Den Kreuzweg zu beten ist einer der ältesten Andachtsübungen der Christenheit. Dabei gehen Beter die 14 Stationen der "Schmerzreichen Straße" (Via Dolorosa) in Jerusalem betend und gedanklich mit Jesus verbunden, hinauf nach Golgota, wo sich sein Leidensweg in aller Brutalität am Kreuz vollendet.

In der Zeitschrift "Theologisches" (Juli/August 2014) erschien ein Aufsatz von Dr. med. Ewa Kucharska mit dem Titel "Der Kreuzestod Jesu unter medizinischen Gesichtspunkten". Darin beleuchtet die Direktorin des Medizinzentrums "Vadimed" am Collegium Medicum der Jagiellonen-Universität von Krakau Jesu Tod anhand der neuesten medizinischen Erkenntnisse. Sie lässt dabei Fachleute aus verschiedensten medizinischen Fachrichtungen zu Wort kommen, die manchmal ihre Forschungen anhand tatsächlicher Geschehnisse begründen oder verifizieren.

Der Autor dieses Beitrages veröffentlicht hier, mit der Erlaubnis des Herausgebers von "Theologisches", Prof. Dr. Manfred Hauke, in weiten Teilen Ausschnitte aus dem Aufsatz von Dr. Kucharska.

+ Kreuzweg - 14. Station - Der Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und preisen Dich, denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöst.

Die moderne Medizin wäre im Stande, Christus mit Schmerzmitteln gemäß der dreistufigen analgetischen Leiter [der Weltgesundheitsorganisation, WHO] zu helfen. Es ist nicht zu vergessen, dass bei so grausamen Schmerzen narkotische Medikamente, wie schnell wirksames Morphin und Morphinpräparate mit modifizierter Wirkung sowie sonstige starke subkutan [unter die Haut] verabreichte Opioide und Methadon eingesetzt werden können. Es könnte eine Sedation [Dämpfung des zentralen Nervensystems]erwägt werden, die in der gezielten Verabreichung von Medikamenten besteht, die das Bewusstsein des Kranken verringern. Die Sedation ist heute ein allgemein verwendetes Verfahren vor den diagnostischen und behandelnden Eingriffen, die gewöhnlich Angst und Schmerz bei den Patienten hervorrufen. Die Verabreichung von Barbituraten oder Benzodiazepinen [Schlaf- und Beruhigungsmittel] verursacht eine Depression des Zentralnervensystems mit Beschränkung des Bewusstseins bis zur Bewusstlosigkeit. Man könnte darüber diskutieren, ob eine solche Sedation in der Endphase des Lebens eine verdeckte Sterbehilfe ist. Sicherlich würde Trinken und Ausgleich der Wasser- und Elektrolytstörungen die Konsequenzen der Gewebe- und Organschädigungen verringern.

Der Fortschritt der Medizin und die Entwicklung der Technlogie beeinflussten die Art und Weise der Beurteilung unterschiedlicher Aspekte des Lebens, darunter auch des Todes. Nach Meinung von Philippe Aries gab es seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts nachfolgende Änderungen der Betrachtungsweise vom Tod. Das Denken des gegenwärtigen Menschen wird erheblich umgewandelt, von den Erwägungen zum Thema des Todesphänomens bis zur Analyse des Sterbens. Die Medikation des Todes, also ein Versuch, den Tod durch die Medizin unter Anwendung der zugänglichen diagnostischen und therapeutischen Mittel abzufangen, verursacht, dass die Medizin um jeden Preis versucht, dem Sterbenden zu helfen und der Mediziner die Funktion des gegen den Tod kämpfenden Botschafters übernimmt. In dem Kontext und angesichts dieser Betrachtungen unterstützt die Medikalisierung der Medizin und der heroische Kampf um das Leben des Kranken den Gedanken, dass die Medizin heute dem sterbenden Jesus bei seinem Leiden helfen könnte. Es ist jedoch zu fragen, wo die Grenze dieser Hilfe liegt. Ein wesentliches Element bei Jesus ist die Notwendigkeit, ihm die psychosomatische Unterstützung anzubieten, die seine somatischen Beschwerden verringern könnte. Eine solche Unterstützung ist die Nächstenliebe und die Veranschaulichung, dass der andere Mensch mit seiner Liebe ihn in seinem Leiden begleitet.

Gott, bei Deinem Leiden durchdrang nach der Weissagung Simeons ein Schmerzensschwert die liebreichste Seele der glorreichen Jungfrau und Mutter Maria: Verleihe gnädig, dass wir durch die fromme Verehrung ihrer Leiden die segensreichen Wirkungen Deines Leidens erlangen. Amen.

Vater unser.

Das war die letzte Station des Kreuzwegs. Eine Übersicht aller Stationen – und mehr zum Thema Kreuzweg – finden Sie hier. 

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