Die Forderung machte Schlagzeilen: Eine kirchliche "Benediktion" für homosexuelle Paare forderte am 28. April in einem Interview mit der Linzer Kirchenzeitung Pater Ewald Volgger OT. Der Priester lehrt Liturgiewissenschaft an der Katholischen Privatuniversität in Linz und hat gemeinsam mit Florian Wegscheider ein Buch veröffentlicht, in dem – unter anderem – ein Beispiel einer solchen "Benediktion" geschildert wird.

Das Buch sei entstanden, weil "die liturgische Kommission Österreichs, deren Vorsitzender Erzbischof Lackner von Salzburg ist, [uns] beauftragt hat, uns mit dieser Frage auseinanderzusetzen", so Pater Volgger.

Ist mit einem kirchlichen Segen oder einer "Benediktion" homosexuellen Paaren geholfen? Zumindest soll damit verhindert werden, dass sich Menschen "ausgeschlossen fühlen", so Pfarrer Philip Bochanski gegenüber der Catholic News Agency (CNA). Der amerikanische Priester wirkt seit vielen Jahren als Executive Director von Courage International, einer katholischen Seelsorge-Initiative für Menschen mit homosexuellen Neigungen, die gemäß der katholischen Lehre keusch leben wollen. 

Bochanski sagt, es sei zwar ein gut gemeintes Anliegen: Man versuche offenbar, "Wege zu finden, um Gemeinde-Mitglieder in öffentlichen Zeremonien anerkennen zu können", so der Priester. Die Kirche sollte aber, auch wenn es "nicht immer leicht" sei, stattdessen eine Einladung aussprechen: In tiefer, authentischer Liebe eine Freundschaft zu leben. Das sei "nicht als eine Zumutung gemeint, oder als Einschränkung der Freiheit", betonte Bochanski gegenüber CNA am 26. Mai. 

Wie aber stehen betroffene, praktizierende Katholiken zu dieser Debatte? CNA Deutsch hat mit der Autorin Teresa Frei darüber ein schriftliches Interview geführt.

Frau Frei, Sie haben in ihrem Buch "Frauen lieben – Eine lesbische Suche nach Gott" (*) sehr offen und persönlich Ihren Weg zum Glauben und Umgang mit homosexuellen Neigungen geschildert. Wie bewerten Sie einen Vorschlag wie den von Pater Volgger und anderen Theologen, eine "Benediktion" gleichgeschlechtlicher Partner in der Kirche einzuführen? 

Auch wenn ich aufgrund meines eigenen Lebensweges durchaus den Wunsch gleichgeschlechtlicher Katholiken nachvollziehen kann, ihre Partnerschaft von Seiten der Kirche gewissermaßen besiegeln zu lassen, so muss ich dennoch den Vorschlag einer "Benediktion", also eines amtlichen Segens-Aktes, einem kritischen Blick unterziehen.

Ich verfolge diese Diskussion nun schon geraume Zeit. Zunächst einmal stellt sich mir die Frage, was das Motiv für eine solche "Benediktion“ sein könnte. Mir scheint, dass es im Grunde darum geht, gleichgeschlechtliche Lebensformen kirchlicherseits legitimieren zu wollen und damit nicht zuletzt auch den Grundstein dafür zu legen, in Zukunft eine homosexuelle Verbindung der Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen.

Demnach wäre es eher angebracht, dass die Initiatoren solcher Studien ihren Wunsch nach einer Änderung der kirchlichen Sexualmoral endlich einmal offen aussprechen und sich nicht hinter wie auch immer gearteten liturgie- oder moraltheologischen Überlegungen verstecken.

Zudem liegt der Verdacht nahe, dass einige entweder selbst nicht (mehr) im Glauben stehen bzw. von der Lehre der Kirche überzeugt sind oder ihnen jegliches Sündenbewusstsein abhandengekommen ist.

 Vielleicht haben sie Ängste oder kein Interesse daran, homosexuell geneigten Menschen zu helfen, die Liebe Gottes und seinen Heilsplan in der Schöpfungsordnung zu erkennen und nach den Geboten Gottes und der Kirche zu leben.

"Liebe und Treue"

Auffällig ist bei all diesen Studien und Überlegungen, dass die Meinung von Menschen wie mir keine Beachtung findet. Also von ehemaligen Betroffenen, die eine starke Bekehrung geschenkt bekamen und seitdem in Liebe und Treue zur Lehre der Kirche leben. Das ist einerseits ignorant und andererseits bestärkt es den Verdacht, dass es eigentlich nicht wirklich darum geht, homosexuell geneigte Menschen zur Wahrheit, d. h. zu Gott zu führen, sondern – aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen – lieber ihre sündhaften Verstrickungen abzusegnen.

Selbstverständlich möchte ich keinem lesbischen oder schwulen Paar den aufrichtigen Wunsch absprechen, ihren gemeinsamen Weg sowie ihre Partnerschaft unter den Segen Gottes und der Kirche stellen zu wollen. Auch ich habe aufgrund meiner Abirrungen damals einen kirchlichen Sanctus sehr vermisst. 

Ich möchte keineswegs verschweigen, dass die Auseinandersetzung mit der Lehre der Kirche zur Homosexualität für mich ein äußerst schmerzhafter und langwieriger Prozess war. So habe ich selbst noch nach meiner Abkehr vom homosexuellen Lebensstil gute zehn Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass alles, was Gott geschaffen hat, einer Ordnung unterworfen ist und dass diese "göttliche Schöpfungsordnung“ nun mal seinem Willen entspringt und zum Heil der Menschen dient! Das wiederum bedeutet, dass alles, was sich gegen diese Ordnung richtet oder sie verfremdet, dem Ungeordneten zugeneigt und damit Sünde ist. Praktizierte Homosexualität verstößt gegen die göttliche Schöpfungsordnung, da sie Gottes Willen und Heilsplan für die geschöpfliche Liebe zweier Menschen – die im Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau ihren Ausdruck findet – missachtet.

"Kirche als Ort der Gnade, Vergebung und Barmherzigkeit"

Insofern wäre meines Erachtens eine "Benediktion" gleichgeschlechtlicher Partner ein Widerspruch in sich, da in diesem Fall die Kirche eine gleichgeschlechtliche, außereheliche sexuelle und damit ungeordnete, sündhafte Verbindung "amtlich segnen“ würde. 

Die Kirche ist kein von Menschenhand gegründeter Verein, sondern sie ist Gott mitten unter uns, ein Ort der Gnade, der Barmherzigkeit, der Vergebung, der Erlösung und der Hoffnung. Sie muss die Edelmütigen schützen und die Irrenden mahnen. Es ist ihre vorrangige Aufgabe, sich um das Heil der Seelen zu kümmern, sich dabei an Jesus Christus und dem Evangelium zu orientieren und nicht ihre Lehrmeinung nach einer weiteren Episode aus der beliebten Zeitgeist-Staffel "Wünsch Dir was!" auszurichten.

Schlussendlich wage ich zu behaupten, dass die Kirche sehr segensreich für gleichgeschlechtliche Personen wirken könnte, und zwar durch eine liebevolle und thematisch ausgerichtete Begleitung: Dadurch könnten diese sich mit Gottes Schöpfungsordnung, seinem Willen und seinem Plan vom Glück auseinandersetzen und auf diese Weise die daraus entstehenden Herausforderungen angehen und notwendige Entscheidungen treffen.

In Ihrem Buch schreiben Sie [S. 195f], dass eine der größten Herausforderungen für Sie darin bestand, sich nicht von "falschen Propheten" und "verirrten Hirten" irreführen zu lassen. Was meinen Sie damit? 

Nehmen wir beispielsweise die aktuelle Situation im deutschsprachigen Raum: Fast wöchentlich gibt es Nachrichten, aus denen hervorgeht, dass sich ein Oberhirte oder ein Theologe von der Lehre der Kirche distanziert, sie verwässert oder gar als nicht mehr zeitgemäß erachtet. Mir scheint, dass hier oft der Wille Gottes und das Heil der Betroffenen keine Rolle mehr spielen. Vielmehr geht es um die Schaffung einer bequemen Gewissens-Komfort-Zone, in der alles erlaubt ist, solange es ausreichend gegendert und zeitgeistkonform ist. 

Was macht das nun mit einem Menschen, der mit seinem ganzen Wesen erkannt hat, dass das Ausleben seiner homosexuellen Neigung gegen Gottes Willen ist und ihm nicht zum Heil gereicht? Jemand, der sich schon für eine Veränderung seines homosexuellen Lebensstils entschlossen hat und eigentlich kirchlicherseits dringend Hilfe bräuchte, um auf seinem Weg der Umkehr belehrt und bestärkt zu werden, wird stattdessen verunsichert und beginnt womöglich zu zweifeln: am Schöpfer, an der Schöpfungsordnung und an der eigenen Umkehr. Und da Letztere noch ein zartes Pflänzchen ist, läuft er Gefahr, wieder in sein altes, gewohntes – und leider oft sündhaftes Umfeld – zurückzukehren. Wenn all das dann demnächst noch mit einem kirchlichen Segen belohnt würde…

Was würden Sie sich denn von Seelsorge und Theologie wünschen?

Spontan würde ich sagen: Zuhören, beten, die Geister unterscheiden und dann erst reden. Auch wäre ich sehr dankbar, wenn jeder Seelsorger und Theologe seine eigene Grundlage immer wieder hinterfragt: "Glaube ich an Jesus Christus – wahrer Gott und wahrer Mensch? Bin ich mir bewusst, dass der Mensch Gott ähnlich, aber nicht Gott gleich ist?" Die ehrliche Beantwortung dieser Fragen würde schon viele unnötige Diskurse und Debatten über all das, was an der kirchlichen Lehrmeinung unbedingt geändert werden müsste, obsolet machen. Nur, weil es in der Vergangenheit Fehler gab, müssen wir nicht gleich das Kind mit dem Bad ausschütten und alles einer Änderung unterziehen.

Es wäre meines Erachtens vielmehr an der Zeit, zu hinterfragen, welche Themen bislang im Lehramt oder in der Seelsorge noch nicht ausreichend berücksichtigt, erörtert oder beleuchtet worden sind. Mir fallen dazu beispielsweise Themen ein wie Gender-Ideologie, Transsexualität, Intersexualität und damit einhergehend das so genannte "dritte Geschlecht", dann die Freigabe der Adoption für Homosexuelle, der Umgang mit ehemaligen Homosexuellen sowie nicht zuletzt Leihmutterschaft und Euthanasie.

In Bezug auf die Themen Homosexualität und Transgenderismus fehlt seitens der Theologen international der Druck auf Politik und Wissenschaft, neue Studien über die Ursachen von Homo- und Transsexualität, das Wohl von Kindern gleichgeschlechtlicher Elternteile sowie die negativen Auswirkungen von geschlechtsangleichenden Operationen zu erstellen, um nur einige heiße Eisen zu nennen. 

Für den Katechismus und andere lehramtliche Texte wünsche ich mir persönlich, dass sie viel umfangreicher und besser verständlich formuliert, sowie Übersetzungsfehler korrigiert würden. In einigen Texten wird von "homosexueller Veranlagung" anstatt "Neigung" gesprochen, was aber ein inhaltlicher Fehler ist: Das so genannte "Homo-Gen", also eine genetisch bedingte Veranlagung von Homosexualität, konnte meines Wissens wissenschaftlich bislang nicht nachgewiesen werden.

"Eine Neigung ist nicht sündhaft"

Auch müsste viel besser der Unterschied zwischen Sünde und Sünder erläutert werden. Immer wieder werde ich von Menschen damit konfrontiert, die Kirche diskriminiere Homosexuelle, was jedoch im Katechismus strikt abgelehnt wird. Die lehramtlichen Texte sind aber in der Tat leider nicht sehr hilfreich dabei, jemandem zu erklären, dass das bloße Innehaben einer homosexuellen Neigung nicht sündhaft ist, die homosexuelle Praktik dagegen schon.

Dann würde ich mich sehr freuen, wenn kluge Köpfe – und zwar aus den verschiedensten "Lagern" – endlich einmal einen fundierten Text verfassen würden, der folgende Fragen beantwortet: "Wie/so kann denn Liebe Sünde sein?" und "Was ist normal?" Die Beantwortung dieser Fragen war eine der größten Herausforderungen für mich bei meiner Umkehr.

Darüber hinaus wäre es wunderbar, wenn es einen leicht verständlichen Text für verschiedene Altersgruppen gäbe, der dem Menschen von heute die göttliche Schöpfungsordnung und seinen Heilsplan erklärt und ihm hilft, Fragen wie diese zu beantworten: "Was will Gott für mein Leben? Wie kann ich Gott lieben und ehren? Wieso brauche ich Gott, um glücklich zu sein?"

"Barmherzigkeit steht jedem offen"

Von den Seelsorgern wünsche ich mir eine aufrichtige Auseinandersetzung mit der Lehre der Kirche, bei der Homosexuelle in Liebe und Barmherzigkeit angenommen werden. Dies heißt zugleich, dass der Seelsorger den Betroffenen anbietet, sie auf den Weg des Glaubens gemäß den Geboten Gottes und der Kirche zu führen. Gottes Barmherzigkeit steht jedem offen, der sich vertrauensvoll an ihn wendet, um von einer ungeordneten Neigung befreit zu werden. Die seelsorgerliche Hilfe besteht also vor allem darin, die Betroffenen einzuladen, sich durch eine Entscheidung zur Umkehr ihre Liebesfähigkeit durch Gottes Gnade wiederherstellen zu lassen.

Viele Seelsorger sind jedoch heute leider befangen, denke ich: Einige sind in ihre eigene homosexuelle Neigung verstrickt, andere haben homosexuelle Freunde oder Verwandte und wieder andere fürchten den Druck der Gesellschaft oder der Medien. Nach meinen eigenen, sehr leidvollen Erfahrungen mit solchen Seelsorgern möchte ich diesen den Rat geben, Betroffene lieber an andere Kollegen zu verweisen. 

Diejenigen Seelsorger, die – wissentlich – nicht gemäß der Lehre der Kirche handeln und Betroffene auf ihrem Irrweg belassen und sie gar noch in ihrem sündhaften Verhalten unterstützen, werde ich auch weiterhin gerne im Gebet dem Herrn empfehlen.

"Es fehlt an Anlaufstellen"

Grundsätzlich wäre es aus meiner Sicht angemessen, wenn alle Seelsorger der Homosexuellen-Pastoral sich thematisch gut auskennen und sich regelmäßig weiterbilden, aber auch mit ehemaligen Betroffenen sprechen. Ich bin immer wieder erstaunt über die Angebote der diversen "Regenbogenpastoral"-Programme und frage mich, ob die Verantwortlichen jemals mit Menschen gesprochen haben, die ihre Homosexualität nicht (mehr) ausleben und dennoch glücklich sind. Da auch ich zu diesem Personenkreis gehöre, muss ich leider feststellen, dass es sich hierbei immer noch um eine nicht beachtete Randgruppe handelt. Es gibt hierzulande weder ein Pastoralkonzept noch eine offizielle Institution der Kirche für homosexuell geneigte Menschen, die treu zur Lehre der Kirche leben. Darüber hinaus fehlt es auch an allen Ecken und Enden an Anlaufstellen für indirekt Betroffene, also Verwandte, Freunde, Arbeitskollegen von Homosexuellen oder einfach nur am Thema Interessierte. Und das Thema Transgenderismus ist bei den meisten noch nicht einmal auf dem Schirm. Hier ist noch viel zu tun im Weinberg des Herrn.

(*) Teresa Frei arbeitete viele Jahre erfolgreich in der IT-Branche. Privat engagierte sie sich sportlich als Fußballerin und suchte ihr Glück in verschiedenen lesbischen Beziehungen. Heute lebt sie in Wien. Die Reflexion über ihre wilden Jahre führte sie näher an Gott und an den Sinn ihres Lebens heran

Teresa Frei, "Frauen lieben: Eine lesbische Suche nach Gott" ist im Morawa Lesezirkel erschienen und hat 264 Seiten.

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