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Wusste Jesus wohl manchmal nicht genau, wie es weitergehen sollte, wie er weitermachen sollte? War Jesus wohl manchmal hin- und hergerissen zwischen zwei Alternativen? Fühlte er sich manchmal unter dem Erwartungsdruck der Menschen? Unter dem Erwartungsdruck seiner Jünger? Oder war Jesus so souverän, dass er immer schon genau wusste, was der nächste Schritt war, den er gehen sollte?

Jesus war ja zunächst ein Mensch. Als Mensch war er nicht allwissend. Aber ich habe den Eindruck, dass er sehr souverän war und klare Entscheidungen traf.

Das heutige Evangelium zeigt ein wenig die drei Herausforderungen, zwischen denen er sich manchmal entscheiden musste, denen er sich stellen musste. Manchmal musste er sich nämlich zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden. Das eine war die Verkündigung des Reiches Gottes. Er sagte ja immer wieder: Das Reich Gottes steht vor der Tür. Das zweite war die tätige Hilfe – im heutigen Evangelium das Heilen der Kranken und das Austreiben der Dämonen. Und das dritte war das Gebet zum Vater. Offenbar musste Jesus sich immer wieder Orientierung durch das Gebet zum Vater holen. Drei Herausforderungen: Verkündigung, Hilfe, Gebet.

Schauen wir uns die drei Bereiche im heutigen Evangelium an. Jesus kommt in das Haus des Petrus, sieht die kranke Schwiegermutter und heilt sie. Offenbar spricht es sich gleich herum. Und daher bringen die Leute aus Kapharnaum ihre Kranken. Sie drängen sich vor dem Haus des Petrus. Jesus heilt und vertreibt Dämonen. Dann vergeht offenbar die Nacht. Frühmorgens steht Jesus auf, geht ins Einsame und betet. Ich denke, wir dürfen uns vorstellen: Er sucht Orientierung beim Vater, wie er weitermachen soll. Er sucht neue Festigkeit in seiner Berufung.

An dieser Stelle hilft es, sich an die Versuchungsgeschichte zu erinnern. Offenbar war auch Jesus versuchbar, angreifbar durch widergöttliche Kräfte. Wir nennen das den Teufel. Also, er brauchte wohl auch immer wieder Orientierung, Ausrichtung, Antworten auf die Fragen, die ihm kamen. Und denken wir auch an Jesu Ringen im Ölgarten vor seinem Tod. Er ringt mit dem Willen Gottes. Und sagt schließlich: Nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine. Er hat also einen eigenen Willen. Der eigene Wille muss sich unterwerfen, muss den Willen des Vaters erfüllen. Jesus sucht also immer wieder nach dem Willen des Vaters. So hat er vielleicht auch nach der Nacht im Haus des Petrus erst noch suchen müssen, wie es weitergehen soll. Soll er weiterhin primär die Kranken heilen, die zu ihm gebracht werden? Und es nimmt wohl kein Ende. Je mehr er heilt, umso mehr spricht es sich herum, und es kommen immer mehr Kranke aus der weiteren Umgebung. Und dann wird sein Gebet unterbrochen. Einige Jünger kommen zu ihm und sagen: Komm schnell, immer mehr Leute suchen dich. Und Jesus sagt: Nein, ich muss weiter, von hier fort, muss in andere Orte und Städte. Ich muss zu anderen Leuten. Ich muss das Kommen des Reiches Gottes verkündigen.

Und nun erlaube ich mir einen Sprung in die Kirche unserer Tage in unseren Breiten. Die Kirche steht vor den gleichen Herausforderungen wie Jesus. Sie muss helfen und heilen, sie muss verkündigen und sie muss beten. Mit anderen Worten: Sie hat einen sozialen Auftrag. Der ausgeraubte Mensch am Straßenrand ist eine Herausforderung, die Kirche muss helfen. Und dieses Helfen ist der Bereich, in dem die Kirchen heute besonders gefragt und geschätzt sind. Jüngste Umfragen zeigen es. Wo die Kirche Sozialarbeit macht, wird sie anerkannt und gebraucht.

Die Kirche muss aber auch verkündigen. Wenn sie nicht mehr von Jesus spricht, wenn sie nicht mehr von Gott spricht, versäumt sie ihren zentralen Auftrag. Wenn sie nicht mehr von der Liebe Gottes spricht, nicht vom Kreuzestod Jesu, von seiner Auferstehung, vom Heiligen Geist, dann wird die Kirche überflüssig. Denn Sozialarbeit kann auch der Staat, die Kommune leisten. Ja sie müssen es sogar.

Die Kirche muss aber auch beten. Sie muss Orientierung bei Gott suchen, sie muss die Welt und ihre Geschichte durch den Blick auf Gott interpretieren. Sie muss nach dem Willen Gottes fragen. Sie muss hören. Sie muss aufmerksam sein, muss die Zeichen der Zeit sehen und interpretieren. Die Kirche muss vor Gott schweigen. Wenn sie nur redet und die Ärmel aufkrempelt, wird ihr Tun oberflächlich und eine bezahlbare Dienstleistung. Sie muss den Blick auf Gott gerichtet halten. Sie muss aufs Kreuz Jesu schauen. Wenn sie das nicht tut und nicht immer wieder tut, wird sie ein Verein von Managern.

Beten und Verkündigen aber scheint heute vielen fremd. Ja – wir geben zwar zu, dass wir Meditation brauchen. Wir geben zu, dass wir manchmal in uns gehen müssen. Aber den Blick zu Gott zu erheben, ist unserer Kultur eher fremd.

Kurz: Kirche muss heute provozieren, so wie Jesus provoziert hat. Er hat provoziert, indem er nicht nur heilte, nicht nur aktiv war, sondern frühmorgens zum Beten ging. Und dann seinen Weg weiter ging zu anderen Menschen. Jesus war anders, als seine Jünger und die Masse erwarteten. Er war provozierend. Wehe uns, wenn wir das Provozierende Jesu nicht mehr aushalten. Lassen wir uns von ihm und seinem Kreuz und der Auferstehung provozieren.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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