Wir kennen diese Frage, auch ihre Vorstufen und Varianten, sehr gut: Magst du mich? Hast du mich wirklich gern? Lässt du dich ganz auf mich und mit mir ein? Hast du mich lieb? Liebst du mich?

Immer wieder rührt mich der Epilog des vierten Evangeliums, besonders Joh 21,15-19. Johannes berichtet zunächst von der Erscheinung des Herrn am See von Tiberias. Nachdem die Jünger gegessen hatten, führt Jesus ein Gespräch mit dem Apostel Petrus. Möchten Sie so direkt – und mehr als einmal – wirklich gefragt werden: Liebst du mich? Petrus kann der Frage nicht ausweichen. Der Auferstandene steht vor ihm.
Wir weichen gern aus, besonders Fragen. Auf einige geben wir am liebsten keine Antwort. Mehr noch, wir möchten die Fragen nicht hören, ihnen nicht ausgesetzt sein. Es sind Fragen wie: Sagst du die Wahrheit? Bist du traurig? Habe ich dir wehgetan? Warum meldest du dich nicht mehr bei mir? Warum lässt du mich allein? Denkst du noch an mich? Oder hast du mich vergessen? Warum gehst du nicht mehr zur heiligen Messe? Liebst du mich nur, wenn es dir gutgeht? Liebst du mich nur, wenn du mich brauchst? Liebst du mich wirklich?

Manche reißen sich los wie das verlorene Schaf. Ob sie die Frage, die an Petrus gerichtet ist, noch hören? Der gute Hirte gibt nicht auf. Wir wissen: Der Kummer wächst in der Kirche, in den Gemeinden, in den Familien. Manche distanzieren sich vom Glauben der Kirche. Viele bleiben zu Hause, wenn die Glocken läuten. Auf das frohe Fest der Erstkommunion folgt oft der leise Auszug. Die festlichen Kleider werden abgelegt, die guten Vorsätze aufgegeben. So viele, die eine Zeitlang manchmal sogar mit dem Herzen dabei waren, kommen später nicht mehr. Manchmal scheint es, als ob das Fest der ersten heiligen Kommunion Anfang und Abschied in einem war – nämlich auch die letzte heilige Kommunion.

Früher wurde am Mittagstisch die Predigt diskutiert. Heute sitzt vielleicht die Familie noch beisammen, im besten Fall. Heute wird vielleicht über Serien auf Netflix, US-Präsident Trump und König Fußball gesprochen. Zur heiligen Messe gehen viele nicht mehr. Warum nur? Vergessen wir nie, für alle unsere Schwestern und Brüder im Glauben zu beten, besonders auch für jene, die nicht zur heiligen Messe kommen. Verdunstet der Glaube? In aller Geschäftigkeit heute und auch in der spürbaren Verlorenheit so vieler Menschen, die wir immer wieder bezeugen, scheinen die letzten Freiräume für Gott sich aufzulösen oder anders gefüllt zu werden – vor allem dann, wenn die Feier der heiligen Messe in Konkurrenz mit weltlichen Freizeitbeschäftigungen tritt. Nicht nur in entzweiten und zerbrochenen, auch in gut katholischen Familien stellen wir nicht selten eine wachsende Distanz zu Gott und Seiner Kirche fest. Dazu brauchen wir gar keine Statistiken. Für alles Mögliche haben wir noch Zeit, aber für Gott? Ich stelle mir dann manchmal vor, der Auferstandene, der vor Petrus steht, würde allen Christen ganz direkt diese Frage stellen: Liebst du mich? Vielleicht spürt diese Frage mancher von uns von innen her gelegentlich, im Alltag, beim Nachdenken über die Kirche in der Welt von heute oder in der heiligen Messe. Wie verhalten wir uns dann? Versuchen wir zu argumentieren? Möchten wir uns rechtfertigen? Wollen wir unser Verhalten erklären und begründen? Suchen wir die Schuld für unser Versagen, für unsere Sünden bei anderen? Machen wir Strukturen verantwortlich? Oder erinnern wir uns an das Sakrament der Buße?

Die Frage bleibt dieselbe. Petrus wird dreimal von Jesus gefragt: Liebst du mich? Er will es unbedingt wissen und mehr als einmal hören. Dieses Liebesbekenntnis ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Petrus weiß es. Der Auftrag – Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe! – wird immer wiederholt, dieselbe Botschaft, dieselbe Sendung. Nach der dritten Frage wird die Botschaft noch erweitert: Petrus wird auf das Kreuz zugehen und als Märtyrer des Glaubens sterben.

Wer zu Christus sich bekennt und zu Seiner Kirche steht, wird dem Kreuz nicht ausweichen können. Wer zu Christus sich bekennt und zu Seiner Kirche steht, wird vielleicht auch heute der Frage nicht ausweichen können: Liebst du mich? Vielleicht wird auch jeder, der noch mit sich ringt, noch zögert, sich zu Christus bekennen und zu Seiner Kirche stehen möchte, sich aber nicht oder noch nicht binden kann und möchte, immer wieder diese Frage vernehmen: Liebst du mich? Vielleicht wird jeder, der sich von Christus und von Seiner Kirche abgewandt hat, bis zur Stunde seines Todes von dieser Frage begleitet sein. Gottes Liebe kennt keinen Konjunktiv. So wie er Petrus fragt, so stehen auch wir vor dieser Frage, der wir vielleicht manchmal gern ausweichen würden. So wie Petrus werden wir auch hören: "Folge mir nach!"

Auch alle Christen, die über den "Synodalen Weg" nachdenken und sich an den Gesprächen wie Überlegungen beteiligen, werden, scheint mir, im Wesentlichen nicht danach gefragt, welche Meinung sie über diese oder jene Veränderung hegen oder was sie sich von der Kirche wünschen und wie sie neu gestaltet werden sollte. Die Frage des Herrn lautet: "Liebst du mich?" Wir alle werden Seiner Frage nicht ausweichen können. Diese Antwort nimmt uns auch niemand ab. Wir werden uns immer wieder zu Ihm und Seiner Kirche bekehren müssen, unser ganzes Leben hindurch. Petrus sagt: "Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe." Das stimmt, und so kennt der Herr nicht nur Petrus ganz, sondern Er kennt auch unsere Antwort. Liebst du mich? Er wünscht sich so sehr eine Antwort. Wir sprechen und singn sonntags das "Credo". Er weiß, zu wem wir uns bekennen. Er möchte uns trotzdem hören – nicht unser Lippen-, sondern unser Liebesbekenntnis, in der heiligen Messe genauso wie im Alltag unseres Lebens.

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Erstveröffentlichung 13. Juli 2019. Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.