CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum am 8. Dezember bevorstehenden Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria.

Der Weg des Advent hat gerade erst begonnen – und heute erfährt er eine Pause. Es ist, wie wenn man in den Bergen wandert und durch einen dichten, dichten Wald aufwärts geht, in den nur kaum Licht einfällt … Und an einem bestimmten Punkt kommt man an eine Lichtung: es gibt keine Bäume mehr, die Sonne erleuchtet alles mit ihrem Glanz und vor unseren Augen öffnet sich ein weiter und wunderbarer Ausblick. Und dann, für einen Moment, hört das Wandern auf. Wir bleiben verzückt stehen, um eine derartige Schönheit zu betrachten. Aber nicht, um dort zu bleiben – um wieder Kraft und Enthusiasmus zu schöpfen, damit auch wir jene Schönheit erreichen, die sich unseren Augen enthüllt hat.

Die Schönheit, die wir heute betrachten, ist Maria, das Meisterwerk der Schöpfung und der Erlösung.

Das Meisterwerk der Schöpfung ist der Mensch. Ein Wesen, das aus der gleichen Materie gemacht ist, aus dem die Erde und das Wasser, der Himmel und die Sterne gemacht wurden. Eine Materie aber, die im Menschen lebendig ist und imstande, zu denken und zu lieben nach dem Bild Gottes! Eine menschliche Natur, die so reich ist, dass sie fähig ist, die Menschwerdung des Gottessohnes selbst zu empfangen.

Aber wo können wir diese Menschheit betrachten? Die erste Lesung hat uns gesagt, dass die Menschheit, von ihren Ursprüngen an, unter der Verderbnis der Sünde leidet. Unsere Natur ist verletzt. Sie ist in der Intelligenz geschwächt, so dass es ihr schwer fällt, die Wahrheit zu erkennen. Sie ist schwach im Willen, der nur matt zum Guten strebt und dazu neigt, dem Bösen nachzugeben. Sie ist verwirrt in den Gefühlen, den Emotionen, dem Leib …

So hören wir oft, dass „der Mensch das grausamste Tier“ sei, dass „der Mensch böse“ sei … Das stimmt nicht. Derartige Sätze sind vom Neid des Teufels inspiriert. Nicht die menschliche Natur ist böse, sondern die Sünde. Aber alle haben gesündigt! Wo finden wir also die wahre Menschheit, das Beispiel, das wir betrachten sollen, das Vorbild, das wir nachahmen sollen? Die Antwort ist klar: In Jesus Christus. Er ist der neue Adam, der perfekte Mensch. Wenn wir in ein paar Wochen seine Geburt in Bethlehem feiern, werden wir in dieser Krippe nicht nur den wahren Gott, sondern auch den wahren Menschen finden, das heißt, den Menschen, so wie Gott wollte, dass er sei.

Sie und ich wissen das gut. Aber – seien wir ehrlich: Wenn wir an Jesus denken, dann fühlen wir uns nicht auf der gleichen Ebene. Natürlich erkennen wir ihn als wahren Menschen an. Aber in ihm ist etwas Wesentliches, das uns unendlich übersteigt: Er ist Gott! Die Person Jesus ist eine göttliche Person. Wenn wir nur ihn hätten, würden wir Gefahr laufen, angesichts seiner Größe wie gelähmt zu bleiben.

Und so sorgt Gottes dafür, dass wir ein gänzlich menschliches Vorbild haben; das Vorbild einer menschlichen – nicht göttlichen – Person, in der die Menschheit vollkommen ist, ohne Makel und Falten, ohne die Veränderungen durch die Sünde: Maria, die ganz Schöne, das Meisterwerk der Schöpfung, das Meisterwerk der Erlösung.

Maria ist die menschliche Person, so wie Gott sie von Ewigkeit her gewollt hat. Wir wissen, dass der Mensch Abbild Gottes ist: nun, Gott ist „voll Gnade“, „reich an Gnade“, wie die Schrift sagt (vgl. Ex 34,6). Der bekannte italienische Kapuzinerpater Kardinal Raniero Cantalamessa erklärt, dass Gott voll Gnade ist in dem Sinn, dass er alles mit Gnade erfüllt. Maria ist voll Gnade, in dem Sinn, dass sie von der Gnade erfüllt ist. Zwischen beiden ist Jesus Christus, der Mittler, der „voll Gnade“ ist in beiderlei Sinn: als Gott ist er der, der die Gnade schenkt; als Mensch ist er von der Gnade des Vaters erfüllt, um jeden zu erfüllen, der an ihn glaubt.

Die Gnade macht die Person Mariens heilig, in allem, was ihre Menschheit ausmacht: Gefühle, Vernunft, Wille.

Wir sollten ab und zu die Gefühle Mariens betrachten. Betrachten wir ihre Reaktion auf den Gruß des Engels: „Sie erschrak.“ Hören wir, was sie nach dem Wiederfinden des zwölfjährigen Jesus im Tempel sagt: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“ Sehen wir ihre Sensibilität bei der Hochzeit zu Kana: „Sie haben keinen Wein mehr!“ Maria ist eine Frau in der Vollständigkeit ihrer Emotionen, die jedoch immer die Fülle der Gnade ausdrücken.

Wir sollten auch die Vernunft Mariens betrachten. Bei der Anrede des Engels „überlegte sie, was dieser Gruß zu bedeuten habe“, sie denkt über die gehörten Worte nach. Bei der Verkündigung der Menschwerdung Christi will sie verstehen: „Wie soll das geschehen?“ Lukas sagt zweimal von ihr, dass sie die wunderbaren Geschehnisse um ihren Sohn „in ihrem Herzen bewahrt“ und darüber nachdenkt.

Zuletzt sollten wir auch den Willen Mariens betrachten. Der Engel – und Gott selbst – wartet auf ihr freies und willentliches „Ja“. Die Menschheit und das gesamte Universum warten auf dieses „Ja“, das man erbitten, aber nicht erzwingen kann. In einem freien und bewussten Akt spricht Maria: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.“ Das ist der große Verdienst Mariens; die freie Zustimmung zum Plan Gottes, die Zustimmung der Liebe eines Geschöpfes zur Liebe des Schöpfers.

All das zertritt der Schlange den Kopf, zerstört die Sünde. All das wird zum Vorbild für uns, die wir die Nachkommen Mariens sind: folgen wir ihren Spuren – wir werden auch in uns die Menschheit verherrlicht sehen.

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

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