In theologischen Diskursen und mehr noch in kirchenpolitischen Debatten erleben wir oft, dass sich Weltchristen, Theologen und Kleriker auf das Zweite Vatikanische Konzil berufen, wenn sie die Lehre der katholischen Kirche „weiterentwickeln“ möchten – und mit diesem Wort die Abwendung gefällig akzentuieren. Gerade die Pastoralkonstitution wird als wegweisend für eine modernisierte Theologie und Kirche angesehen. Wer allerdings „Gaudium et spes“ aufmerksam studiert, wird kaum Anknüpfungspunkte an die divergierenden Meinungen, die heute darüber kursieren, entdecken.

Die Konzilsväter verbinden das „Wohl der Person“ in der Gesellschaft mit dem „Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft“. Sie wünschen sich – mit Christen aller Konfessionen – die „Förderung dieser Gemeinschaft der Liebe“ und appellieren an den „Schutz des Lebens“. Zugleich werden große Probleme benannt, die die „Würde dieser Institution“ beschädigen: „Polygamie, um sich greifende Ehescheidung, sogenannte freie Liebe und andere Entartungen entstellen diese Würde.“ Die Ehe werde „entweiht“ durch „Egoismus“, Genusssucht und „unerlaubte Praktiken gegen die Fruchtbarkeit“. Wir sehen hier Abgrenzungen gegenüber allen Versuchungen der Moderne, in der neue Modelle erprobt werden, die aber dem Bild der Ehe, das das Konzil hier vorstellt, entgegenstehen. Verschwiegen werden weder belastende soziale Nöte noch staatliche Verhältnisse, die das Familienleben stören und sein Gedeihen beeinträchtigen. Die Absicht des Konzils ist es, die „ursprüngliche Würde der Ehe und ihren hohen und heiligen Wert zu schützen und zu fördern“.

Die Konzilsväter betonen darum die „Heiligkeit von Ehe und Familie“: „Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, d. h. durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet. So entsteht durch den personal freien Akt, in dem sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen, eine nach göttlicher Ordnung feste Institution, und zwar auch gegenüber der Gesellschaft. Dieses heilige Band unterliegt im Hinblick auf das Wohl der Gatten und der Nachkommenschaft sowie auf das Wohl der Gesellschaft nicht mehr menschlicher Willkür.“

Gott selbst sei der „Urheber der Ehe“, die auf die „Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft“ hingeordnet sei: „Diese innige Vereinigung als gegenseitiges Sichschenken zweier Personen wie auch das Wohl der Kinder verlangen die unbedingte Treue der Gatten und fordern ihre unauflösliche Einheit.“ Die eheliche Liebe gehe aus der göttlichen Liebe hervor und sei dem Vorbild seiner Einheit mit der Kirche entsprechend gebildet: „Wie nämlich Gott einst durch den Bund der Liebe und Treue seinem Volk entgegenkam, so begegnet nun der Erlöser der Menschen und der Bräutigam der Kirche durch das Sakrament der Ehe den christlichen Gatten. Er bleibt fernerhin bei ihnen, damit die Gatten sich in gegenseitiger Hingabe und ständiger Treue lieben, so wie er selbst die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat. Echte eheliche Liebe wird in die göttliche Liebe aufgenommen und durch die erlösende Kraft Christi und die Heilsvermittlung der Kirche gelenkt und bereichert, damit die Ehegatten wirksam zu Gott hingeführt werden und in ihrer hohen Aufgabe als Vater und Mutter unterstützt und gefestigt werden.

So werden die christlichen Gatten in den Pflichten und der Würde ihres Standes durch ein eigenes Sakrament gestärkt und gleichsam geweiht. In der Kraft dieses Sakramentes erfüllen sie ihre Aufgabe in Ehe und Familie. Im Geist Christi, durch den ihr ganzes Leben mit Glaube, Hoffnung und Liebe durchdrungen wird, gelangen sie mehr und mehr zu ihrer eigenen Vervollkommnung, zur gegenseitigen Heiligung und so gemeinsam zur Verherrlichung Gottes.“ Die Eltern sind berufen, gemeinsam mit ihren Kindern, durch Beispiel und Gebet den Weg des Heils und der Heiligkeit in der Welt von heute zu finden. Die Kinder sollen auf eigene Weise zur „Heiligung der Eltern“ beitragen: „In Dankbarkeit, Ehrfurcht und Vertrauen müssen sie das erwidern, was die Eltern ihnen Gutes tun, und ihnen, wie es Kindern ziemt, im Unglück und in der Einsamkeit des Alters beistehen.“

Die Konzilsväter sprechen über die eheliche Liebe: „Diese eigentümlich menschliche Liebe geht in frei bejahter Neigung von Person zu Person, umgreift das Wohl der ganzen Person, vermag so den leib-seelischen Ausdrucksmöglichkeiten eine eigene Würde zu verleihen und sie als Elemente und besondere Zeichen der ehelichen Freundschaft zu adeln.“ Die eheliche Liebe wird auch von bloßer, banaler Erotik abgegrenzt: „Eine solche Liebe, die Menschliches und Göttliches in sich eint, führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben; ja gerade durch ihre Selbstlosigkeit in Leben und Tun verwirklicht sie sich und wächst. Sie ist viel mehr als bloß eine erotische Anziehung, die, egoistisch gewollt, nur zu schnell wieder erbärmlich vergeht.“

Der eheliche Akt sei von „sittlicher Würde“, erfüllt die Eheleute mit Freude und Dankbarkeit und zeigt das „gegenseitige Übereignetsein“: „Diese Liebe, die auf gegenseitige Treue gegründet und in besonderer Weise durch Christi Sakrament geheiligt ist, bedeutet unlösliche Treue, die in Glück und Unglück Leib und Seele umfaßt und darum unvereinbar ist mit jedem Ehebruch und jeder Ehescheidung. Wenn wirklich durch die gegenseitige und bedingungslose Liebe die gleiche personale Würde sowohl der Frau wie des Mannes anerkannt wird, wird auch die vom Herrn bestätigte Einheit der Ehe deutlich.“ Nicht verschwiegen wird also, dass der Alltag spröde und die Zweisamkeit mitunter auch zum Kreuz werden kann. Wegweisend ist, dass die Konzilsväter die Gleichrangigkeit von Mann und Frau hervorheben. Der Mann ist also nicht vorgeordnet – entgegen oft noch biederen Vorstellungen in der Gesellschaft gestern und heute –, sondern die personale Würde ist beiden in gleichem Maße zu eigen und prägt wesenhaft die gelingende Ehe. Niemand also darf sich berufen fühlen, über den anderen zu herrschen. Eine „ungewöhnliche Tugend“ sei notwendig, um die „Pflichten dieser christlichen Berufung“ zu erfüllen: „Von daher müssen die Gatten, durch die Gnade zu heiligem Leben gestärkt, Festigkeit in der Liebe, Seelengröße und Opfergeist pflegen und im Gebet erbitten.“

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gastautoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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