Pseudo-Dionysius Areopagita ist einer der großen Unbekannten der christlichen Geistesgeschichte – dennoch ist seine enorme Bedeutung unbestritten. Wer war dieser große Philosoph und Theologe, der als Kirchenvater gilt und den der Heilige Thomas von Aquin als seinen Lehrer bezeichnete? Es wird Zeit für eine Wiederentdeckung.

Für eine erste Annäherung gibt es dankbarere Autoren als den Areopagiten. Denn schon mit dem Namen dieses großen Denkers fangen die Schwierigkeiten an. Mittlerweile weiß man, dass es sich bei dem Schöpfer des Corpus Dionysiacum – den gesammelten Schriften des Areopagiten – sicherlich nicht um jenen Dionysius vom Areopag handelte, der ausweislich der Apostelgeschichte der Einzige Athener war, der in direkter Folge auf Paulus berühmte Rede auf dem Areopag zum Christentum bekehrt wurde. Viel eher nutzt der Autor den Namen des Schülers des Paulus und zweiten Bischofs von Athen als Pseudonym, während er selbst, dessen tatsächlicher Name unbekannt ist, wohl zu Beginn des 6. Jahrhunderts in der Gegend von Antiochia lebte. Man sollte sich davor hüten, diesen Umstand als Anmaßung oder eitles Versteckspiel zu betrachten, denn in der Spätantike war die Übernahme eines fremden Namens eher ein Zeichen von Verehrung: es war ein Indiz dafür, dass der Autor das eigene Werk demütig in die Tradition eines Anderen zu stellen beabsichtigte.

Wer heute noch durch Zufall auf den Areopagiten stößt, tut dies zumeist im Zusammenhang mit der negativen Theologie. Deren zentraler Gedanke ist es, dass begriffliche Konzepte nicht hinreichen würden, um das Wesen Gottes zu beschreiben. Deshalb sei es besser, Aussagen über Gott nur in der negativen Form zu treffen. Pseudo-Dionysius Areopagita gilt als einer der wichtigsten Vertreter dieser theologischen Strömung. In einem seiner wichtigsten Werke, welches den Titel „Über die Namen Gottes“ trägt, entwickelt er die grundlegende Annahme der negativen Theologie in paradoxalen Wendungen. So sei Gott „ein nicht gedanklich faßbarer Gedanke, ein unaussprechliches Wort, Wort- und Gedanken- und Namenlosigkeit, beschaffen nach keinem der Wesen, zwar Ursache des Seins für alles, selbst aber, weil sie über alles Sein erhaben ist, ohne Sein“.

Schon hier wird ersichtlich, dass die Sprache des Areopagiten etwas eigentümlich ist. Mit seiner Vorliebe für Aufzählungen und Sätze, welche durchaus eine halbe Seite füllen können, ist er einer der schwierigeren Autoren. Wer sich aber auf ihn einlässt, den erwartet eine einzigartige Kontemplation über das, was jeden Christen in seinem Innersten angeht. Wer ist Gott und wie können wir uns zu Ihm verhalten? Was ist das Wesen Gottes und was wissen wir darüber?

Man muss dem Areopagiten dabei nicht in die schweigende Mystik folgen, welche sich sicherlich im Horizont seines Denkens befindet. Es genügt, für seine Ausführungen offen zu sein bis zu jenem Punkt, an dem die eigenen, bequemen Annahmen über Gott fragwürdig erscheinen und sich neue Wege des Denkens und Betens auftun. Denn als Theologe, der die biblische Tradition sehr ernst nimmt, ist es keineswegs das Ansinnen des Areopagiten, seine Leser zu verunsichern oder sie mit einer gänzlich entleerten Vorstellung von Gott zurückzulassen. Schon zu Beginn von „Über die Namen Gottes“ statuiert er: „Man darf demnach überhaupt nicht wagen, irgendetwas über die überwesentliche und verborgene Gottheit zu sagen oder gleichwohl zu denken mit Ausnahme dessen, was uns durch göttliche Eingebung in der Heiligen Schrift geoffenbart worden ist.“

Die Bibel ist also auch für Dionysius das maßgebliche Dokument. Er verweist lediglich darauf, dass Gott in Seiner letzten Totalität für den Menschen als von Ihm und auf Ihn hin Geschaffenen gedanklich unverfügbar ist. Diese Beschränkung des Denkens mag befremden, richtig verstanden kann sie zum Ausgangspunkt einer gesunden Demut, dem Beginn einer tatsächlichen „Theologie auf Knien“ werden.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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