6. Januar 2024
CNA Deutsch dokumentiert im Wortlaut die Predigt von Kardinal Kurt Koch zum Hochfest der Erscheinung des Herrn in der Kirche des Campo Santo Teutonico im Vatikan. Der 6. Januar ist gleichzeitig auch der Jahrestag der Bischofsweihe von Koch im Jahr 1996. Er empfing die Weihe von Papst Johannes Paul II.
Das heutige Hochfest von der Erscheinung des Herrn heisst mit seinem ursprünglichen und authentischen Namen „Epiphanie“. In diesem Namen kommt sehr schön zum Ausdruck, welches der rote Faden nicht nur dieses Festes, sondern aller Festgeheimnisse im Weihnachtsfestkreis ist. An allen weihnachtlichen Festtagen geht es im Grunde um das Gleiche, nämlich um Epiphanie. Es geht um das Hereinscheinen des Lichtes Gottes in unsere Welt: Weihnachten selbst redet von der Geburt Jesu im Stall, die von Engeln verkündet wird, die ihrerseits vom Lichtglanz Gottes umleuchtet sind. Am letzten Fest im Weihnachtsfestkreis, am Fest der Taufe des Herrn, werden wir von dem geöffneten Himmel über dem Jordan hören, aus dem Gottes Stimme ertönt, die das Geheimnis Jesu im besten Sinne des Wortes, nämlich lichtvoll, aufklärt. Und am heutigen Fest der Erscheinung des Herrn steht der Stern im Mittelpunkt, von dem erhellt die Magier aus dem Osten den Weg zur Krippe von Bethlehem finden. Hier ereignet sich vollends Epiphanie, Hereinscheinen des Lichtes Gottes in unsere Welt. Alle diese Festtage sind von der gleichen Symbolik getragen: vom Symbol des Lichtes. Jesus Christus wird uns als Licht der Welt und unseres Lebens verkündet – im Anklang an die alttestamentliche Verheissung: „Auf, werde licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir“ (Jes 60,1).
Lichtvoller Text und dunkler Kon-Text
Mag dieser Text aus einer noch so weiten Vergangenheit ertönen, er wird uns auch heute unmittelbar aufhorchen lassen. Denn wonach würden wir Menschen uns mehr sehnen als danach, dass über unserem persönlichen Leben ein Licht leuchtet, und zwar ein starkes Licht, das die Finsternis vertreibt und das Leben erhellt? Epiphanie ist das befreiende Signalwort Gottes auf die tiefste Sehnsucht von uns Menschen. Denn es verkündet: Erscheinung des Lichtes Gottes in Jesus Christus für uns Menschen, Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus zum Heil der ganzen Welt.
Darin besteht der zentrale Kern des christlichen Glaubens überhaupt. Die frühe Kirche hat Epiphanie vor allem in der Auferweckung Jesu Christi aus dem Tod erfahren; und deshalb war Ostern für die ersten Christen das Hauptfest. Denn im siegreichen und den Tod überwindenden Handeln Gottes an Jesus Christus in seiner Auferweckung haben die Christen Epiphanie erlebt: die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes und das Erscheinen des göttlichen Lichtes. Von der österlichen Auferweckung her fällt freilich Licht zurück auf den ganzen Lebensweg Jesu und letztlich auch auf seine Geburt. Dies ist Grund genug, voll Freude Epiphanie zu feiern. Wir feiern dieses Fest aber nur dann aus der Mitte unseres Glaubens heraus, wenn wir es im Vorschein von Ostern feiern: Im Vorschein der vollen Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in der Auferweckung Jesu Christi leuchtet auf, dass im Kind in der Krippe zu Bethlehem das Licht Gottes selbst erschienen ist. Und diese Erscheinung der Herrlichkeit Gottes ist der zentrale Text des heutigen Weihnachtsfestes; und sein Stichwort heisst wiederum „Bethlehem“.
Muss man bei dieser Botschaft aber nicht arg ins Stocken geraten? Kann man heute so ohne weiteres von der Offenbarung des Lichtes Gottes reden? Sprechen da unsere Zeit und unsere Welt nicht eine ganz andere Sprache? Nicht nur vom Text des Epiphaniefestes kann deshalb die Rede sein, sondern es ist auch vom Kon-Text zu reden, von der Welt und von der Zeit, in die hinein der Text des Epiphaniefestes laut werden soll. Hier aber ist das Symbol oft genug nicht das Licht; sein Diabol ist vielmehr Dunkelheit und Finsternis. Und das Stichwort heisst nicht „Bethlehem“, sondern „Syrien“, „Ukraine“, „Israel und Gaza“ und noch viele andere Namen in der heutigen Welt.
Dieser dunkle Kontext ist freilich nicht neu. Bereits der Prophet Jesaja begründet seine Ankündigung des Lichtes des Herrn mit der realistischen Feststellung: „Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde, und Dunkel die Völker“ (Jes 60,2a). Auch heute fällt das Fest der Erscheinung des Herrn in eine Situation von Finsternis und Dunkelheit. Das Fest der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes wird gefeiert in einer Zeit, in der gerade sensible Dichter nicht vom Offenbarwerden, sondern vom Schweigen Gottes sprechen. Und diese Dichter verarbeiten damit nur, was viele Menschen spüren und bitter erfahren müssen. Daran dürfen gerade wir Christen nicht vorbeisehen. Das Epiphaniefest kann nicht an den Erfahrungen der Verborgenheit Gottes im Leben so vieler Menschen heute vorbei gefeiert werden.
Diese Erfahrungen sprechen heute eine deutliche Sprache – auch im Leben von uns Christen selbst. Auch wir kennen Erfahrungen der Verborgenheit und des Schweigens Gottes. Allzu oft mischen sich auch heute unzählige klagende und schreiende Stimmen in den weihnachtlichen Friedensgesang der Engel. Im persönlichen Leben der Menschen und in der Geschichte der Welt ereignet sich so oft nicht Epiphanie, Erscheinung des Lichtes Gottes, sondern herrscht tiefe Dunkelheit und schweigende Verborgenheit Gottes.
Tröstliches „Dennoch“ Gottes
„Doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir“ (Jes 60,2b). Was Jesaja mit diesem tröstlichen „Dennoch“ Gottes verheissen hat, wird an Epiphanie Wirklichkeit. Gerade in unseren dunklen Kon-Text hinein stellt das heutige Fest seinen befreienden Text mit dem Symbol des Lichtes und mit seinem Stichwort „Bethlehem“: Im Kind in der Krippe leuchtet das Licht der Welt auf. Dies ist eine grosse Herausforderung des Glaubens. Es wird gut sein, wenn wir uns gleich zu Beginn des Neuen Jahres ehrlich fragen, ob wir Weihnachten wirklich als Fest des Lichtes Gottes erlebt haben oder bloss als kleine Aufhellung und als bescheidene Lichtung, um nachher umso tiefer wieder in die Finsternis unseres Lebens eintauchen zu müssen? War Weihnachten mehr als das schnelle Auftauchen einer Sternschnuppe am Himmel, die alsbald wieder verschwindet, und mehr als eine kleine Pause vom allgemeinen Schweigen Gottes?
Dass Weihnachten unendlich mehr ist, darin besteht die tröstliche Verheissung von Epiphanie: Von Ostern her verkündet dieses Fest, dass über unserem Leben ein endgültiges Licht aufgegangen ist und dass es in Bethlehem gefunden werden kann. Diese befreiende Botschaft schulden wir Christen der heutigen Welt. Aber wie kann und soll diese Botschaft laut werden? Wie soll es bekannt gemacht werden, dass im Kind zu Bethlehem das Licht Gottes selbst erschienen ist?
Dies an dem unauffälligen und deshalb leicht zu übersehenden Kind in seiner Armut und Ohnmacht sichtbar zu machen, ist schwer. Einen genialen Weg hat der Evangelist Matthäus eingeschlagen. Er hat sich nämlich dafür ein Publikum geschaffen: die Magier, die aus dem Osten kommen, um das Kind anzubeten. Diese Magier haben bei Matthäus eine ähnliche Aufgabe wie die Hirten in der Weihnachtsgeschichte des Lukas: An ihrer Reaktion soll offenkundig werden, dass in diesem Kind Gottes Licht erschienen ist.
Die Botschaft von Epiphanie muss publik werden, und dafür schafft sich Matthäus ein Publikum. Denn was sich im Dunkel des Stalls zu Bethlehem ereignet hat, muss ans Tageslicht unserer Welt kommen. Deshalb erzählt Matthäus die Geschichte von den Magiern aus dem Osten, und mit ihnen zeichnet er letztlich auch uns. Denn von unserer Einstellung zum Geschehen in Bethlehem wird es entscheidend abhängen, ob dieses Licht auch in unserem Leben wirklich aufgehen kann. Das Epiphaniefest lädt uns ein, uns auf diese Geschichte einzulassen, um gleichsam wie in einem Spiegel uns selbst zu betrachten und um uns Rechenschaft zu geben über unsere Einstellung zum weihnachtlichen Geschehen.
Epiphanie im christlichen Leben
Die Erscheinung des göttlichen Lichtes in Bethlehem will sich auch in unserem Leben fort- und übersetzen: Wie Gold, Weihrauch und Myrrhe zu Gaben auch des Abschieds der Magier von ihrem bisherigen reichen Leben geworden sind, das sie jetzt nicht mehr nötig haben, weil sie einen viel kostbareren Reichtum gefunden haben, so ist auch heute von uns eine Ganzhingabe gefordert, eine Lebenshaltung, die sich ausrichtet am Willen Gottes. Damit auch wir bereit werden, in den Willen Gottes einzuwilligen, brauchen wir jenes Fernrohr des Herzens, durch das die Magier aus dem Osten, angetrieben von ihrer Sehnsucht nach dem Hereinscheinen des göttlichen Lichtes in ihre Welt, geschaut und deshalb im Kind in der Krippe den verheissenen Messias gefunden haben.
Auch wir haben heute dieses Fernrohr des Herzens in der Welt dringend nötig, damit in ihr die Botschaft von Epiphanie publik werden kann. Dafür hat sich Matthäus ein Publikum geschaffen: An der Reaktion der Magier soll deutlich werden, dass im Kind in Bethlehem Gottes Licht erschienen ist. Doch nicht erst Matthäus hat sich in seiner Erzählung ein Publikum geschaffen. Gott selbst hat es zuvor an Weihnachten getan. Hier hat er sich ganz uns Menschen verschrieben und sein eigenes Geschick in die Hände von uns Menschen gelegt. Für ihn war Weihnachten nicht bloss eine schöne Episode, sondern für ihn hat Weihnachten bleibende Konsequenzen: Fortan soll sich die Erscheinung des Lichtes Gottes in dieser Welt durch uns Menschen ereignen.
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Wir Christen feiern jedes Jahr Epiphanie, damit durch unser Christenleben hindurch Gottes Epiphanie, Erscheinung des befreienden Lichtes Gottes geschehen kann, und zwar mit dem gleichen Notenschlüssel: So unscheinbar und unauffällig die Erscheinung des Herrn in Bethlehem war, so gewöhnlich und unsensationell wird sich auch seine Epiphanie im Leben des Christen und der Gemeinschaft der Kirche heute ereignen. Deshalb braucht es auch hier die offenen Augen der Magier und die Bereitschaft, aufzubrechen und mobil zu werden. Und da beginnen unsere Weihnachtskonsequenzen: „Auf, werde licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir.“ Amen.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.