sein Leben übersetzen. Der Priester muss deshalb ein von der Eucharistie geprägter und damit eucharistischer Christ sein, der in der Eucharistie den innersten Punkt in seinem pastoralen Wirken wahrnimmt.

Priesterlicher Dienst als Vikariat

Es gibt bleibend zu denken, dass im heutigen Evangelium Jesus beim Letzten Abendmahl der Kirche das große Geschenk der Eucharistie macht und dieses Geschenk verbindet mit einer eindringlichen Ermahnung zum Dienen, indem Jesus sich selbst seinen Jüngern mit den Worten vorstellt: „Ich bin unter euch wie der, der bedient“ (Lk 22, 27b). Jesus Christus, der sich mit bestem Recht Kyrios, Herr, nennen darf, wird Diener, um sich von den Menschen nicht dienen zu lassen, sondern selbst zu dienen. Diesen Dienst hat er vor allem am Kreuz vollzogen, als er sein Leben zur Vergebung unserer Sünden hingegeben hat und eucharistisch hat verströmen lassen.

Wem der Dienst an der Eucharistie anvertraut ist, ist deshalb auch berufen, Christus immer mehr ähnlich zu werden. Wie Jesus Christus nicht nur der Herr ist, sondern sich selbst Diakon genannt hat, so ist auch der Diakonat nicht einfach eine Durchgangsstufe zum Priestertum, sondern der bleibende Gehalt des Priestertums selbst. Die sehr frühe Praxis der Kirche, dass diejenigen, die zum Priestertum geweiht werden, zuvor zum Diakon geweiht werden müssen, ruft in Erinnerung, dass jeder geweihte Dienst in der Kirche Diakonie ist und sein muss. Die Diakonatsweihe ist und bleibt die wichtigste Stufe des Weihesakraments, die auch beim Priester, Bischof, Kardinal und Papst als Fundament ihres Lebens und Wirkens bleibt.

Gerade in der Eucharistie ist der priesterliche Dienst Verweis auf Christus hin und deshalb wesentlich Vikariat in einem doppelten Sinne: Der Priester ist nur Vikar Christi und steht in seinem Dienst. Der Priester ist aber wirklich Vikar Christi und ist berufen, sein Evangelium zu verkünden und seiner Gegenwart in den Sakramenten zu dienen. Diesen Primat Christi dürfen wir nun auch bei der heiligen Weihehandlung erfahren. Denn es ist Jesus Christus selbst, der einen Christen zum Priester weiht und ihn in seinen Dienst nimmt.

Stimmen wir deshalb in Stille in das Geschehen der Weihe ein und begleiten wir unseren Diakon Zlatko mit unserem Gebet, damit er sich ganz von Christus berühren lässt und befähigt wird, mit seinem Leben und Wirken als Priester die Tore für Christen zu öffnen, so dass wir Menschen nicht in Ängsten, sondern in großem Gottvertrauen leben können.