Am Hochfest der Gottesmutter Maria, dem 1. Januar 2024, tauschen wir alle Glückwünsche aus; wir wünschen uns gegenseitig, dass das beginnende Jahr „gut“, unbeschwert, glücklich sei. Wir tun gut daran, uns auf diese Weise unser Wohlwollen auszudrücken. Aber wir sind uns auch der Grenzen unserer Wünsche bewusst: Es sind Wünsche, aber Wünsche ändern die Dinge nicht! Es sind Worte, aber menschliche Worte haben oft keinen Einfluss!

Die Lesungen dieses Tages laden uns ein, über den Segen nachzudenken. Der Segen ist der Wunsch Gottes. Und der Wunsch Gottes hat unsere Begrenztheit nicht: der Wunsch, den Gott äußert, ändert die Dinge. Mehr noch: das Wort Gottes erschafft eine neue Wirklichkeit!

Die erste Lesung (Nm 6,22-27) enthält die Worte, mit denen die Priester des Alten Testaments (die Söhne Aarons), dem Willen Gottes entsprechend, das Volk segnen sollten. Heute hilft uns das Wort Gottes zu entdecken, welch großer Reichtum sich unter diesem einfachen Wort „Segen“ verbirgt.

Die erste Bedeutung dieses Wortes ist die des „Geschenkes“. Wenn die Bibel über die Reichtümer der Natur (Felder, Wasser, Wälder, Tiere...) spricht, wird der Begriff „Segen“ verwendet, um zu betonen, dass diese Güter von Gott kommen, sie zeigen die Freigebigkeit Gottes. „Segen” wird auch oft mit dem Wort „Frieden“ in Verbindung gebracht, und drückt auch all  diese Fülle und diesen Reichtum aus. Aber der größte Reichtum, der höchste Ausdruck des Segens ist jener des Lebens und der Fruchtbarkeit: die Kinder sind Segen. Gott segnet und sein Segen bringt immer Leben hervor.

Das Schöne des Segens ist, dass er einen wechselseitigen Strom entstehen lässt, eine Art doppelte Bewegung: die Gnade Gottes kommt auf die Erde herab und der Dank des Menschen steigt zu Gott auf: der Mensch ist von Gott gesegnet und kann so Gott segnen, das heißt, seine Großzügigkeit anerkennen und ihm dafür danken.

Das feierliche Te Deum am letzten Tag des Jahres drückt genau jenen Dank aus, der von der Erde zum Himmel steigt für all die Gaben, die Gott vom Himmel aus auf die Erde ausgegossen hat. Gott hat uns in diesem Jahr gesegnet und wir segnen Gott.

Und hier beginnen die Probleme: Steht uns der Sinn danach, Gott für das vergangene Jahr zu danken? Vielleicht nicht immer. Wenn das, was wir erlebt haben, unseren Wünschen entsprach, vielleicht ja. Aber für das, was uns nicht gefallen hat, was uns hat leiden lassen, für Probleme, die uns immer noch über den Kopf wachsen...?

Angesichts dieser Dinge wird unser Glaube auf die Probe gestellt; er wird geprüft, wie Gold im Feuer geprüft wird. „Glaube“ bedeutet, Gott zu vertrauen, auf seine Liebe zu vertrauen – vor allem, wenn wir sie nicht verstehen. Der Glaube öffnet unser Herz für die Liebe Gottes. Dann betrachten wir alles, was in unserem Leben geschieht, als Geschenk und Segen, die von ihm kommen, und unsere Antwort ist Dank und Lob.

Wenn sich unser Herz jedoch in sich selbst verschließt, dann geht es so aus, dass wir uns Ihm verschließen; wir versinken in der Enttäuschung unsere Erwartung, wir rebellieren gegen das Kreuz, gegen die Mühen, gegen das Leben selbst. Wir sind wie die Israeliten, die in der Wüste gegen Gott murrten. Und das Murren wird zu schlechter Laune, zu Wut, zu Aggressivität, zu Traurigkeit und Depression.

Das Evangelium des heutigen Festes (Lk 2,16-21) sagt uns, dass die Hirten sich eilend aufmachten - und was fanden sie? Einen Stall, einen Mann und eine Frau mit einem Kind, das in einer Krippe lag. Und sie „kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten”.

Das ist erstaunlich. Eine solche Eile, eine solche Freude – wegen einer so unscheinbare Szene. Alles in allem eine Szene des Elends: eine Familie, die nicht einmal einen angemessenen Ort hat, an dem sie ihr Kind auf die Welt bringen kann...! Und doch gehen die Hirten vollkommen ein in die Freude Gottes. Wie gelingt ihnen das? Es ist klar: Sie haben das Wort des Engels gehört. Das Wort deutet die Ereignisse und die Ereignisse bestätigen das Wort. So entsteht der Glaube, ein lebendiger und gelebter Glaube. So tritt man ein in den Segen.

Das Problem ist: Wenn wir uns nicht von seinem Wort erleuchten lassen, dann kommt der Segen Gottes, aber wir erkennen in nicht. Wir sehen nur den Stall, ein ärmliches Paar, ein schlafendes Kind. Wir verstehen nicht, dass das vor unseren Augen das Geheimnis Gottes ist.

Wir leben von diesem Segen, der sich in Jesus verwirklicht, der „von einer Frau geboren” wurde, wie die zweite Lesung sagt (Gal 4,4-7). Jesus, die gebenedeite, das heißt gesegnete, Frucht des gebenedeiten Leibes der gebenedeiten Jungfrau Maria. Das ist der Sinn des heutigen Festes: die allerseligste Gottesmutter Maria.

Das Evangelium sagt uns, dass Maria all diese Dinge in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte Das ist die Schule des Glaubens, in der Maria die Lehrerin ist; auch sie lebte im Glauben, wuchs im Glauben, wurde im Glauben geprüft. Und in dieser Schule gibt es zwei Lehrbücher: das Wort Gottes und die Ereignisse des Lebens.

Lernen auch wir, in der Schule Mariens, die Ereignisse des Jahres  zu bewahren und in unserem Herzen im Licht des Wortes Gottes darüber nachzudenken. Kehren wir in unsere Häuser zurück und rühmen wir Gott und priesen ihn für all das, was wir gehört und gesehen haben – auch für das, was wir uns nie „gewünscht” hätten. Und der Segen Gottes wird immer über uns bleiben.

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.

Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln die Ansicht des jeweiligen Autors wider. CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.