Manuel Schlögl ist Professor für Dogmatik und Ökumenischen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT). Im Gespräch mit CNA Deutsch fasst er seine Sicht auf die vierte Synodalversammlung des Synodalen Wegs zusammen.

Spätestens jetzt wissen alle Beobachter: Beim Synodalen Weg geht es um eine Änderung des Katechismus, also letztlich der überlieferten Lehre der Kirche – so etwa mit Blick auf eine "Neubewertung von Homosexualität". Aber kann man die Lehre überhaupt ändern?

Die Absicht, die Lehre der Kirche besonders im Bereich der (Sexual-)Moral zu verändern, wurde bei dieser Sitzung besonders deutlich.

Aber erstens liegt so eine Veränderung nicht in der Kompetenz der Synodalversammlung, sondern könnte nur weltkirchlich beschlossen werden.

Zweitens sehe ich eine zunehmende Trennung von Moral und Glaube und frage mich: Wie kann man das Christuszeugnis des Neuen Testaments, das manche Theologen ja gerade als Begründung von Veränderungen heranziehen, trennen von seinem Menschenbild? Zu behaupten, es gehe die Kirche nichts an, wie ihre Mitarbeiter leben oder was sie glauben, ist ein Zeichen der Krise, einer zunehmenden Privatisierung und Relativierung des Glaubens, aber keine tragfähige Lösung.

Eine deutliche Mehrheit der Bischöfe will Änderungen der katholischen Lehre in Sachen Frauenordination und Sexualmoral. Sie sind Priester: Was raten Sie den zahlreichen normalen Gläubigen, die dem Lehramt und der Offenbarung treu sind, nun aber augenscheinlich einen Bischof haben, der diesen Glauben nicht mehr teilt?

Gläubigen, die über die Haltung ihrer Bischöfe enttäuscht sind und der Überlieferung der Kirche treu bleiben wollen, rate ich:

  • Unternehmen Sie etwas, was Ihren Glauben positiv fördert: Nehmen Sie teil an Einkehrtagen, Gebetsgruppen, Wallfahrten, lesen Sie in der Heiligen Schrift, besuchen Sie die Hl. Messe und beten Sie für die Kirche.
  • Wenn Sie über die Haltung der Bischöfe mit anderen sprechen: Versuchen Sie, Inhalt und Person zu trennen – also die Aussagen, die Sie nicht teilen, kritisieren, aber weiterhin für den Bischof als Nachfolger der Apostel zu beten und mit ihm verbunden zu bleiben.
  • Schreiben Sie über alles, was Sie beschäftigt, einen Brief an Ihren Bischof – unabhängig davon, ob Sie ihn dann abschicken oder nicht.

Gerade nach der ersten Abstimmung am Donnerstagabend, als eine Sperrminorität der Bischöfe den Grundtext zur Kehrtwende in der Sexualmoral blockieren konnte, wurde immer wieder die Bedeutung von "Einheit" betont. Einheit muss aber einen Bezugspunkt haben: Worin besteht also die Einheit der Kirche?

Im "Synodalen Weg" ist viel von "Einheit" die Rede. Doch Einheit um welchen Preis?

Einheit im Glauben findet man nicht durch politisches Kalkül und erzwungene Mehrheiten, sondern durch das Wirken des Heiligen Geistes, dafür braucht man allerdings Zeit, auch Zeiten des Gebets.

Die Einheit der Kirche besteht der Überlieferung nach in den drei vincula Glaubensbekenntnis, Teilhabe an den Sakramenten und hierarchischer Gemeinschaft. Daher ist auch die Haltung der Bischöfe so wichtig: Sie repräsentieren in ihrer Person die Einheit mit der Weltkirche. Dieses weltkirchliche Bewusstsein scheint bei einigen Bischöfen nicht sehr ausgeprägt, sie vertreten offensichtlich nur die eigenen Belange oder die Meinungen von Teilen ihrer Ortskirche.

Bischof Franz-Josef Bode hat bereits angekündigt, auch ein erneutes lehramtliches "Nein" zur Frauenordination wäre nicht endgültig, denn es gebe "Dogmenentwicklung" und "Dogmengeschichte". Sie lehren Dogmatik: Wie sind die Aussagen von Bode zu bewerten?

Natürlich sind die Dogmen der Kirche Ausdruck eines geschichtlichen Glaubens, sie haben sich entwickelt, aber nicht willkürlich, sondern nach bestimmten Grundsätzen, wie sie John Henry Newman im 19. Jahrhundert herausgearbeitet hat. Immer wurden dabei das Zeugnis der Heiligen Schrift und die Schriften der Kirchenväter als Prüfstein für Weiterentwicklungen beachtet und damit höchster Wert auf die Kontinuität und innere Logik der katholischen Lehre gelegt. Diese Sorgfalt und überhaupt der Respekt vor der Tradition fehlen der Synodalversammlung weitgehend.

Zur Frage der Frauenordination: Eine Teilhabe von Frauen am sakramentalen Amt ist nach allen bisherigen Forschungen in 2000 Jahren Kirchengeschichte nicht nachweisbar, man kann hier also nicht von "Dogmenentwicklung" sprechen, denn wo keine Lehre vorliegt, kann sich auch keine weiter entwickeln. Es wäre eine völlige Neuerung aufgrund der modernen Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit. Doch ich halte die Verbindung der Frage nach Würde und Berufung der Frauen in der Kirche mit der Amts- und Machtfrage für eine Engführung, die letztlich das Wesen von geistlicher Berufung und sakramentalem Amt verdunkelt.

Beim Synodalen Weg wird immer wieder der Begriff "Synodalität" bemüht – inhaltlich steckt aber meist wenig dahinter, denn "gemeinsam auf den Weg" macht man sich auch auf Klassenfahrt, ohne gleich "synodal" zu sein. Was bedeutet "Synodalität" für Sie und – Sie sind Ratzinger-Experte – für den emeritierten Papst Benedikt XVI.?

"Synodalität" ist ein relativ neuer Begriff, auch wenn die Sache, die er bezeichnet, schon immer ein Prinzip kirchlicher Beratungen ist: die Offenheit des Dialogs, das Hören aufeinander, die Bitte um den Heiligen Geist, der der Kirche den Weg durch die Zeit weist und die richtigen Antworten finden lässt auf die großen Fragen, die die Menschheit bewegen. Papst Franziskus ist als Jesuit die Unterscheidung der Geister besonders wichtig. Den Weg der Kirche sieht er vor allem als einen Prozess des geistlichen Wandels, nicht so sehr in Sachthemen und Strukturfragen. Insofern setzt er ganz anders an als der Synodale Weg in Deutschland, der ja gerade Veränderungen in der Lehre und in der Leitungsstruktur der Kirche anstrebt.

Auch Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. hat in seinen Werken über die Kirche (ich denke besonders an "Das neue Volk Gottes" 1969, "Kirche – Ökumene – Politik" 1987, "Zur Gemeinschaft gerufen" 1991) wie auch in seinem Pontifikat großen Wert auf die geistliche Erneuerung der Kirche gelegt. Der "gemeinsame Weg" der Kirche ist für ihn vor allem der Weg in der Nachfolge Jesu Christi. Und wie man miteinander im Glauben unterwegs bleibt, beschreibt er gerne mit dem Wort aus Apg 2,42: "Sie hielten fest an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten." Würde der Synodale Weg mehr daran Maß nehmen statt einen "deutschen Alleingang" verfolgen, würde er auch mehr Akzeptanz finden in der Weltkirche und bei den Gläubigen!

Welche Reaktion erwarten oder wünschen Sie sich von römischen Stellen und von Papst Franziskus nun angesichts der relativ eindeutigen Zurückweisung der Lehre, die einen Katholiken nicht einfach mit dem Lehramt verbindet, sondern auch beispielsweise mit einem Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert oder einem Augustinus im 4. und 5. Jahrhundert – um von der Heiligen Schrift gar nicht zu sprechen?

Von der Kurie und Papst Franziskus wünsche ich mir eine genaue und kritische Überprüfung der Texte und Anliegen, die die Bischöfe mit nach Rom bringen werden. Es hieß in Frankfurt ja wiederholt, die deutschen Katholiken wollten der Weltkirche Denkanstöße geben, aber keine fertigen Ergebnisse vorlegen.

Insofern hoffe ich, dass der Synodale Weg auch seinerseits offen bleibt für das Zeugnis anderer Christen, besonders aus den Teilen der Welt, in denen sie eine kleine Minderheit sind oder sogar unter Verfolgung leiden. Nicht in der Relativierung des Glaubens, sondern in seiner Profilierung liegt die Zukunft des Christentums!