Disputa del Sacramento - Disput über das Sakrament - heißt eins der berühmtesten Gemälde Raffaels in den Vatikanischen Museen, das im Jahr 1509 von dem Malergenie für die Sala della Segnatura im Papstpalast von Julius II. geschaffen wurde. Acht Jahre vor Luthers Thesenanschlag hält dieses Fresko, das zwar nicht so bekannt ist wie die "Schule von Athen", welche der Vernunft huldigt, das vorreformatorische Eucharistie-Verständnis der lateinischen Christenheit noch einmal wie in einem Bernstein fest.

Und wer das Bild eingehend betrachtet, das in seinem Zentrum eine ausgestellte verwandelte Hostie auf einem Altar zeigt, umgeben von himmlischen und irdischen Heerscharen, wird nicht daran glauben können, dass der Disput über die Eucharistie, der in den vergangenen Monaten in Deutschland wieder neu aufgeflammt ist, je an ein Ende kommen kann. Denn es ist ja nicht so, dass es Katholiken in irgendeiner Weise leicht oder gar leichter als Protestanten fällt zu glauben, dass Gott uns selbst und höchstpersönlich in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein begegnet, ob wir sie nun verzehren oder nicht.

Und fast noch schwieriger sind dann die Unterschiede im Verständnis der Eucharistie zwischen und unter den Konfessionen: Calvinisten glauben nicht an die Realpräsenz Christi in der Eucharistie, Lutheraner hingegen wohl, wie sie beteuern, obwohl sie den katholischen Glauben an das sakramentale Priestertum nicht teilen, ohne das wiederum die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi für Katholiken undenkbar ist.

Darüber ist aber, wie die Debatten um die sogenannte Interkommunion unter den letzten Christen im Land der Reformation inzwischen wie Kontrastbrei erkennen lassen, nach den alten Religionskriegen mit ihren vielen verlorenen Schlachten nun auch so etwas wie eine neue "dritte Konfession" neben einem "dritten Geschlecht" in Deutschland entstanden. Die müssen wir uns als neue "Hauskirchen" vorstellen, genauer: als Familien mit konfessionsverschiedenen und konfessionsverbindenden Eheleuten, wo längst jeder und jede glaubt und macht, was er und sie will, jenseits aller Dogmen, ohne oder mit eigenen Sakramenten und vollkommen unabhängig davon, was der Papst, die Bischöfe, Theologen oder gar Pfarrer und Pastorinnen dazu sagen. Von der visuellen Theologie katholischer Maler gar nicht zu reden.

500 Jahre nach der Reformation Doktor Luthers könnte man es auch eine neue Kirchenspaltung nennen, die nun Katholiken wie Protestanten in gleicher Weise erfasst hat, jedoch nicht zwischen links und rechts oder liberal und konservativ und auch nicht mit einem vertikalen Verlauf von oben nach unten, sondern als eine Spaltung, die diesmal horizontal verläuft zwischen den Hierarchien der Konfessionen oben und den Kirchenvölkern unten, in der sich die Basis für immer von den verbeamteten traditionellen Eliten trennt, die sich ihrerseits von einer überzeugenden Katechese des wahren Glaubens und seiner allerheiligsten Sakramente längst verabschiedet haben.

Zuerst veröffentlicht bei der Zeitung "Die Tagespost". Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung.

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