Vorgespräch vor kurzem zu einem Interview über den Frauendiakonat. "Dass Sie vorbereitet sind, ich nehme die argumentative Gegenposition ein." Pause. "Aber, Sie sind nicht wirklich dagegen, oder?" Nach dem Interview zu einer Kollegin. "Ich habe das Thema mal kritisch hinterfragt." Pause. "Wieso kritisch?"

Als Journalist ist es meine Aufgabe jedes Thema unvoreingenommen, aber auch kritisch anzugehen und zu hinterfragen. Bei keinem Thema fällt mir das im Moment so schwer, wie der Frage, ob die katholische Kirche Frauen zu Diakoninnen oder Priesterinnen weihen soll.

Mit der Vorgehensweise der Aktion "Maria 2.0" habe ich ein Problem. Warum wird von vorneherein davon ausgegangen, dass ich dahinterstehen muss? Warum darf es in jedem Bereich von Kirche und Gesellschaft Kritik und Diskussion geben, hier aber nicht?

Die Damen, die diese Woche auf die Straße gehen, bekommen vielleicht viel Zuspruch der Öffentlichkeit und Medien. Aber ist ihnen selbst wirklich klar, was da alles gewünscht und gefordert wird?

Wenn sie von vornherein gesagt hätten: Wir legen unsere ehrenamtliche und hauptamtliche Arbeit nieder für mehr Mitbestimmung, dann fände ich das in Ordnung. Die Kirche hat Nachholbedarf, was die Anerkennung der Arbeit von Frauen angeht. Die Aktivistinnen disqualifizieren sich aber mit einem kleinen Halbsatz. Es geht nicht um die Arbeitsverhältnisse und Organisationsstrukturen, es geht um die Weihe. Sie wollen nicht nur die Arbeit niederlegen, sondern eine Woche lang nicht zum Gottesdienst. In den Gottesdienst zu gehen ist keine Arbeit.

Schaut man sich die Predigten zu Priesterweihen, oder aktuelle Papstreden an, dann steht immer das Wort des Dienens im Mittelpunkt. Jeder Priester und Diakon soll der Gemeinde dienen. Wenn die Damen eine Berufung zum Weiheamt empfinden, warum taucht dann immer wieder das Wort "Macht" und nicht das Wort "Dienen" in der Diskussion auf? Natürlich, früher und heute wurden kirchliche Verantwortungspositionen und damit Macht missbraucht, aber sollte man das zum Ziel und Kern einer Weihediskussion machen?

Was würde Papst Franziskus sagen, auf die Frage: Wie stehst du zur Macht in der Kirche? Franziskus spricht regelmäßig vom Problem des Klerikalismus, und dass die Kirche davon weg muss. Sollte man diese Strukturen noch erweitern? Ich finde: Wer den Papst ernst nimmt, der darf sich von der Geschlechterfrage hier nicht ablenken lassen.

Noch mal betont: Verantwortung für Frauen ist gut. Ich hätte nichts dagegen in jedem deutschen Bistum eine Verwaltungschefin zu sehen. Aber das hat nichts mit der Weihe zu tun.

Was mir in der Diskussion fehlt, sind die leisen Stimmen. Warum kommen die Argumente für die Weihe immer aus der Richtung, wo man sie erwartet? Was sagen die Nonnen? Was denken zB die drei Ordensschwestern, die auf internationaler Ebene Generalsekretärinnen von Bischofskonferenzen sind? Was sagen die Theologiestudentinnen im In- und Ausland? Wer am lautesten ist, hat nicht unbedingt Recht. So lange wir nicht alle Stimmen zu Wort kommen lassen, möchte ich als Mann kein Urteil fällen, weder dafür noch dagegen. Ich möchte mich aber genau so wenig von vorneherein vereinnahmen lassen. 

Renardo Schlegelmilch ist freier Journalist mit Schwerpunkt Religion und Gesellschaft. Unter anderem für den Deutschlandfunk und Vatican News berichtet er über Christen in aller Welt. Regelmäßig recherchiert er im Vatikan.

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