Die deutsche "Bild"-Zeitung hat am gestrigen Dienstag die Abschaffung der Glaubenskongregation gefordert. In Anlehnung an Martin Luther sei diese "These" ein notwendiger Schritt nach dem - von vielen als gescheitert bezeichneten - Krisengipfel im Vatikan.

Dass die Forderung weder neu noch besonders originell ist: Das zeigt dieses Feature des bekannten Autors und Historikers Ulrich Nersinger, das lange vor dem Bild-Artikel im "Vatican Magazin" erschienen ist und CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung hier veröffentlicht.

Der Chef vom Dienst schüttelte den Kopf. Nein, so könne der Artikel nicht in Druck gehen, erklärte er lächelnd dem jungen Redakteur, der schüchtern vor seinem Schreibtisch stand. Der Beitrag sei viel zu brav. Ihm fehle der nötige Pfiff. Frech müsse er daherkommen, den Leser aufregen, ihn regelrecht nervös machen. "Bei solchen Themen dürfen Sie agressiv sein. Das mögen die Leute!" Er solle doch in seinem Text nicht immer von der "Kongregation für die Glaubenslehre" sprechen. "Die ehemalige Inquisitionsbehörde", das sei griffiger und wecke das Interesse der Leute. Und überhaupt, wie käme er dazu, dieser überholten vatikanischen Institution auch nur irgendetwas Positives abzugewinnen. Wären denn nicht alle froh, wenn diese Behörde für ewig von der Bildfläche verschwinden würde?

Die Szene – sie hat sich in der Redaktion einer Kirchenzeitung abgespielt – ist symptomatisch für den Umgang mit derjenigen Einrichtung der Römischen Kurie, der vom Papst die Sorge für die Glaubenslehre anvertraut ist. Sie taugt noch heute als Schreckgespenst: die 1542 von Paul III. zum Schutz des Glaubens errichtete "Heilige Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition". Ausgeklügelte Foltermethoden, grausame Kerkerhaft und eine Unzahl lodernder Scheiterhaufen werden mit ihr in Verbindung gebracht. Heute wissen wir, dass viele dieser Anschuldigungen übertrieben sind oder nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Ohne manche Fehlentwicklungen zu beschönigen oder zu entschuldigen, für die damalige Zeit war die Inquisition – so seltsam es auch klingen mag – eine sehr moderne Behörde, die, im Gegensatz zu weltlichen Entsprechungen, in ihren Untersuchungen Rechtsnormen einführte und sich sogar an sie hielt.

Obwohl sie bereits seit Jahrhunderten niemandem mehr köperlichen Schaden zugefügt hat, ist ihr Ruf nicht besser geworden, auch nicht durch diverse Namensänderungen, so 1908 in "Heiliges Offizium" und 1965 in "Kongregation für die Glaubenslehre". Ihr Auftrag, den sie im Namen des Papstes ausübt, um das Glaubensgut für das Volk Gottes unversehrt zu bewahren, wird oft nicht als altkirchliche, ja vom Evangelium geforderte Verpflichtung erkannt. Die Kongregation unterdrücke den freien Willen des Menschen, sie handle autokratisch. Dabei gab e svon der obersten Glaubensbehörde in ihren Untersuchungen schon eine Gesprächsbereitschaft, als der Begriff "Dialog" noch nicht die ihm heute zukommende Gewichtung besaß. Theologen, die in ihrer Selbstüberschätzung oder Eitelkeit in Irrtümern verharrten und daran gehindert wurden, diese weiterhin innerhalb der Kirche zu verbreiten, besaßen in der Regel viel Geschick darin, ihre "Verfolgung" in klingende Münze umzusetzen. Ein Verlag, der ihre Werke gewinnbringend herausbrachte, fand sich immer.

Am 28. Juni 1988 erließ Papst Johannes Paul II. die Apostolische Konstitution  "Pastor Bonus". Die Verfügung des Heiligen Vaters über die Zusammensetzung der Römischen Kurie stellt fest, dass es die besondere Aufgabe der Kongregation für die Glaubenslehre ist, "die Lehre über Glaube und Sitten auf dem ganzen katholischen Erdkreis zu fördern und zu schützen". Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, die Glaubenslehre zu fördern, "unterstützt sie solche Studien, die darauf gerichtet sind, dass das Glaubensverständnis wachse und dass auf die aus dem Fortschritt der Wissenschaften und der menschlichen Kultur entstandenen Fragen eine Antwort im Licht des Glaubens gegeben werden kann". Die Kongregation handelt dabei kollegial: "Sie unterstützt die Bischöfe, und zwar als einzelne wie auch in ihren Zusammenschlüssen, bei der Ausübung ihres Dienstes, durch den sie als authentische Lehrer und Verkünder des Glaubens eingesetzt sind, und wodurch sie gehalten sind, die Unversehrtheit dieses Glaubens zu schützen und zu fördern."

Um die Wahrheit des Glaubens und die Unversehrtheit der Sitten zu sichern, "trägt sie dafür Sorge, dass nicht Glaube und Sitten durch allgemein verbreitete Irrtümer irgendeinen Schaden nehmen". Es ist ihre Pflicht, Schriften und Lehrmeinungen von Katholiken zu prüfen, "die als dem rechten Glauben entgegengesetzt und gefährlich erscheinen, und, wenn feststeht, dass sie der Lehre der Kirche entgegen stehen, weist sie diese rechtzeitig zurück, nachdem sie ihrem Urheber die Gelegenheit gegeben hat, seine Auffassung umfassend darzulegen". Die Kongregation hat dafür zu sorgen, "dass es nicht an einer geeigneten Widerlegung falscher und gefährlicher Lehren fehlt, wenn sich solche möglicherweise im christlichen Volk verbreitet haben". Der Glaubenskongregation sind daher eine internationale Theologenkommission und die Päpstliche Bibelkommission angegliedert.

Und auch wenn es die Medien immer wieder versuchen: Die Präfekten der Glaubenskongregation taugen nicht als grimmige Großinquisitoren, die eigenhändig in den Wäldern der Albaner Berge das Holz für meterhohe Scheiterhaufen im Innenhof des Palazzo del Sant’Uffizio sammeln. Alfredo Ottaviani, Franjo Seper, Joseph Ratzinger und William Joseph Levada waren weder zähnefletschende "Wachhunde" noch Menschen und Ideen niederwalzende "Panzerkardinäle". Sie sahen sich als Männer der Kirche, die den Glauben fördern, auslegen und schützen sollten. Alfredo Ottaviani, der Bäckersohn aus dem römischen Stadtviertel Trastevere, galt in den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Galionsfigur des konservativen Flügels der Kirche, als kämpferischer und unerbittlicher Hüter des Glaubens. Was den Krieg betraf, hielt der Purpurträger die militärischen Auseinandersetzungen in der Moderne für durch und durch unsittlich und den Einsatz von Atomwaffen für ein Verbrechen. Von seinem Salär als ranghoher Mitarbeiter der Kurie unterstützte er eine Vielzahl von Waisenhäusern und Heimen, die er in seiner knapp bemessenen Freizeit häufig aufsuchte. Bei einem dieser Besuche sah er die Zöglinge eines Kinderheims mit Holzschwertern kämpfen. Alfredo Ottaviani rief die Oberin des Hauses zu sich, leerte seine Geldbörse und sagte: "Kauft Fußbälle!"

Nichts anderes macht die Kongregation für die Glaubenslehre tagtäglich. Sie erkennt Irrtümer, untersagt sie und zeigt die Alternative auf.

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